Darf man das Bild von Ailan Kurdi zeigen? Und darf man in einer Welt, in der ein kleiner Junge tot am Strand liegt, das Bild eines unbeschwerten Jungen zeigen?
Zwischenzeitlich weiß jeder, was gemeint ist, wenn von „dem Bild“ gesprochen wird, von „dem Jungen“. Die meisten werden auch den Namen des Jungen – Ailan Kurdi – zwischenzeitlich kennen oder sich zumindest erinnern, ihn gehört zu haben. Ich selbst war ein paar Tage unterwegs, und habe mir den Luxus erlaubt, bis auf die Standards vom Freitag und Sonntag keine Beiträge zu schreiben. Und ich bin froh, dass das andere getan haben, so zum Beispiel der Bloggerkollege Josef Bordat in seinem kleinen und gefühlvollen Beitrag.
Was zu befürchten war, ist mittlerweile eingetreten: Das Bild beginnt zu verschwimmen, der „Hype“ lässt nach, selbst die Frage, ob man das Bild zeigen darf, ob es die Rechte des Jungen und seiner Familie verletzt, oder ob es notwendig ist, solche Bilder zu zeigen, scheint ausdiskutiert, ohne dass die gegensätzlichen Einstellungen übereinander gebracht worden wären. Vielleicht, nein bestimmt ist es auch gut, dass diese Diskussion beendet ist, damit Ailan nicht weiter instrumentalisiert wird – nicht von denen, die einer vollständigen Öffnung der Grenzen das Wort reden, nicht von denen, die den Medien vorwerfen, genau das mit solch gefühligen Bildern zu tun. Da liegt ein dreijähriger Junge ertrunken am Strand in der Nähe von Bodrum, und man hat nichts Besseres zu tun, als dieses Bild für eigene Zwecke zu nutzen … gut, dass ich in den vergangenen Tagen nichts habe schreiben können.
Der Vorwurf der dabei immer wieder im Raum steht, ist der des Zynismus: Beide Seiten führen diesen Begriff im Mund, und beide haben in gewisser Weise Recht: Ailan und seine Familie hatten offenbar gute Chancen auf Anerkennung als Flüchtlinge in Deutschland, es handelte sich bei ihnen nicht um sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge (auch wenn es schon Veröffentlichungen gibt, die das in Frage stellen wollen – eine Potenzierung der Instrumentalisierung, die ich für in sich bösartig halte, oder mit einem Wort der Bloggerkollegin Heike Sander: „Perfide!„). Selbst „Asylkritiker“ würde sich scheuen, diesen Flüchtlingen den Aufenthalt in Deutschland zu verwehren, selbst dann, wenn sie streng genommen aus einem „sicheren Drittland“ kommen. Man muss denen also nicht ein solches Bild unter die Nase reiben mit dem unausgesprochenen Vorwurf, dass die Zögerlichkeit Deutschlands in der Flüchtlingsfrage zu seinem Tod beigetragen habe.
Umgekehrt eignet sich das Bild auch nicht, um Medien und Flüchtlingsunterstützern, die es zeigen, vorzuwerfen, die Sachfragen emotionalisieren zu wollen. In einem Facebook-Kommentar habe ich dieser Tage gelesen, man müsse das Thema mit kühlem Verstand angehen, nur dann würde man die richtigen Lösungen finden. Ich bin überzeugt: Das wird man nicht! Mit dem Verstand würde man die Toten aus dem Mittelmeer, die Toten, die in Lastwagen erstickt sind, in eine Kalkulation aufnehmen und feststellen müssen, dass es die Situation in Deutschland in gewisser Weise erleichtert, je mehr Menschen auf dem Fluchtweg umkommen: Bilder davon werden vielleicht andere Flüchtlinge abschrecken, nach dem Schock über solche Bilder mag das also sogar dazu beitragen, die Flüchtlingsproblematik zu entschärfen. Das allerings ist Zynismus.
Die eigentliche Boshaftigkeit – um eine Kurzübersetzung des Begriffs aus dem Duden zu wählen – besteht aber doch darin, die Bilder nicht im Kopf zu haben, nicht zu sehen, dass hinter den Zahlen umgekommener Flüchtlinge, egal aus welchen Gründen sie wovor geflohen sind, Menschen stehen. Ich gebe zu, ich bin mir selbst nicht einig, ob man das Bild des am Strand liegenden Jungen wirklich zeigen sollte, ich habe mich daher entschieden, es hier nicht zu verlinken (die meisten werden es, wie gesagt, sowieso kennen). Die Argumente pro oder contra haben mich aber umgekehrt alle nicht überzeugt.
Josef Bordat schreibt in seinem obigen Beitrag:
Wofür ist das Bild ein Zeichen? Dass die Welt schlecht ist? Dass es keinen Gott gibt, jedenfalls keinen, der uns liebt? Wofür mein Gefühl? Dass ich emotional noch nicht ganz abgestumpft bin? Dass Bilder Macht haben? Ich weiß es nicht.
Das sind die Fragen, die uns Christen auf der Seele liegen müssen. Nun habe ich lange überlegt, ob ich ein anderes Bild hier einstelle, und habe mich entschieden, es zu tun. Denn das Bild von Ailan kann in der Tat die Frage aufstehen lassen, ob es Gott gibt, vor allem, wie Gott eigentlich ist. Das hat dann nichts mehr mit der Flüchtlingsthematik zu tun, nichts damit, welche Erfolgsaussichten ein Asylantrag der Familie in Deutschland gehabt hätten. Es hat aber damit zu tun, ob man Zusammenhänge noch herstellen kann, neben der Trauer um den fremden Jungen, der einem als Familienvater doch irgendwie nahe scheint, auch das Glück wertschätzen kann, das einem selbst wiederfährt.

Foto: Felix Honekamp
Ich war in den vergangenen Tagen mit der Familie auf Langeoog, dort hat mich das Bild von Ailan erwischt – fast zeitglich mit dem hier geschossenen Bild. Beide Bilder, der tote Junge am Strand und unser unbeschwerter Sohn mit dem Drachen, sind Teil unserer Realität, beides gehört in gewisser Weise zusammen: Leiden, so sinnlos es uns auch erscheinen mag, Leben in Fülle, wie es Christus für uns vorgesehen hat. Ich kann mir vorstellen, das so mancher das Bild – gerade im Kontrast zum Thema – ebenfalls als zynisch ansehen kann. Gemeint ist aber, deutlich zu machen, dass wir als Menschen in einer gebrochenen Welt mit dem Leiden leben lernen müssen. Gemeint ist, dass es neben der Trauer, die Josef Bordat beschreibt, auch Freude existiert, für die wir Gott danken können. Das Bild soll exakt dazu dienen, die Zerissenheit unserer Welt deutlich zu machen. Kein Zynismus sondern Realismus – und nicht zuletzt Gottvertrauen.
Als Christen, so glaube ich, müssen wir um Ailan trauern wie um jeden Menschen, der auf der Flucht vor Unmenschlichkeit ums Leben kommt. Das uns der Tod eines Kindes mehr erschüttert als der eines Erwachsenen, ist nur natürlich und zeigt, dass wir eben in der Tat noch nicht abgestumpft sind. Aber in der Trauer stehen zu bleiben, das ist kein christliches Bild der Welt, würde bedeuten, die Geschenke, die Gott uns macht, abzulehnen – und das mit den Unmenschlichkeiten vor Augen, die wir einander antun. In der Trauer stehen zu bleiben, das ist nichts für einen Christen, und darum ist diese Bild hier notwendig.
Und – nennen Sie mich ruhig sentimental: In meinem Bild vom Himmel spielt Ailan auch gerade im Herbstwind mit einem Drachen am Strand.
akinom
„In meinem Bild vom Himmel spielt Ailan auch gerade im Herbstwind mit einem Drachen am Strand.“
In meinem auch, Herr Honekamp! Wie könnte es auch anders sein bei diesem Kind, das buchstäblich zum „Zeichen geworden ist, dem widersprochen wird“?
Und Ihr kleiner Sohn, der große Drachenkünstler? Möge er zum Botschafter für die Kinder der Welt werden für ein Zuhause voller Licht und Freude und für das Entdecken von zweckfrei-schönem Spiel! Wie könnte er das aber, wenn er dies nicht in FÜLLE in der eigenen wunderbaren Familie erlebt hätte? Nie wird er dabei die Augen davor verschließen können. dass wir „in einer gebrochenen Welt mit dem Leiden leben lernen müssen“. Deo gratias!
Magdalena Gewies
Es ist zur Zeit nicht einfach, nicht zu weinen!
Anonym
Die allererste Pflicht eines Christen, Herr Honekamp, ist neben dem Bekenntnis zur Dreifaltigkeit die Liebe zur Wahrheit. Ich selbst kujoniere mich dabei schon, weil ich als Beamter mich als ‚anonym‘ bezeichnen muß, da ich aus gemachter Erfahrung besser meine Identität verberge.
Daß die Erforschung der Wahrheit einem hier im Lande der Journalunken Goebbelsschen Schlages schwer gemacht wird, versteht sich von selbst, es ist aber bei einem derart bewegenden Ereignis unabdingbar, sich kundig zu machen und man wird auch fündig, bevorzugt in der ausländischen Presse, ich verlinke mal auf das Wall Street Journal, das eine gute Zusammenfassung liefert, die N.Y.Times deswegen zu abonnieren, erschien mir nicht opportun, es steht dort sinngemäß dasselbe, wie auch das Interview mit der Schwester des Herrn Kurdi auf diversen US-TV-Kanälen zu bewundern ist.
Es läßt sich für den Bemühten leicht erkennen: Der traumatisierte Vater Kurdi lebte mit seiner Familie in einem sicheren Land und hatte sogar Arbeit. Daß schlichte Tätigkeiten in der Türkei nicht besonders gut entlohnt werden, versteht sich von selbst, sonst wären nicht Millionen Türken hier. Er beschließt also, an die Fleischtöpfe Alemanistans vorzudringen, um dort sein desolates Gebiß für lau einer gründlichen und aufwendigen Sanierung zu unterziehen, zudem gibt es dort gebratene Tauben, die ins offene Maul fliegen und es lacht BARGELD und Logis frei. Er macht sich also auf, bezahlt dem Schlepper ordentlich Geld und das Spatzenhirn meint tatsächlich, mit einer Nußschale heil übers Meer ins gelobte Land zu kommen- der Ausgang der Geschichte ist bekannt.
Damit nicht genug (jeder Deutsche wäre für derart niedere Beweggründe ans mediale Kreuz genagelt worden)- der Herr Kurdi macht sich nun unter dem Klagegeschrei multipler Medienhuren auf, seine durch seinen sträflichen Leichtsinn (oder war es vielmehr nackte Gier?) umgekommenen Lieben in seiner Heimatstadt Kobane zu bestatten, was denn auch geschah. In Kobane? Von wo er „fliehen“ mußte? Geht’s noch?? Schaltet hier überhaupt keiner mehr das Hirn ein?? Oder soll nunmehr das Attribut „arm“ ausreichend sein zur grenzenlosen Invasion in unsere Sozialsysteme?
http://www.wsj.com/articles/image-of-syrian-boy-washed-up-on-beach-hits-hard-1441282847
Schnitt.
Ich habe eine Tochter, die behindert ist. Mit unsäglichen Mühen und enormem finanziellen Aufwand elterlicherseits ist es gelungen, daß sie die erweiterte mittl. Reife mit guten Noten und eine Berufsausbildung mit ebensolchen abgeschlossen hat. Sie hat hunderte Bewerbungen (bevorzugt bei Behörden) geschrieben ohne jeglichen Erfolg. Sie ist ob dieser Niederlage so verzweifelt, daß sie inzwischen psychologische Hilfe benötigt- ich sehe wie sie rabenschwarz für ihre Zukunft, alldieweil auf all die Kurdis sich das Mitleid der versammelten Christenheit ergießt, der zäpfchenförmige Herrscher von Daimler diesen „Fachkräften“ Arbeitsplätze im Bigpack verheißt und auf den Arbeitsämtern fieberhafte Vorbereitungen laufen, möglichst rasch möglichst viele von ihnen in den Arbeitsmarkt zu pressen- welchen Stellenwert dabei Menschen wie meine Tochter noch haben, brauche ich nicht zu erläutern, sie ist nämlich nur eine Christin und zu allem Unglück auch noch weiß. Ich fürchte den Tag meines Todes, ab dem ich sie nicht mehr unterstützen kann- offensichtlich ein Luxusproblem, das ich habe.
Herr Honekamp, ich weiß nicht, ob Ihnen Ihre Bigotterie noch auffällt. Und ob Sie sowas
http://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/kritik-an-papst-franziskus-ungarischer-bischof-spricht-von-invasion-muslimischer-fluechtlinge-13790835.html
überhaupt zur Kenntnis nehmen, geschweige denn, Sie sich mit den Schwertversen des Koran auch nur ansatzweise beschäftigt haben.
„Papsttreu“ zu sein heißt heute anscheinend, den Untergang der eigenen Kultur lapidar hinzunehmen mitsamt der Versklavung der Bürger.
Weshalb mir Mme. Diem aus dem Vietnam-Alptraum der 60er in den Sinn kommt, wenn wieder mal Kirchen wie schon so oft in Flammen aufgehen:
„ICH WERDE KLATSCHEN, WENN IHR BRENNT“.