Wie steht es um das Christentum, den christlichen Glauben in Deutschland? Betrachtet man Einzelfälle kann man skeptisch werden.
Alles hängt irgendwie mit allem zusammen – eine Binsenweisheit, auch wenn man nicht der Esoterik anhängt. Dazu hier drei Beispiele, zwei aus persönlichem Erleben, ein eher politisches.
Ein Tag in Regensburg
Bei der Fahrt zu einer Veranstaltung hatte ich am vergangenen Freitag fast einen kompletten Tag in Regensburg herumzubringen. Und wenn man einmal durch die wirklich schöne Altstadt gelaufen ist, auch zwei mal oder drei mal, und nicht in Versuchung geführt werden möchte, irgendwo unnützes Zeug einzukaufen, was macht man dann als guter Katholik? Man besucht den wirklich schönen Regensburger Dom. Wie so viele Kirchen verkommt auch dieses gotische Bauwerk – wie ich lernen durfte die einzige Kathedrale Bayerns, deren Eigentümer nicht das Bistum ist, sondern der Freistaat Bayern – zu einem Museum. Touristenführer allenthalben, man fühlt sich versetzt in den Kölner Dom, allerdings ohne die Domschweizer, denn für Ordnung wird hier nur – vorsichtig gesagt – sehr unauffällig gesorgt.
Für das ernsthafte Gebet gibt es auch hier eine Sakramentskapelle, die Sailerkapelle, die allerdings erstens nur durch ein Gitter vom Rest der Kirche abgetrennt ist und zweitens auch mit Sehenswürdigkeiten aufwartet, die das Interesse der Touristen und Touristenführer weckt. Wer also meint, dort einige Minuten oder auch mehr Ruhe für ein Gebet, eine Betrachtung oder einen Rosenkranz zu finden, der sieht sich getäuscht. Trotz des mehrsprachigen Schildes, dass man den Raum bitte als für Beter reserviert respektieren möge, wieseln auch deutschsprachige Touristen vor dem Altar umher, ohne jedes Gefühl für die Würde eines solchen Ortes. Touristenführer bleiben mit ihren Gruppen immerin draußen, lasses es sich aber nicht nehmen, die Details der Kapelle mit einer starken Taschenlampe anzustrahlen, damit die Gäste auch wirklich sehen worüber er – in nicht eben gemäßigtem Tonfall – spricht.
Man mag sich freuen, über das Interesse an sakraler Kunst, an katholischen Bauwerken, an der Kirche im Allgemeinen. Aber ich bin da wenig optimistisch, wenn es schon an den Grundlagen dessen fehlt, wie man sich in einer Kirche und in einem für Beter vorgesehenen Raum verhält.
Eine katholische Einrichtung
Meine Frau war für ein paar Wochen mit den Kindern auf Langeoog – gut für die angegriffene Lunge, gut auch als kleine Auszeit für die Kinder, wunderbares Ambiente an der Nordsee, autofrei und leicht zu erschließen. Und wenn man die Wahl hat bei einer solchen Kur, dann geht man natürlich in eine katholische Klinik für Mutter-Kind-Kuren. Auf Langeoog wird diese Klinik in Strandnähe betrieben von der Caritas – also eigentlich ein katholisches Haus.
Wie meine Frau erfahren hat, kann man sich als Betreiber aber weder auf katholisches Personal – unter solchen Umständen wäre die Einrichtung nicht zu betreiben, noch auf katholische oder christliche Patientinnen beschränken . Was betriebswirtschaftlich sinnvoll erscheint, treibt dann aber natürlich Blüten: Ich habe nicht das ganze Haus gesehen, nur die Zimmer meiner Frau, den Empfang, ein paar wenige andere Räume und Gänge. Und was habe ich dort überall nicht gesehen? Ein einfaches Kreuz. Dass man in einer solchen Einrichtung, in der auch Atheisten und Muslime behandelt werden, nicht ein lebensgroßes Kreuz mit dem Corpus des leidenden Christus in die Empfangshalle hängt – kann man verstehen. Aber kein Kreuz, nicht mal ein kleines?
Natürlich gibt es dort neben physischen Trainingseinheiten und Schulungen zum Umgang mit Kindern auch psychologische Angebote; nicht wenige Mütter treiben nicht nur Lungen- oder andere körperliche Probleme zur Kur sondern auch Burn-out-Syndrome und andere Erschöpfungszustände. Da wäre es doch nicht zu weit hergeholt, auch ein Angebot hinsichtlich desjenigen zu machen, der unsere Last von den Schultern nimmt. Es muss ja kein zwingendes Angebot sein, aber ein freiwilliges geistliches Gespräch, zumindest als Angebot? Wenn ein katholisches Haus fernöstliche Bewegungstherapien empfiehlt, warum dann nicht auch den Gang in die Kirche?
Vielleicht erwarte ich von einer katholischen Einrichtung dieser Art auch zu viel, vielleicht hat man das mit dem geistlichen Angebot auch schon mal probiert und mangels Nachfrage wieder eingestellt. Aber nicht mal ein Kreuz im Haus?
Der gesetzlich vorgeschriebene Handschlag
Es ging durch die Zeitungen: Die rheinland-pfälzische CDU-Partei- und Fraktionschefin Julia Klöckner hat ein Flüchtlingsheim besucht und wollte dabei auch einen örtlichen Imam treffen, der sich um die muslimischen Flüchtlinge kümmert. Der nun allerdings wies wohl im Vorfeld darauf hin, dass er Frau Klöckner als Frau aus religiösen Gründen nicht die Hand schütteln würde. Darauf hin verzichtete sie auf ein Treffen mit dem Geistlichen. Nun kann man darüber diskutieren, inwieweit eine solche religiöse Praxis eine Diskrimierung von Frauen darstellt oder eher im Rahmen der Religionsfreiheit zu tolerieren wäre. Man fragt sich, ob ein muslimischer Geistlicher, der ein derartiges Zeugnis gibt, sonderlich zuträglich ist für die Integrationsfähigkeit und den Integrationswillen der von ihm betreuten Flüchtlinge.
Und man fragt sich, wie man als Christ mit einem solchen Verhalten umgeht? Wäre Aufklärung wichtig? Wäre ein persönliches Gespräch, vielleicht möglichst ohne Kameras, die einen Skandal einfangen wollen, sinnvoll? Sicher ist es richtig, auf die in Deutschland herrschende Kultur der Gleichberechtigung – nicht Gleichheit – aller Menschen, egal welchen Geschlechts oder welcher Religion oder welcher sexueller Orientierung hinzuweisen. In Deutschland sind Männer und Frauen gleichberechtigt, wer sich dagegen wendet, hat unsere christliche fundierte Verfassung gegen sich. Gleichzeitig gibt es Religionsfreiheit, die dagegen mitunter in Spannung stehen kann. Und wenn bei den derzeit in Deutschland an die Tür klopfenden Flüchtlingen ein nicht unerheblicher Teil muslimischen Glaubens sind, dann stellt sich diese Frage umso mehr: Wie wird sich unsere Kultur unter den neuen Voraussetzungen verändern? Die Frage ist nicht, wie sie jüngst ein deutscher Bischof stellte, ob wir uns verändern müssen – wir werden uns als Gesellschaft verändern, es fragt sich, in welche Richtung diese Veränderung geht und wie wir als Einzelne und gemeinschaftlich darauf Einfluss nehmen können.
Ein selbstbewusstes Christentum, so behaupte ich, kann auf solche Herausforderungen reagieren. Christen haben in ihrer zweitausendjährigen Geschichte schon andere Herausforderungen bestanden – in der Neuzeit vor allem aus dem Glauben heraus und mit geringer werdender Regierungsunterstützung. Ich halte nicht viel vom Vorschlag von Frau Käßmann, man solle statt sich Sorgen um die Islamisierung zu machen, lieber in die Kirche gehen, aber ein Fünkchen Wahrheit steckt darin: Ein selbstbewusstes Christentum, ein selbstbewusster Christ, lässt sich durch solche Gepflogenheiten wie die des Imams nicht aus der Bahn werfen. Wie Frau Klöckner dabei nach neuen Gesetzen zu rufen, nach einem „Gesetz zur Integrationspflicht“, festgemacht an einem verweigerten Handschlag, ist aber bei allem Verständnis für eine notwendige kulturelle Basis der Integration wohl kaum der klassische christliche Weg!
Das Christentum in Deutschland
Eine überwiegend entchristlichte Gesellschaft, der in großen Teilen bereits Grundlagen der Spiritualität fehlen, von Glaubenswissen wollen wir gar nicht erst sprechen – Ein Selbstverständnis selbst katholischer Institutionen, die sich Mission, zumindest das Zeugnis christlichen Glaubens nicht mal mehr in der Symbolik zutraut – Christliche Politiker, die sich bei der Frage der christlichen Kultur auf Forderungen nach neuen Gesetzen zurück ziehen … mir scheint, da gibt es Zusammenhänge!
Konrad Kugler
Zum Thema katholische Einrichtungen hat Kardinal Woelki in Fulda präzises gesagt: „Fehlt nur noch das Argument, daß die Kirchen der zweitgrößte Arbeitgeber sind und über einer Million Menschen einen sichern Arbeitsplatz bieten.
Dann ist die Kirche endgültig auf dem Legimitationsniveau der örtlichen Müllverbrennung angelangt.“