„Nur eines ist schlimmer als Meinungsfreiheit: Keine Meinungsfreiheit!“
Man wird doch noch sagen dürfen … Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut … Das kann man aber so nicht sagen … Das ist Populismus … Das sind wohl die Spannungsfelder innerhalb derer sich das Thema Meinungsfreiheit in der Diskussion bewegt. Meinungsfreiheit einerseits als Grundlage unserer Diskurskultur und die Sorge andererseits, dass mit „zu viel“ Meinung auch unerwünschte Effekte eintreten. Da stellt mancher die Frage nach dem rechten Maß der Meinungsfreiheit … und nicht wenige sehen ausgerechnet den Staat oder Gerichte als notwendige Schiedrichter.
Dem widerspricht Mick Hume im Interview mit dem Magazin „Novo Argumente“, in dem er dafür plädiert, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, und sich vor allem nicht selbst als Opfer darzustellen, wenn eine Meinung geäußert wird, die sich gegen einen selbst oder eine eigene Position richtet. Sein Ansatz geht deutlich in die Richtung, dass erst mal jeder seine Meinung sagen dürfen solle, bevor man sich Gedanken darüber macht, ob dies irgendwelchen Einschränkungen unterliegen sollte: Meinungsfreiheit wieder von der Freiheit und nicht von den Grenzen her gedacht:
Wir bekennen uns gerne verbal zur Meinungsfreiheit, fügen jedoch gleich ein großes Aber hinzu: Aber man muss dabei anständig bleiben, aber man darf andere nicht kränken, aber Holocaustleugner müssen ihren Mund halten. In Wirklichkeit verwenden wir mehr Energie auf die Einschränkung als die auf Erweiterung dieser Freiheit. Insbesondere bei unserer politischen und kulturellen Elite besteht eine große Kluft zwischen Worten und Taten.
Eine nicht aufgeweichte Meinungsfreiheit hat natürlich Konsequenzen für die Debattenkultur, in dem man eben auch mit Argumenten und Meinungsäußerungen klar kommen muss, die man nicht teilt, die man als – vermeintlich – objektiv falsch einschätzt oder die man sogar als beleidigend empfindet. Hume sieht hier aber keine Alternative, will man die Meinungsfreiheit nicht sukzessive aushölen:
Wir müssen lernen, mit Meinungsverschiedenheiten umzugehen. Das ist nicht immer einfach. Wo Meinungsfreiheit besteht, muss man sich eine Menge anhören, das man lieber gar nicht hören will. Aber entweder gilt diese Freiheit universell – oder gar nicht. Die Freiheit des Wortes gebührt einem jeden, also auch dummen Menschen, die dummes Zeug von sich geben. Wissen Sie, manchmal denke ich, dass überhaupt nur eines schlimmer ist als Meinungsfreiheit: keine Meinungsfreiheit.
Interessant finde ich in dem Interview auch die Einschätzung, wie es zu der aktuell beobachteten Situation der zurückgehenden faktisch, nicht so sehr rechtlich, eingeschränkten Meinungsfreiheit gekommen ist:
Der Blick auf die Geschichte legt nahe, dass unsere Haltung zur Meinungsfreiheit durch unser Menschenbild geprägt wird. Soll heißen: Der Kampf um Meinungsfreiheit erreicht seinen Höhepunkt in Zeiten, wo wir an uns selbst glauben und an unser Vermögen, die Welt zu verändern. Wenn wir aber diese Mischung aus Hoffnung, Optimismus und Selbstvertrauen verlieren, geht auch die Meinungsfreiheit verloren.
Das tritt derzeit sehr klar hervor. Die Menschheit gilt als Seuche, die die Erde zerstört. Wir vertrauen unseren Mitmenschen immer weniger: Vielleicht ist mein Nachbar pädophil oder ein Schulkamerad meiner Kinder ein radikalisierter Moslem. Da denken wir: Wenn jeder einfach sagen darf, was er will, löst das Spannungen und Konflikte aus. Das führt zu Hass, vielleicht sogar zu Krieg. Dieses negative Menschenbild gründet auf der Annahme, dass wir Menschen nur noch einfältiger Pöbel sind und immer auf Krawall aus. Die mangelnde Wertschätzung für die Freiheit des Wortes, mit der wir heute zu tun haben, gibt meines Erachtens unser mangelndes Vertrauen in die Menschheit wieder.
Ich bin zwar nicht sicher, ob das der einzige Grund ist, aber mir scheint der Gedankengang schlüssig, dass die Einschränkungen der Meinungsfreiheit sich auch aus diesem veränderten Menschenbild ergeben haben könnte: Lieber schweigen oder zu sprechen verbieten, als mögliche Konsequenzen und Konflikte, die im Zweifel sogar gewaltsam ausgetragen werden könnten, zu riskieren.
Gibt es einen Ausweg? Hume zeigt einen einfachen, den man mit den kurzen Worten „es einfach anders machen“ beschreiben könnte:
Zentral scheint mir die Erkenntnis, dass wir bei allen guten Absichten dabei sind, den Kampf um die Meinungsfreiheit zu verlieren. Wohl noch schlimmer ist, dass wir den Kampf gar nicht erst führen. Wir riskieren die Kapitulation ohne einen Hauch von Gegenwehr. Wir müssen lernen, dass wir keine Angst haben müssen, etwas zu sagen, was vielleicht Anstoß erregt, und dass wir uns nicht gleich entschuldigen müssen, wenn sich jemand beschwert. Wir müssen lernen, Debatten nicht aus dem Weg zu gehen, und nicht nur Gleichgesinnten nachplappern. Wir müssen lernen, uns nicht auf die Zunge zu beißen, sondern einfach äußern, was unser Herz uns sagt und unseren Grundsätzen treu bleiben.
Ich stimme nicht immer mit allem, was bei Novo Argumente veröffentlicht wird, überein. Hier glaube ich aber handelt es sich um ein wirkliches Juwel in Richtung Meinungsfreiheit, bei der sich jeder selbst prüfen sollte, inwiefern er für dieses Recht eintritt oder nur für sein eigenes Recht, die Meinung zu sagen. Mit anderen Worten: Zum hinter die Ohren schreiben!
akinom
„Die Gedanken sind frei. Wer kann sie erraten? Sie fliehen vorbei, wie nächtliche Schatten. Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschießen. Es bleibet dabei: Die Gedanken sind frei!“
Ist auch das vielleicht schon längst Vergangenheit? Darf das, was „unsäglich“ ist, überhaupt noch gedacht werden? … „Gott ist tot und wir haben ihn getötet“, sagt Friedrich Nietzsche. Nein! Es ist nicht Gott, den wir getötet haben, sondern die Meinungs- und Gedankenfreiheit … und auch den Frieden!