Familiensynode: Ist die deutsche Katze aus dem Sack?

Lesezeit 6 Minuten

Der Bericht der deutschsprachigen Gruppe der Familiensynode über die Beratungen zum 3. Teil des Instrumentum laboris liegt vor. Das Fazit ist durchwachsen.

Die Erwartungen an die deutschsprachige Arbeitsgruppe der Familiensynode waren hoch … oder niedrig, wie man’s nimmt. Jedenfalls warteten viele gerade aus dem deutschsprachigen Raum gespannt auf die Ergebnisse der Diskussionen dieser Gruppe zu Familienthemen. Die meisten schauen dabei – angesichts auch der medialen Begleitung nicht ungewöhnlich – auf das Thema der wiederverheirateten Geschiedenen, was den Rest des Dokuments ein wenig in den Hintergrund treten lässt. Zu Unrecht, wie ich finde.

Denn auch zu diversen anderen Themen hat die Gruppe zu einstimmigen Ergebnissen gefunden, die sich zu lesen lohnen. Zu Beginn beispielsweise – nach einführenden Worten und der Distanzierung von einigen kritischen Äußerungen im Vorfeld zum Verfahren der Synode – wird ein Bekenntnis abgegeben, das offenbar auch den Rest der Diskussionen und der Dokumentation beeinflusst hat (Zitate von der Webseite der Deutschen Bischofskonferenz):

Im falsch verstandenen Bemühen, die kirchliche Lehre hochzuhalten, kam es in der Pastoral immer wieder zu harten und unbarmherzigen Haltungen, die Leid über Menschen gebracht haben, insbesondere über ledige Mütter und außerehelich geborene Kinder, über Menschen in vorehelichen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften, über homosexuell orientierte Menschen und über Geschiedene und Wiederverheiratete. Als Bischöfe unserer Kirche bitten wir diese Menschen um Verzeihung.

Wenn ich ehrlich bin, rutsche ich bei solchen Worten unruhig hin und her. Natürlich sollte die kirchliche Lehre und die Pastoral kein Leid über Menschen bringen. Wenn man sich also unbarmherzig gegenüber den genannten Gruppen verhalten hat, ihnen bildlich gesprochen die „Kirchentür vor der Nase zugeschlagen“ hat, dann ist eine Bitte um Verzeihung angemessen. Kirchenlehre war so eine Handlung allerdings nie, was andererseits nicht ausschließt, dass es faktisch doch so gekommen ist. Die Trennung von Sünde und Sünder ist eben ein Spagat, den man nur sehr schwer durchhält, und so bin ich sicher, dass es hier in der Pastoral zu Fehlentwicklungen gekommen ist. Das ändert aber – und diesen Aspekt lässt man hier aus – nichts an der Lehre an sich, die die Menschen vor Leid durch Sünde zu bewahren versucht und versuchen muss.

Es folgen diverse andere Klarstellungen, die sowohl den Wert der Familie für die Gesellschaft wie auch die Bedeutung der Sexualität und Geschlechtlichkeit für den Menschen deutlich machen. Als wichtiges Fazit zieht man in dieser Hinsicht unter anderem:

Nach christlichem Verständnis einer Einheit von Leib und Seele lassen sich biologische Geschlechtlichkeit („sex“) und sozio-kulturelle Geschlechtsrolle („gender“) zwar analytisch voneinander unterscheiden, aber nicht grundsätzlich oder willkürlich voneinander trennen. Alle Theorien, die das Geschlecht des Menschen als nachträgliches Konstrukt ansehen und seine willkürliche Auswechselbarkeit gesellschaftlich durchsetzen wollen, sind als Ideologien abzulehnen. Die Einheit von Leib und Seele schließt ein, dass das konkrete soziale Selbstverständnis und die soziale Rolle von Mann und Frau in den Kulturen verschieden ausgeprägt und einem Wandel unterworfen sind. Daher ist das Bewusstwerden der vollen personalen Würde und der öffentlichen Verantwortung der Frauen ein positives Zeichen der Zeit, welches die Kirche wertschätzt und fördert (Papst Johannes XXIII. Pacem in terris 22).

Diese Klarstellung und Differenzierung ist in der Tat wesentlich, um deutlich zu machen, dass, wenn man das Gender Mainstreaming verurteilt, man nicht die Gleichberechtigung der Frau in Frage stellt. Spannend können solche Aussagen durchaus noch mal in der Ökumene werden, wenn man sieht, in welcher Weise sich die evangelischen Landeskirchen zum Thema Gender positionieren. Immerhin, die Klarstellung (wohlgemerkt der deutschen Sprachgruppe der Synode, noch nicht im Synodenabschlussdokument) steht, und an ihr werden die Verfasser so schnell nicht mehr vorbei kommen.

Richtig und gut erscheinen mir auch die Erläuterungen zur Notwendigkeit eines Ehekatechumenats. Da vielen die Bedeutung der Ehe heute nicht mehr klar ist, selbst getaufte Katholiken der Wert des und auch die Verpflichtung aus dem Sakrament nicht kennen, muss auf diese Realität reagiert werden. Dass, was viele Katholiken seit langem als notwendig erachten, schlagen daher auch die deutschsprachigen Bischöfe vor:

Im Hinblick auf die Ehevorbereitung war es der Arbeitsgruppe ein Anliegen, darauf hinzuweisen, dass ein kurzes Gespräch oder eine knappe Einführung hier nicht ausreichen. Da viele Brautleute nicht auf eine vom Glauben geprägte Erziehung aufbauen können, wird die Einführung eines Ehekatechumenats dringend empfohlen, das wenigstens einige Monate dauert, um wirklich zu einem reifen, vom Glauben getragenen Ja-Wort zu kommen, das auch um die Endgültigkeit des Ehebundes weiß und auf die Treue Gottes vertraut.

Gerade ein solcher Vorschlag würde zu einer stark veränderten Ehepastoral führen, und man kann sich nur wünschen, dass er Eingang in das Abschlussdokument und Niederschlag in der Praxis der Ehevorbereitung findet.

Am Ende des Dokuments, wie um es spannend zu machen, erläutern die Bischöfe dann die Ergebnisse zur Frage der wiederverheirateten Geschiedenen. Ich gebe den Text hier bewusst in Gänze wieder:

Die Diskussionen zeigen deutlich, dass es einiger Klärungen und Vertiefungen bedarf, um die Komplexität dieser Fragen im Licht des Evangeliums, der Lehre der Kirche und mit der Gabe der Unterscheidung weiter zu vertiefen. Einige Kriterien können wir freilich nennen, die zur Unterscheidung helfen. Das erste Kriterium gibt der hl. Papst Johannes Paul II. in FC 84, wenn er dazu einlädt: „Die Hirten mögen beherzigen, dass sie um der Liebe willen zur Wahrheit verpflichtet sind, die verschiedenen Situationen gut zu unterscheiden. Es ist ein Unterschied, ob jemand trotz aufrichtigen Bemühens, die frühere Ehe zu retten, völlig zu Unrecht verlassen wurde oder ob jemand eine kirchlich gültige Ehe durch eigene schwere Schuld zerstört hat. Wieder andere sind eine neue Verbindung eingegangen im Hinblick auf die Erziehung der Kinder und haben manchmal die subjektive Gewissensüberzeugung, dass die frühere, unheilbar zerstörte Ehe niemals gültig war.“ Es ist deshalb Aufgabe der Hirten, zusammen mit dem Betroffenen diesen Weg der Unterscheidung zu gehen. Dabei wird es hilfreich sein, gemeinsam in ehrlicher Prüfung des Gewissens Schritte der Besinnung und der Buße zu gehen. So sollten sich die wiederverheirateten Geschiedenen fragen, wie sie mit ihren Kindern umgegangen sind, als die eheliche Gemeinschaft in die Krise geriet? Gab es Versuche der Versöhnung? Wie ist die Situation des verlassenen Partners? Wie ist die Auswirkung der neuen Partnerschaft auf die weitere Familie und die Gemeinschaft der Gläubigen? Wie ist die Vorbildwirkung auf die Jüngeren, die sich für die Ehe entscheiden sollen? Eine ehrliche Besinnung kann das Vertrauen in die Barmherzigkeit Gottes stärken, die niemandem verweigert wird, der sein Versagen und seine Not vor Gott bringt.

Ein solcher Weg der Besinnung und der Buße kann im forum internum, im Blick auf die objektive Situation im Gespräch mit dem Beichtvater, zur persönlichen Gewissensbildung und zur Klärung beitragen, wie weit ein Zugang zu den Sakramenten möglich ist. Jeder muss sich selber prüfen gemäß dem Wort des Apostels Paulus, das für alle gilt, die sich dem Tisch des Herrn nähern: „Jeder soll sich selbst prüfen; erst dann soll er von dem Brot essen und aus dem Kelch trinken. Denn wer davon ißt und trinkt, ohne zu bedenken, daß es der Leib des Herrn ist, der zieht sich das Gericht zu, indem er ißt und trinkt. (…) Gingen wir mit uns selbst ins Gericht, dann würden wir nicht gerichtet.“ (1 Kor 11, 28–31)

Um es mal vorsichtig auszudrücken: Das liest sich nett und ist doch Sprengstoff für die vorher noch hoch gehaltene Bedeutung des Ehesakraments. Folgt man der Logik des Textes wird es in Zukunft keine oder kaum noch kirchlich getraute Ehepaare mehr geben, bei denen das Sakrament als nicht gültig gespendet eingeschätzt werden könnte. Das verhindert natürlich nicht, dass es in solchen Ehen nicht auch Probleme geben kann, die am Ende zu einer Trennung führen. Ob man das beim Glauben an die sakramentalen Gnaden fatalistisch hinnehmen will, kann man in Frage stellen, aber deutlich wurde: Es soll keine ungültigen Eheschließungen mehr geben.

Was dann im folgenden vorgeschlagen wird, ist eine Frage der Gewissensentscheidung. Wenn vom „forum internum“ gesprochen wird, dann meint das das persönliche Gespräch mit dem Beichtvater oder geistlichen Begleiter, mit dem man feststellen möchte, ob eine neue Beziehung mit dem persönlichen Gewissen vereinbar ist. Na, erinnert das jemanden an die Königsteiner Erklärung, mit der die Verwendung künstlicher Verhütungsmittel in die Gewissensentscheidung der Frauen gestellt werden sollte? Eine solche Vorstellung individueller Moral hatte man hinter sich geglaubt, hier steht sie wieder auf.

Natürlich ist die Frage der „Schuld“ am Scheitern einer Ehe nicht leicht zu beantworten. So mag eine Gewissenserforschung durchaus dazu führen, dass man zu dem Ergebnis kommt, dass der betreffende Ehepartner keine Schuld am Scheitern der Ehe trägt. Das ist aber auch gar nicht entscheidend, denn wenn die Reue und der Vorsatz zur Besserung vorliegt, dann ist es auch bislang schon möglich, für diese Schuld in der Beichte Vergebung zu erfahren. Wenn also ein Mann seine Frau dauerhaft schlecht behandelt haben sollte oder seine Kinder vernachlässigt hat … bei Reue und Vorsatz zur Besserung kann er das vor Gott tragen und im Sakrament der Beichte Lossprechung erfahren. Schuldlosigkeit oder vergebene Schuld in dieser Frage bedeutet jedoch nicht gleichzeitig, dass eine neue Ehe eingegangen werden kann – dazu würde gehören, dass die vorherige Ehe irgendwann aufgehört haben müsste, Bestand zu haben. Das widerspricht allerdings unserer Auffassung von Ehe und wird auch von den Bischöfen nicht propagiert. Wie man aber dann auf den Gedanken kommen kann, ein ausgebildetes Gewissen könne eine neue Eheschließung legitimieren … dazu fehlt mir die Fantasie.

Vielleicht kann mir ja jemand die Logik der beiden zitierten Absätze darlegen; ich kann sie jedenfalls nicht nachvollziehen. Darum kann ich am Ende nur mutmaßen, dass man versucht, damit durchzukommen, dass jemand, der schuldlos getrennt ist, eben doch eine neue Ehe (oder aus katholischer Sicht eheähnliche Beziehung) eingehen können soll, die dann nicht als Ehebruch gewertet wird. Das alles mit der Maßgabe, er solle dies – angeleitet durch einen geistlichen Leiter oder Beichtvater – nach eigenem Gewissen entscheiden.

Das man diesen Absatz ausgerechnet mit dem Bibelzitat beendet, das daraf hinweist, dass man sich das „Gericht“ selbst zuzieht, wenn man mit schlechtem oder ungeprüften Gewissen zur Eucharistie geht, ist schon ein starkes Stück. Ich würde es beantworten mit einem anderen Zitat (Matthäus 18,6): „Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals im tiefen Meer versenkt würde.“

Was bleibt als Fazit zu diesem Dokument? Es steht einiges richtige drin, keine Frage. Der Vorschlag des Ehekatechumenats ist wirklich großartig und ich hatte eher befürchtet, dass man sich von deutscher Seite, eingedenk der fatalen Istsituation, zu dem Thema lieber gar nicht äußern würde. Bravo dafür! Die Vorstellungen zu wiederverheirateten Geschiedenen bleiben allerdings stecken in einer faktischen Aushölung des Ehesakramentes, das man vorher noch hoch gehalten hat. Vorschläge zu einer verbesserten Pastoral für Geschiedene, auch solche, die eine neue Bindung eingehen? Fehlanzeige! Ich hoffe einfach, dass die anderen Sprachgruppen weiter gekommen sind und vertraue weiter auf den Papst.

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2 Comments

  1. Bernhard Martin

    Ach wie gerne würde ich das auch. Vertrauen auf den Papst. Aber es fällt mir wirklich schwer. Beten wir…

  2. Konrad Kugler

    Die Schande der DBK ist die Schulbuchkommission der DBK. Hier liegt der Hase im Pfeffer und der Hund begraben. Was Hänschen in der Schule nicht lernt, nimmt er auch in der erweiterten Ehevorbereitung nicht mehr an, weil er schon ideologisch verbildet ist.

    Nicht über Fundamentalismus lamentieren, sondern fundamental lehren.

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