Politik ist ein dreckiges Geschäft – wie wäre es mal wieder mit etwas mehr Glauben und Hoffnung? Ein Aufruf an mich selbst!
Weltuntergang! Mindestens aber Deutschland! Oder wenigstens Köln! Diesen Eindruck konnten Leser dieses oder vergleichbarer Blogs gewinnen, wenn sie diese in den letzten Tagen verfolgt haben. Und in der Tat hatte der Silvesterabend in der Rückschau wohl kaum etwas erfreuliches, jedenfalls nicht aus Nachrichten- und politischer Sicht. Dabei hatte ich schon vor dem Jahreswechsel einen optimistischen Beitrag geplant: Ausgehend von den großen Problemen, die uns auch 2016 weiter begleiten oder absehbar oder auch überraschend heimsuchen werden, ist es christlich, dem ein „Dennoch“ gegenüberzustellen. Regelmäßige Beter des Breviers werden diese Bibelstelle kennen, die mich immer wieder auf den Boden zurück holt (Habakuk 3,17-19):Zwar blüht der Feigenbaum nicht, / an den Reben ist nichts zu ernten, der Ölbaum bringt keinen Ertrag, / die Kornfelder tragen keine Frucht; im Pferch sind keine Schafe, / im Stall steht kein Rind mehr. / Dennoch will ich jubeln über den Herrn / und mich freuen über Gott, meinen Retter. / Gott, der Herr, ist meine Kraft. / Er macht meine Füße schnell wie die Füße der Hirsche / und lässt mich schreiten auf den Höhen.
Nun muss man das hier gezeichnete Bild sicher in unsere Realität übersetzen. In Deutschland hungert niemand, im Gegenteil werden Lebensmittel tonnenweise „entsorgt“. An Konsum hat es keinen Mangel, auch wenn es nicht wenig gibt, die dem durchschnittlichen Wohlstand ohne Aussicht auf Erfolg hinterherrennen. Auch die leiden, aber im Vergleich zu dem, der tagtäglich vor einer leeren Speisekammer steht, ist das doch eine andere Kategorie. Übertragen muss man die Sicht des Propheten wohl auf die Situation der Kirche und die der Gesellschaft. Gerade als konservativer Katholik bekommt man mitunter den Eindruck auf verlorenem Posten zu stehen. Da wird man schnell als „rechtskatholisch“ verunglimpft, weil man entweder das Bewährte nicht ohne Not dem Neuen nur wegen dessen Neuigkeit opfern will, oder weil man sich Gedanken über die langfristige Entwicklung unserer Kirche und der bislang noch christlich geprägten Gesellschaft macht, die dem Jubel-Mainstream nicht so recht in den Kram passen will. Als Gläubiger ernst genommen zu werden, da gehört schon was dazu, aus Glaubenssicht seinen Lebensstil zu verteidigen gilt eher als verschroben, höchstens noch interessant.
Man könnte es sich ja leicht machen: Folgen wir doch einfach der kurzfristig so netten Refugees-Welcome-Mentalität. Die Menschen sind in Not, ob durch Verfolgung oder Hunger oder wirtschaftliche Schwierigkeiten, also helfen wir ihnen, indem wir die Türen weit auf machen, erstmal jeden aufnehmen, der zu uns kommen möchte. Wer will da schon schnöde auf den Buchstaben des Gesetzes oder der Verfassung pochen. Deutschland ist wirtschaftlich stark und hat eine lange Kultur der Toleranz: Wir haben schon so viel geschafft, das schaffen wir auch noch. Und tun wir doch einfach so, als sei Papst Franziskus der Revoluzzer, als den viele ihn sehen wollen (oder befürchten, dass er es sei), der die Kirche und die kirchliche Lehre auf – in mehrfacher Hinsicht – links ziehen will, und arbeiten wir daran, diese angebliche Agenda in Deutschland mit umzusetzen. Tun wir einfach mal so, als sei Barmherzigkeit lediglich eine Sache der kurzfristigen Spendenbereitschaft, als müssten wir nur alle mal den Gürtel enger schnallen und schon wären die Armuts- und Kriegsprobleme der Welt gelöst: „Wenn jeder gibt was er hat, dann werden alle satt!“ Tun wir einfach mal so, als wüssten wir nicht, wie Wirtschaft funktioniert, wie Niedergang zustande kommen kann, wie Konflikte entstehen, tun wir so, als wüssten wir nicht, dass einfache Lösungen in aller Regel keine sind. Das Leben wäre ja so viel einfacher, wenn man viele Dinge einfach nicht wüsste!
Man könnte es sich leicht machen, ich könnte es mir leichter machen, aber dann könnte ich morgens nicht mehr in den Spiegel sehen. Da liege ich lieber auch mal falsch, als das ich mich pauschal den Mehrheitsmeinungen anschließe. Nein, das macht mich nicht zum Opfer, das ist meine ganz persönliche Entscheidung; schließlich könnte ich mich auch einfach raus halten, statt hier zu tippen und zu hoffen, dass gelesen und verstanden wird, was ich so schreibe und wie ich das meine. Das wäre einfacher, ich könnte in mich hineingranteln und mehrfach täglich die Hand vor die Stirn schlagen, ansonsten aber den „lieben Gott einen guten Mann sein lassen“.
Das ist mir aber offenbar nicht in die Wiege gelegt, also rege ich mich weiter auf und – der Beitrag vom Mittwoch mag das dokumentieren – ärgere mich mitunter darüber, dass das, was mir vernünftig erscheint, sich offenbar nicht durchsetzt. Und ich sorge mich darum, oft nicht die richtigen Worte zu finden, nicht verstanden zu werden … auch mal darum, kolossal falsch liegen zu können. Das ist es, was ich mit „verlorener Posten“ meine, von dem aus einen auch der Optimismus verlassen kann. Da allerdings, wo weltlicherseits der Optimismus zur Neige geht, greift die christliche Hoffnung Raum. Noch einmal: Die hier notwendige Hoffnung ist etwas ganz anderes, als was Terroropfer in Syrien, politisch Verfolgte in Nordkorea oder vom islamistischen Mob Gefolterte im Irak oder in Saudi-Arabien darunter verstehen müssen, ich will das nicht mal ins Verhältnis setzen.
Und doch gibt es auch bei uns Bedarf an Hoffnung: Dass die Kirche Bestand haben wird, die Kräfte der Unterwelt sie nicht überwinden werden, dass Jesus Christus bei uns ist, bis ans Ende der Tage, dass er für uns geboren ist, gelebt und gelitten hat, für uns gestorben und auferstanden ist. Ab und zu nutze ich beruflich einen Spruch, um die Dinge, vor allem Misserfolge, ins rechte Verhältnis zu setzen (allerdings auch ohne im Fatalismus zu enden): „Erdgeschichtlich betrachtet ist das alles extrem irrelevant!“ Unser christlicher Horizont geht noch weit über diese Sicht hinaus, der christliche Horizont ist die Ewigkeit, darin werden wieder Dinge relevant, die man auf kurze Distanz leicht übersieht, die wir als Christen unter den Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe kennen. Paulus hat natürlich Recht, wenn er sagt, dass die Liebe das Wichtigste darunter wäre, das macht aber den Glauben und die Hoffnung – vor allem beide in Kombination – nicht unwichtig!
Mit anderen Worten: Mag schon sein, dass der Blick in die unmittelbare Zukunft mehr oder weniger finster aussieht, mag schon sein, dass wir auf Sicht als konservative Katholiken wenig Freude an der „Amtskirche“ in Deutschland haben werden, mag auch sein, dass die Ausschreitungen und Verbrechen am Kölner Hauptbahnhof nur der Anfang einer gesellschaftlichen Umwälzung sind, die wir insbesondere unseren Kindern eigentlich nicht zumuten wollen. Mag also sein, dass der Feigenbaum nicht blüht, an den Reben nichts zu ernten ist, der Ölbaum keinen Ertrag bringt, die Kornfelder keine Fruchttragen; im Pferch keine Schafe sind, im Stall kein Rind mehr steht …
Dennoch will ich jubeln über den Herrn und mich freuen über Gott, meinen Retter. Gott, der Herr, ist meine Kraft. Er macht meine Füße schnell wie die Füße der Hirsche und lässt mich schreiten auf den Höhen.
akinom
„Dennoch… Zwar blüht der Feigenbaum nicht….“
Aber der Dornwald hat Rosen getragen!
Einmal hatte ich nicht DENNOCH aber das ähnliche Wort TROTZDEM als
„schönstes deutsches Wort“ der Jury vorgeschlagen.
Dabei war mir der Gedanke gekommen, dass das WORT, das im Anfang war, ein ewiges TROTZDEM ist. Wenn das stimmt, wird es auch in der Ewigkeit das letzte WORT sein. Das wiederum ermutigt dazu, täglich mit dem Fernglas das TROTZDEM nicht aus dem Auge zu verlieren.
„Schließlich könnte ich mich auch einfach raus halten, statt hier zu tippen und zu hoffen, dass gelesen und verstanden wird, was ich so schreibe und wie ich das meine.“ Das gilt sicher auch für meine Leserbriefe, insbesondere wohl auch für diesen hier.