Bürgerwehren sind vermutlich nicht die Lösung von Sicherheitsproblemen. Sie sind ein Symptom für die fundamentale Schwäche eines Staates.
„Gehst Du noch abends bei den Bahnschienden joggen?“ – „Ich geh da nicht mal mehr tagsüber joggen!“ Das ist ein kurzer Dialog zwischen meiner Frau und einer Freundin, von dem sie mir gestern berichtete. Nun ist das Gebiet, um das es hier geht, nicht gerade ein Ort, wo man sich lange aufhalten wollen würde. Trotzdem erscheint es mir bezeichnend, wenn Menschen – und meine Frau neigt nicht zur Panik – bestimmte öffentliche Räume meiden, weil sie sich dort selbst tagsüber nicht mehr sicher fühlen. Das mag zum Teil auch mit den Vorkommnissen der letzten Tage und Wochen zusammenhängen: Die Gewalttäter der Kölner Silvesternacht haben Eindruck hinterlassen und es macht sich auch durch die mangelhafte Berichterstattung Misstrauen breit, wenn man Gruppen von jungen Männern zusammenstehen sieht – übrigens auch ohne Migrationshintergrund, den man ja auch von weitem nicht immer erkennt.„Es ist nicht die Aufgabe von Bürgerwehren oder anderen selbst ernannten Hobby-Sheriffs, Polizei zu spielen“ – Das ist ein Satz, mit dem Justizminister Heiko Maas zitiert wird und dem ich kaum widersprechen mag. In einer demokratischen Staatsform wie der unseren erhält der Staat – quasi als Delegation des Volkes – das Gewaltmonopol, in Deutschland maßgeblich festgelegt durch Artikel 20 des Grundgesetzes, in dessen Absatz 2 es heißt: “ Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ Von daher ist die Aussage des Ministers richtig, auch wenn man über die Formulierung streiten kann, die das Engagement von Mitbürgern, die sich in Bürgerwehren zusammenschließen, zusätzlich in ein schlechtes Licht rückt.
Nein, es ist nicht die Aufgabe von Bürgern, die Aufgaben der exekutiven Gewalt, hier der Polizei, zu übernehmen. Die Aussagen des Justizministers gehen allerdings noch weiter. Die Saarbrücker Zeitung zitiert:
Die Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung „ist und bleibt Aufgabe des Staates“, betonte der Minister. Das staatliche Gewaltmonopol dürfe niemand in Frage stellen. „Selbstjustiz werden wir nicht akzeptieren“, so Maas weiter.
Positiv kann man daran finden, dass die Sorge darum, ob Bürgerwehren nicht in Fälle von Selbstjustiz eskalieren, durchaus berechtigt ist. Das ist ja gerade ein wesentlicher Grund zur Delegation der Staatsgewalt auf die einzelnen Träger des Gewaltmonopols. Das setzt aber zwei Dinge voraus, die man mit den Stichworten Effektivität und Effizienz beschreiben könnte: Notwendig ist das Vertrauen der Bürger in den Staat, dass dieser – also insbesondere Regierung, Polizei und Gerichte – diese Gewalt effektiv ausübt, für die richtigen Dinge einsetzt. Auch in den Diktaturen dieser Welt gibt es ein Gewaltmonopol des Staates, von dem aber wohl niemand behaupten wird, es dürfe nicht in Frage gestellt werden. Abgesehen von ein paar Versprengten, die Deutschland für eine Diktatur halten, ist das bei uns zwar ein eher theoretisches Problem, dennoch wird schon dadurch deutlich, wes Geistes Kind jemand ist, der meint, das „Gewaltmonopol des Staates dürfe niemand in Frage stellen“. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Das Gewaltmonopol des Staates muss eigentlich laufend in Frage gestellt werden, will man nicht autoritären Tendenzen Vorschub leisten.
Die zweite Voraussetzung ist die der Effizienz: Ist der Staat im Rahmen seines Gewaltmonopols eigentlich wirklich in der Lage die innere und äußere Sicherheit zu schützen und tut er das so, dass diese gewährleistet werden? Und gerade daran haben immer mehr Bürger Zweifel, die dadurch verstärkt werden, dass auch aus Polizeikreisen berichtet wird, dass man dem eigenen Auftrag nicht mehr gerecht werden könne. No-Go-Areas, von Polizisten berichtet, von der Politik geleugnet, sind nicht eben vertrauensbildende Zustände. Das Versagen der Polizeiführung bis hinauf zum Innenminister (mindestens mal in NRW) in der Silvesternacht, waren eine Katastrophe der Staatsgewalt. Steigende Verbrechensraten bei Einbrüchen, Autodiebstähle, die nie aufgeklärt werden, und bei denen die Polizei nur zu mehr persönlichen Sicherheitsmaßnahmen rät, haben vielen Bürgern eines deutlich gemacht: Im Zweifel wird mich der Staat gegen Verbrechen nicht schützen! Und in einer solchen Situation soll man das Gewaltmonopol des Staates nicht in Frage stellen dürfen?
Minister Maas ist ein ziemlich gutes Beispiel für den Politikertypus, die den Menschen auf der Straße nicht mehr verstehen und den diese aus dem gleichen Grund mindestens nicht mehr Ernst nehmen wenn nicht gar – in dieser Funktion – verachten. Er beharrt auf das Gewaltmonopol des Staates in einer Situation, in der dieser gerade sein Versagen dokumentiert hat. Er diskreditiert Bemühungen der Bürger, in Eigenregie die Sicherheit zu steigern als „Hobby-Sheriffs“ und „Polizeispiele“, gerade in einer Situation, in der die staatlichen Gewalten selbst öffentlich so wahrgenommen werden.
Es mag die Sorge berechtigt sein, dass derartige Bürgerwehren von rechten Schlägern und Sheriff-Spielern unterwandert werden (in Interviews habe ich von einem Beteiligten der Düsseldorfer Bürgerwehr allerdings sehr vernünftige Dinge gehört) und der Schritt von solchen Gruppen zur Selbstjustiz nur ein kleiner ist. Bedenken gegen solche Entwicklungen erscheinen durchaus angebracht. Auf das Entstehen von Bürgerwehren aber in der jetzigen Situation mit dem Pochen auf das staatliche Gewaltmonopol zu reagieren, offenbart nicht nur ein mangelndes Gespür für die Sorgen der Bürger. Es macht auch deutlich, wie notwendig die Infragestellung des Gewaltmonpols eigentlich ist, wenn Politiker meinen, die Staatsgewalt ginge – entgegen der Verfassung – von ihnen selbst aus.
Klaus Ebner
Guter Artikel, finde ich.
Der Staat kann auf sein Gewaltmonopol nur dann pochen wenn er es auch ausübt. Wenn sich Frauen in Anwesenheit von mehr als 100 Polizisten begrabschen und bestehlen lassen müssen, dann tut der Staat das nicht. Und das wird früher oder später zum Problem für die Demokratie.
Pack
1. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat. 2. Übt dieser es nicht / mehr aus, weil er nicht mehr will oder die herunter gehungerte Polizei es nicht mehr kann, muss man sich selbst helfen. Verstanden! ? 3. Vor Gebrauch von Reizgas / Pfefferspray bitte Schulungsvideos ansehen! Sehr gute gibts vom illegalen Polizeikessel gegen ihr Recht auf Demonstration ausübende Bürger gegen Stuttgart 21. Da werden Sie geschult!
Theodred
Ich habe mir erlaubt dem etwas hinzuzufügen.
http://staunend.blogspot.de/2016/01/eine-erweiterung-zu-burgerwehren-und.html
Thomas Wessels
Bürgerwehren lehne ich genauso ab wie eine Scharia Polizei. Beides hat in unserem Staat nichts zu suchen.