Manchmal ist es, wie beim Terror in Ansbach, gut, einen Tag mit einer Kommentierung zu warten. Dann kommt allerdings ein langer Beitrag dabei raus.
![Idylle in Ansbach (By Michael Sander (Own work (selbst fotografiert)) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html)]](https://usercontent.one/wp/papsttreuerblog.de/wp-content/uploads/2016/07/512px-Martin-Luther-Platz_Ansbach-300x225.jpg)
Idylle in Ansbach (By Michael Sander (Own work (selbst fotografiert)) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html)]
Damit kann ich leben und musste doch feststellen, dass ich selbst – gerade in dem Zusammenhang – dagegen verstoßen habe. Als ich die ersten Schlagzeilen darüber las, verpixelte (!) Bilder des Schützen in den Nachrichten sah, war für mich zunächst klar: Islamistischer Terror! Entsprechend habe ich mich auf Facebook geäußert und musste zurück rudern. Offenbar kein islamistischer Hintergrund. So musste ich selbst Abbitte leisten, weil nicht auszuschließen ist, dass ich – in meinem kleinen Rahmen – zur Angst und Verunsicherung beigetragen habe. Manchmal ist es eben besser, sich erst mal zurück zu halten.
Killerspiele und Waffenrecht
Was aber dann passierte, verschlägt einem die Sprache: In den Medien wird der Täter je nach politischer Ausrichtung richtig als Ali S. oder politisch gefärbt David S. bezeichnet: Das eine liefert einen Hinweis auf den Migrationshintergrund, das andere nicht. Migrationshintergrund? Der Täter ist „Deutsch-Iraner“, eigentlich in Deutschland sozialisiert, mit psychischen Problemen. Manche berichten, er sei gemobbt worden, habe sich für den Amoklauf in Winnenden interessiert und Killerspiele am PC gespielt. Ein Schuft, wer das nicht für passend zur Argumentation hält, dass nichts mit nichts zu tun hat.
Und so gerät direkt das Waffenrecht in den Fokus: Dass der Täter von München mit einer illegalen Waffe geschossen hat, stört da nur als Argument. Ziel ist wohl – und das ist schon positiv gedacht – Handlungsfähigkeit zu beweisen. Die viel naheliegenderen Fragen jedoch, wie ein 18-jähriger Deutsch-Iraner mit psychischen Problemen eigentlich an eine illegale Waffe kommt, in welchen Kreisen so jemand unterwegs sein muss, welche sozialen Verstärker eine Rolle spielen – die werden nicht gestellt. Ich möchte gerne noch mal daran erinnern, dass Integration eine Mehrgenerationenaufgabe ist: Nur weil jemand deutscher Staatsbürger und/oder in Deutschland geboren ist, ist er noch lange nicht integriert. Das allerdings ist eine Diskussion, die angesichts weiter bestehenden Migrationsdrucks von der Politik lieber gemieden wird.
Kampf gegen rechts
Da lag ich also mit meiner ersten Einschätzung zum Killer von München daneben, wie nebenbei bemerkt viele andere auch, und lerne daraus, meinen Mund lieber nicht zu früh aufzumachen. Das heißt nicht, zu schweigen, aber Affekt-Postings bei Facebook taugen in der Regel nicht. Und da ich nicht von schnellen Reaktionen lebe – anders als hauptberufliche Journalisten – ist das auch höchstens ein Problem für meine eigene Eitelkeit, die gerne DEN Hammersatz zu einem bestimmten Geschehen raushauen würde, der überall geteilt wird.
Das allerdings dürften sich auch die hinter die Ohren schreiben, die nun das Glück auf ihrer Seite sehen und erneut zum Kampf gegen Rechts blasen. Prominentes Opfer diesmal Dr. Maximilian Krah, Dresdner Anwalt und CDU-Kreisvorstandsbeisitzer, der kürzlich seine Kandidatur für den Bundestag angekündigt hat. Der, zufällig zum Zeitpunkt der Morde in München, postete zweifach: Erstens auf Facebook ein Bild mit Michael Klonovsky im Biergarten mit einem etwas zu launig geratenen Text, und zweitens einen Tweet mit dem Inhalt: „Ich bin in München. Das muss der Wendepunkt sein: Die Willkommenskultur ist tödlich. Es geht um unser Land!“
Zwischenzeitlich hat Dr. Krah eine Erläuterung dazu abgegeben, nutzen tut ihm die aber nichts mehr: Solche Texte verzeiht der politische Gegner nicht so schnell! Die Dresdner CDU distanzierte sich von ihm, die Jäger des angeblichen rechten Zeitgeists verbeißen sich weiter. Mit anderen Worten: Die Integrationspolitik steht vor einem Scherbenhaufen, aber Hauptsache, wir haben jemanden des rechten Gedankenguts „überführt“ und können so wunderbar vom eigentlichen Thema ablenken.
Reutlingen und Ansbach
Genug Nachrichten für ein Wochenende? Von wegen: In Reutlingen geht ein Mann mit einer Machete auf Passanten los, tötet eine schwangere Frau. Wieder heißt es, kein islamistischer oder kultureller Hintergrund, nur eine persönliche Streitigkeit. Von wie vielen Westeuropäern haben Sie in den letzten Jahren gehört, die mit Macheten auf andere Menschen losgehen? Kein kulturelles Problem? Und in der Nacht zum Montag der Anschlag von Ansbach. Bis auf den Täter zum Glück keine Toten. Aber wenn der Mann eine Eintrittskarte für das Festival gehabt hätte – nicht auszudenken, was sein mit scharfen Gegenständen ausgestatteter Sprengsatz alles angerichtet hätte.
Der Täter diesmal wie aus dem Lehrbuch des Rechtspopulisten: 27-jähriger Syrer, vor zwei Jahren in Deutschland angekommen, vor einem Jahr Asylantrag abgelehnt, trotzdem geduldet, in psychologischer Behandlung, polizeibekannt wegen anderer Vergehen. Wie kommt so jemand an Sprengstoff? Wieso ist so jemand überhaupt in unserem Land? Wieso sitzt so jemand nicht schon lange in Haft, vorzugsweise in seinem Heimatland? Sie meinen, das seien rechte Töne? Dann lesen Sie besser nicht weiter.
Schweigen ist Gold, Schreien auch
Für den gestrigen Montag hatte ich mir erst mal selbst Schweigen verordnet. Nicht noch einmal nach vorne preschen, emotional texten um nachher zurück rudern und den selbsternannten Kämpfern „gegen Rechts“ das Feld überlassen zu müssen. Ich muss nicht der erste mit einem Kommentar sein, und die Likes zu meinen kurzen Post „Okay, ich folge dem Rat meiner Frau und werde heute schweigen.“ lassen mich glauben, das Richtige getan zu haben. Emotionalität kann seinen Wert haben, aber hier – in München, Reutlingen und Ansbach, genau so wie in Stuttgart, Nizza oder Paris – geht es um Menschenleben. Und es geht um die weitere Entwicklung unserer Gesellschaft. Da sollte es erlaubt sein, auch mal den Mund zu halten um in sich zu gehen …
… um dann aber umso lauter zu schreien: Habt Ihr sie noch alle?! So geht es nicht weiter!
Rant Teil I: Phrasendrescher!
Ich kann die ganzen Betroffenheitsphrasen unserer Politiker nicht mehr hören, die mich belehren wollen, dass solche Anschläge nichts mit dem Islam, nicht mit der Herkunftskultur, nichts mit der Flüchtlingspolitik zu tun haben. Ich will von Volksvertretern und einer Regierung, die zulassen, dass tausende sogenannte Flüchtlinge (nicht vergessen, der aus Ansbach war keiner!) unregistriert in Deutschland leben, keine Tipps zur politischen Willensgestaltung hören. Ich zweifle wirklich am Verstand eines Innenministers, der nach einem sogenannten „Amoklauf“ mit einer illegal erworbenen Waffe schärfere Waffengesetze fordert.
Ich kann die Ausflüchte von Islamvertretern nicht mehr hören, die gebetsmühlenartig behaupten, islamistische Anschläge hätten nichts mit dem Islam zu tun. Natürlich sind nicht alle Muslime Gewalttäter, nicht mal ein Bruchteil von ihnen. Und trotzdem rekrutieren sich die Attentäter, die Freibadgrapscher und Macheten-schwingenden „in ihrer Familienehre Verletzten“ aus diesem Kulturraum. Nebenbei: Wer meint, der Islam könne Teil unserer christlich geprägten und (zumindest noch weitgehend) freiheitlichen westlichen Kultur sein, kann sich ja umschauen in der Welt, wie es in islamischen Ländern zugeht.
Oder zum Draufrumdenken ein wesentlicher Unterschied, der mir in vergangenen Wochen und Monaten zwischen Muslimen und Christen deutlich geworden ist: Muslimische Gelehrte und ihre Gläubigen diskutieren die Frage, inwieweit dem Mordaufruf ihres Propheten gegen Ungläubige, den sie für das unverfälschte Wort Gottes halten, zu folgen ist. Christen diskutieren, ob das Gebot der Feindesliebe soweit zu fassen ist, dass man sich notfalls auch von einem Feind töten lassen muss statt sich zu wehren und den Tod des Anderen in Kauf zu nehmen.
Und bei all dem haben wir einen Kanzlerin, die in ihren Stellungnahmen – wie im Münchner Fall – dem amerikanischen und französischen Präsidenten höflich den Vortritt lässt, bevor sie sich selbst ein paar Betroffenheitsphrasen abpressen lässt – nebenbei zu einer Zeit als zu ihrem Glück schon klar ist, dass es sich nicht um einen islamistischen Anschlag gehandelt hat. Pfui, Frau Bundeskanzlerin, schäbig wie sie mit ihren Landsleuten umgehen, denen zu dienen sie geschworen haben.
Rant Teil II: Verharmloser!
Und was ich vor allem nicht mehr hören kann, sind die ewigen Phrasen, man dürfe jetzt nicht den Rechtspopulisten das Feld überlassen. Ich bin kein Fan der AfD oder rechter Parteien, aber dieses Feld hat die aktuelle Politik selbst bestellt. Eine Politik des „freundlichen Gesichts“, wo doch bei aller Nächstenliebe gegenüber flüchtenden Menschen, auch Verantwortung angesagt gewesen wäre. Beschwichtigungsformeln mit dem Blick auf die Anschläge in Paris, Brüssel, Nizza … Wer mehr nicht zu bieten hat, soll sich spätestens jetzt, nach dem ersten Selbstmordanschlag in Deutschland, schnellstens aus dem Staub machen!
Und jetzt kommen sie also wieder um die Ecke: Die wirklichen Verharmloser, die das Waffenrecht in Deutschland verschärfen wollen, und damit – wenn überhaupt – nur erreichen, dass sich die Menschen noch schwerer werden verteidigen können, als bisher schon. Die, die meinen, mit einem Rucksackverbot bei Großveranstaltungen könnte man mehr tun, als unbescholtene Teilnehmer schikanieren. Natürlich ist hundertprozentige Sicherheit nicht garantierbar, und mit islamistischen Verrückten muss man immer rechnen. Aber das Problem war in Ansbach so wenig der Rucksack wie es in Nizza der Lastwagen oder in München die illegal erworbene Waffe war: Es sind Menschen, die Waffen nutzen um andere Menschen zu töten – das ist der Ansatz: Gemeinsamkeiten bei denen suchen, die für den Terror verantwortlich sind. Antworten? Vorschläge findet man unschwer in diesem Beitrag!
Oder die, die meinen, Angst sei ein schlechter Ratgeber, man solle sich besser nicht so viele Nachrichten anschauen (als ob man denen aus Deutschland, vor allem öffentlich-rechtliche, nach der Kölner Silvesternacht noch abnehmen würde, überhaupt alles unverfälscht zu berichten), und ansonsten Ruhe bewahren … Die Angst ist da, und sie wird nicht von den Rechten geschürt, nicht mal von den Islamisten, sondern von Politikerdarstellern, die meinen, mit unverholener Informationszurückhaltung „beruhigen“ zu können. „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern“ – Terroralarm in Hannover schon vergessen, Herr Innenminister?
„Unser Land hat sich verändert.“
Maximilian Krah schrieb auf seinem Blog als Erläuterung zu seinem Posting:
Unser Land hat sich verändert. Angst hat sich breit gemacht. Angst im Zug, Angst im Schwimmbad, Angst, nachts allein durch die Straßen zu gehen. Unsere Art zu leben basiert auf dem Vertrauen in die Ungefährlichkeit des Anderen. Wir konnten uns immer darauf verlassen, dass diejenigen, die uns im Zug, im Freibad, in der Kneipe und auf der Straße begegnen, von sich aus dieselben Regeln respektieren und dieselben Werte teilen wie wir selbst. Diese Regeln waren zivil, die Werte liberal.
Diese Sicherheit ist dahin. Und sie ist auch dann dahin, wenn sich herausstellen sollte, dass der Anschlag von München anders als die 100 letzten ähnlicher Art keinen islamistischen, sondern einen persönlichen Hintergrund haben sollte. Die 100 islamistischen Anschläge haben uns die Ruhe und Gelassenheit genommen, diesen einhundert-ersten als das zu ertragen, was er möglicherweise und gegen allen ersten Anschein und gegen jede Wahrscheinlichkeit sein könnte: ein Einzelfall.
Recht hat er. Nun stellt sich aber die Frage, was die Konsequenz sein muss. Als katholischer Blogger kommt mir als erstes das Beten in den Sinn. Die meisten meiner selbstgestrickten und gescheiterten Lösungen für Probleme, die mich betreffen, kranken am Mangel an Vertrauen in Gott. Er muss im Zentrum stehen, ihn dürfen wir fragen, wir können mit ihm diskutieren, um Einsicht bitten. Das muss für einen Christen die Basis sein.
Aber wir sind uns wohl einig, dass wir damit nicht die Hände in den Schoß legen können. Gebet, Betrachtung und Einsicht müssen in Handlungen münden. Und veränderte Rahmenbedingungen erfordern im Zweifel auch verändertes Handeln.
Reden
Und da wird es kompliziert, beim Einzelnen macht sich mitunter Hilflosigkeit breit. Kommunizieren hilft natürlich, Missstände ansprechen: Offene Grenzen? Eine unbekannte Zahl nicht registrierter „Flüchtlinge“ im Land? Das verharmlosende „Der Islam gehört zu Deutschland“ als Staatsdoktrin? Rücksicht auf Täter statt auf tatsächliche und potenzielle Opfer? Kampf gegen Rechts als Reaktion auf islamistischen Terror? Wer hier nicht mehr widerspricht, macht sich mitschuldig am Terror, mitschuldig an der Angst, von der viele nicht mal mehr wissen, wie sie sie artikulieren sollen ohne in ein politisch zweifelhaftes Licht gerückt zu werden.
Man wird diejenigen, die Missstände ansprechen weiterhin als Populisten oder „neue Rechte“ diffamieren. Unser sogenannter Justizminister gibt sich alle Mühe, diese Treiben den Anstrich der Rechtsstaatlichkeit zu geben. Aber ich möchte meinen Kindern nicht irgendwann erzählen müssen, ich hätte einfach klein beigegeben. Und kommunizieren kann man überall: Leserbriefe, Kommentare in sozialen Medien, Anfragen an Politiker … die Verharmloser und Beschwichtiger, die im Hintergrund Verantwortlichen für die Verunsicherung, dürfen keine ruhige Minute mehr haben.
Handeln im Notfall
Beim Handeln wird es in einem Rechtsstaat schon schwieriger. Niemand kann wollen, dass jeder das vermeintliche Recht in seine Hand nimmt. Aber natürlich gibt es in konkreten Situationen Möglichkeiten zum Handeln: Der BMW-Fahrer, der den Mörder von Reutlingen von den Füßen geholt hat – das ist ein Held. Der Mann, der (nach einzelnen Berichten) auf den Killer von München vom Balkon aus eine Bierflasche geworfen hat – schade, dass er nicht getroffen hat. Wenn in konkreten Bedrohungssituationen Flucht nicht möglich oder mit Rücksicht auf andere Menschen nicht angesagt ist, dann ist Gegenwehr notwendig.
Verhältnismäßigkeit ist wichtig, aber wenn ich ehrlich bin: Erste Priorität muss doch haben, den oder die Täter zu stoppen. Jemand wie der Angreifer in Stuttgart sollte sich darüber im Klaren sein, dass sein Tod immer noch das kleinere Übel ist als noch mehr Opfer. Die Täter müssen wissen, dass es um ihr Leben gegen das der möglichen Opfer geht. Wenn ich mich anstrenge, kann ich für Islamisten beten, ihren Tod zu beklagen gelingt mir nicht, wenn dafür Menschen gerettet werden.
Politisches Handeln
Ich finde zwar das Argument einigermaßen hanebüchen, dass man in Deutschland immer noch eher von einem Auto überfahren als Opfer eines terroristischen Anschlags wird (das eine ein Unfall, bei dem man zumindest Vorkehrungen treffen kann, das andere ein bewusst herbeigeführtes, unkalkulierbares Ereignis), aber wahr ist: Die Wahrscheinlichkeit, ein Opfer eines islamistischen Anschlags in Deutschland zu werden, ist recht gering. Umso wichtiger ist, dafür zu sorgen, dass das so bleibt. Und neben der Möglichkeit, das Risiko für den Einzeltäter unkalkulierbar zu machen, gehört dazu die politische Arbeit: Ich spreche keine Wahlempfehlung aus, aber der ausgewogene Umgang mit Freiheit und Sicherheit muss tatsächlich DAS entscheidende Wahlkampfthema 2017 werden.
Selbst in einer Partei aktiv werden? Kann man, wenn man mag, die Zeit und das Durchhaltevermögen dazu hat, sich auch im politischen Kleinklein zurecht zu finden. Oder aber eben durch Schreiben, Proteste, Eingaben etc. Einfluss auf Parteien nehmen. In Tübingen gibt es mit Boris Palmer einen grünen Oberbürgermeister, der sich die Sorgen seiner Bürger im Hinblick auf Migration und Flüchtlingskrise zu Herzen nimmt. Innerparteilich wird er dafür natürlich hart angegriffen. Umso wichtiger, einem solchen Politiker in diesem Thema den Rücken zu stärken, wenn man auch sonst mit seiner Politik und Partei nicht einverstanden sein mag. Die Vernunft sollte sich nicht durch Parteigrenzen einhegen lassen.
Und natürlich das demokratische Mittel der Wahl: „Wählen gehen!“ Ich bin selbst weit davon entfernt, die Demokratie zu einem Gott zu erheben, den manche aus ihr machen wollen. Aber wer die demokratischen Mittel nicht selbst ausschöpft, sollte sich über demokratische Ergebnisse auch nicht beschweren.
Informieren
Als letzten aber nicht unwichtigsten Punkt der Veränderungen noch ein Thema, das mir besonders am Herzen liegt: Die Information. Wer sich in den letzten Tagen und Wochen auf den zwangsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk verlassen hat, sah sich verlassen. Deutsche Nachrichtensender, die den Schützen aus München – wohlgemerkt mit der gut zu erkennenden Pistole in der Hand – mit Hinweis auf dessen Persönlichkeitsrechte nur verpixelt darstellen, schüren berechtigtes Misstrauen. Darum ist es notwendig, auch andere Informationsquellen zu nutzen … sie aber nebenbei genau so kritisch zu bewerten, wie die „Standardsender“.
Informationen sammeln, vergleichen, bewerten, darüber auch beten, und die Ergebnisse in Handeln münden lassen: So funktioniert eine Zivilgesellschaft. Und jeder, wirklich jeder, der sich dem in den Weg stellt, das heißt die Information behindert oder verfälscht, die Bewertung in politisch opportune Bahnen leiten will, rechtsstaatliches Handeln einzelner Personen als „rechts“ oder sonstwie politisch verunglimpft und dadurch zu unterbinden sucht, ist ein Feind einer freiheitlich demokratischen Grundordnung. Wenn man mal kurz darüber nachdenkt, wen das alles einschließt, kann einem Angst und Bange werden …
Einen Tag geschwiegen …
Ich bin also dem Rat meiner Frau gefolgt, und habe einen Tag lang nichts zum Thema der vergangenen Anschläge und Attacken geschrieben. Heraus gekommen ist ein umso längerer Beitrag – wer viel Zeit hat zum Überlegen, dem fallen eben auch mehr Dinge ein. Ob sich die Atempause gelohnt hat? Jedenfalls glaube ich, dass es gut ist, mein Gemüt erst mal zu beruhigen, bevor ich etwas schreibe. Dann aber – und das ist entscheidend – muss jeder, auf welche Art auch immer, Position beziehen. Was in diesem Land passiert, geht uns alle an, auch wenn man (noch) nicht direkt betroffen ist. Ich kann damit leben, wenn jemand – gerade aus einer christlichen Position heraus – meinen Schlüssen widerspricht. Aber raus halten geht nicht: Der Terror ist in Deutschland angekommen. Schweigen ist feige!
akinom
Die Nachrichten überschlagen sich. Ich kann die Fülle der Informationen und Bewertungen nicht mehr sortieren einschließlich die des Papsttreuen. Heute ist dann auch noch die Geiselnahme in der nordfranzösischen Kirche hin zu gekommen, bei der einem Priester die Kehle durchgeschnitten wurde.
Wichtig finde ich aber alles Konstruktive und Mutige, was gesagt und getan wird und denke dabei an mehrere Stellungnahmen und Warnungen des Grünen-Chefs Özdemir, dem scheinbar die Augen buchstäblich aufgegangen zu sein scheinen. (Ich beziehe mich auf kath.net.- Meldungen) .
Wichtig finde ich auch die Warnung der Deutschen Depressionsliga vor vorschnell und undifferenzierter Zuordnung von Gewalttaten zu psychischen Erkrankungen.
Persönlich berührt hat mich – ob Amokläufer oder nicht – die Tat des 17-jährigen David oder Ali S. besonders deshalb, weil er offenbar seine furchtbare Tat nach einer „Wallfahrt“ nach Winnenden begonnen hat ,vorzubereiten. Tim Kretschmer ist seit der Bluttat 2009 in meinem täglichen Gebet, wie auch Robert Steinhäuser seit 2002: „Möge die 17. Kerze im Erfurter Dom nie verlöschen hatte ich damals seinen Eltern in einem Brief geschrieben, der unbeantwortet geblieben ist…
Damals schrieb ich:
Die 17. Kerze
Liebe Eltern, lieber Bruder, liebe Großeltern und Freunde der Familie von Robert Steinhäuser,
in unerklärlicher Weise nahe fühle ich mich Ihnen, obwohl ich von Ihrer Existenz erst erfuhr, als Ihr Name auf so schauerliche Weise in Deutschland, ja in der ganzen Welt bekannt wurde. Seit den ersten Meldungen über die schockierenden Ereignisse in Erfurt habe ich besonders Sie in mein Herz und meine Gebete geschlossen. Sie werden darin täglich einen festen Platz behalten.
Warum? Das haben alle gefragt. Ich brauche keine Antwort darauf. Mir genügt meine Gewissheit, dass es keine Sinnlosigkeit gibt. Vielleicht ist die Frage nach dem Warum auch ein winziges Stückchen mit diesem Brief beantwortet, der sonst nie geschrieben worden wäre und mit dem Platz, den Sie in meinem Herzen eingenommen haben und behalten werden.
Mein Warum ist ein anderes Warum. Es lautet: Warum hat niemand bemerkt, dass Sie die am meisten be- und getroffenen Opfer der grausigen Ereignisse sind? Unschuldige Opfer? Gewiss nicht. Denn es gibt keine unschuldigen Opfer, weil es keine schuldlosen Menschen gibt, weil Schuldhaftigkeit und Schuldfähigkeit wesenhaft zum Menschsein gehören. Wer das abstreitet, nimmt Menschen nicht ernst. Deshalb erschreckt es mich immer wieder, dass das Wort Verantwortung in den Nachrichten offenbar nur noch vorkommt, wenn eine verbrecherische Organisation in Bekennerschreiben angeblich „die Verantwortung übernommen haben“ für Unmenschliches, was nie und nimmer zu verantworten ist…
Nein, auch Sie, liebe Familie Steinhäuser, sind keine „unschuldigen Opfer“. Aber gerade das verbindet mich besonders mit Ihnen, liebe Frau Steinhäuser: Ich bin gewiss keine bessere Mutter als Sie: Dass mein Versagen, das besonders in der Sprachlosigkeit unserer Familie liegt, nicht zur Katastrophe geführt hat, ist nicht Verdienst, sondern Geschenk. Wie gerne möchte ich Ihnen ein Stückchen von diesem Geschenk abgeben!
Wohltuend anders als die zitierten Bekennerschreiben von verbrecherischen fanatisierten Organisationen ist das Bekenntnis der Familie Steinhäuser: „Eltern des Attentäters bitten um Verzeihung“ lautet die Überschrift auf der ersten Seite unserer Tageszeitung. Auch, wenn Sie das noch lange nicht erkennen können:
Dadurch ist die 17. Kerze, die im Erfurter Dom für Robert brennt, zum „Licht für die Welt“ geworden.
„Eltern das Attentäters bitten um Verzeihung“. Diese Überschrift hat mich noch aus einem anderen Grunde zutiefst betroffen gemacht: Vor 13 Jahren gab es in unserem Stadtteil einen Sexualmord, dem ein Junge aus der Schulklasse meiner Tochter zum Opfer gefallen ist. Eingebrannt haben sich in mir die Worte des Priesters, der kurze Zeit nach dem Verbrechen während des normalen Sonntagsgottesdienstes verkündete: „Ich komme aus dem Gefängnis und konnte dem Täter die Verzeihung der Eltern bringen, der Eltern des Opfers.“ Man hätte eine Stecknadel fallen hören können… Diese Eltern haben heute einen zwölfjährigen Sohn, der ganz gewiss ohne dieses Wort (und die seelsorgliche Begleitung des Priesters) nicht hätte geboren werden können. So kann Leben dort wieder wachsen und blühen, wo dies nach menschlichem Ermessen unmöglich scheint.
Diese Geschichte zeigt mir, dass es keinen Scherbenhaufen gibt, der zu groß ist, um es Gott zu ermöglichen, ihn in ein wunderschönes Mosaik zu verwandeln.
Die Schuld von Robert? Es ist nicht Ihre, es ist nicht meine Sache, darüber zu urteilen. Ich merke aber, wie ich ihn immer mehr lieben kann, je größer der Platz wird, den Sie, die Eltern, der Bruder, die Großeltern in meinem Herzen einnehmen. Liebe und Fürbitte über den Tod hinaus ist in meinem Osterglauben
nie sinnlos gewesen, weil Ostern endgültiger Sieg über den Tod bedeutet, trotz allem.
Trost und Geschenk der Gnade ist es für mich auch, dass Robert als letzte Begegnung im Leben die Liebe seines großartigen Lehrers erfahren durfte. Ich kann mir vorstellen, dass mich dies als Mutter eifersüchtig machen würde.
Heute ist übrigens das Fest meiner Namenspatronin, der heiligen Monika und Mutter des heiligen Augustinus, die um ihren Sohn zahllose Tränen vergossen hat. Sie tröstete der hl Ambrosius mit den Worten: „Ein Kind so vieler Tränen kann nicht verloren gehen!“
Möge die 17. Kerze in Ihren Herzen weiter brennen, in dem meinen werde ich sie nicht löschen und Sie im täglichen Gebet begleiten im festen Glauben an den Erfinder des schönsten aller Worte, dass da heißt: Trotzdem!!!!
In Liebe und ganz persönlicher Verbundenheit
M.H.
am 4. Mai 2002
Lehrer Lämpel
@akinom/Monika,
ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, aber da Sie Ihren damaligen Brief hier öffentlich machten, ist eine ebenfalls öffentliche Reaktion wohl erlaubt.
So sehr ich Ihr Mitleid und Gebet für die Angehörigen des Täters Robert Steinhäuser achte und respektiere, halte ich allerdings Gebet für den nicht mehr lebenden Täter selbst für vergebens und sinnlos.
Und dieses gerade auch biblisch begründet:
Das Beten für die Feinde ist nur zu deren irdischen Lebzeiten noch wirksam, damit sie sich bekehren und ihr Seelenheil nicht auf ewig verspielen.
Wer dagegen unbereut in schwersten Sünden stirbt, ist nach allem, was wir nicht zuletzt aus der Bibel wissen, auf ewig verloren.
Das mögen manche heute nicht hören und hoffen auf eine sog. All-Erlösung und auf eine somit leere Hölle.
Die Bibel – Gottes Offenbarung – lehrt das aber nicht; im Gegenteil: Sie ist voll von entsprechenden Warnungen, dass der Mensch sein ewiges Heil verspielen kann.
So z.B. der Weheruf des Herrn über den Verräter Judas, für den es besser wäre, nicht geboren zu sein.
Ähnlich die drohende Mahnung an die Verführer der glaubenden Kleinen zum Bösen, für die es besser wäre, mit einem Stein um den Hals im Meer versenkt zu sein.
Oder die drastische Aufforderung des Herrn, lieber ein Körperteil, das zum Bösen verführt zu entfernen, als dadurch in die Hölle zu kommen.
Ebenso das Gleichnis mit den törichten Jungfrauen oder dem Mann ohne festliches Gewand, der dafür keine Entschuldigung hat und in die Finsternis geworfen wird, wo Heulen und Zähneknirschen ist.
Nicht zu vergessen das Gleichnis des Herrn vom armen Lazarus und dem unbarmherzigen reichen Prasser. Letzterem geht es im Jenseits erbärmlich schlecht, ohne dass ihm irgendwie auch nur kleinste Linderung zuteil wird. Selbst seine Bitte um Warnung der noch lebenden Angehörigen wird abgeschlagen: Sie haben Mose und die Propheten, um zu hören – das muss genügen.
Das sind alles keine schönen Wahrheiten, sondern im Gegenteil drohende und verstörende, aber so stehen sie nun mal in der Bibel.
Man kann sein Seelenheil auch auf ewig verspielen!
Ich lese aus Ihrem Beitrag, dass Sie wohl voller Dankbarkeit für wunderbare Bewahrung vor eigener Sündhaftigkeit für Schuldige und deren Angehörige beten.
Das ist ehrenwert und im Falle lebender Menschen auch respektabel ‚ kein Gebet geht verloren.
Aber ich entsinne mich auch nachdenklich an eine geschilderte Begebenheit mit der Seherin Therese von Konnersreuth, worin sie auf das Gebet für [die Bekehrung? des damaligen Machthabers] Adolf Hitler resigniert geantwortet haben soll: „Wenn’s nur helfen tät…“
Wolfram
Natürlich KANN man sein Seelenheil auf ewig verspielen, da haben Sie ganz recht – dennoch ist es vermessen, bei einem anderen Menschen fix davon auszugehen, daß er es tatsächlich verspielt hat. Weder wissen wir mit letzter Sicherheit, ob der Betreffende wirklich Herr über seine Handlungen war, noch, was in seinen letzten Momenten in ihm vorgegangen ist.
Ich gebe zu, die Chancen im vorliegenden Fall stehen sehr schlecht. Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß es Gott mißfällt, wenn man es dennoch versucht. Übrigens erwähnen die Prophezeiungen von Fatima Seelen, die in die Hölle kämen, weil niemand für sie bete. Offenbar ist da also doch kein simpler Automatismus am Werk.
Lehrer Lämpel
Richtig, @Wolfram, das Beten für selbst schwere Sünder zu deren Lebzeiten um Bekehrung ist eine barmherzige Tat – nachdem sie aber unbekehrt gestorben sind und in der Hölle gelandet sind, ist es sinnlos.
Ich hatte A. Hitler beispielhaft angeführt.
Nach der seherisch begabten Therese von Konnersreuth war wohl bereits zu seinen Lebzeiten jegliches Gebet für ihn vergebens.
Können Sie sich Hitlers Seele irgendwo anders als in der Hölle vorstellen?
Hans
Die Erkenntnis, wie bei Ihnen „Manchmal ist es eben besser, sich erst mal zurück zu halten“ kommt dann hinterher. Was ist das für ein Reflex, sofort seine Meinung in die Welt hinauszu posaunen? Alle Welt muss gerade auch diese Meinung unbedingt sofort wissen? Man sollte mal einen Fachmann dazu konsultieren.
Aber Sie weiter: „Was aber dann passierte, verschlägt einem die Sprache: In den Medien wird der Täter je nach politischer Ausrichtung richtig als Ali S. oder politisch gefärbt David S. bezeichnet“ Schon wieder eine Meinung, basierend auf Nichtwissen, aber hinaus in Welt damit! Gerade ein paar Sätze vorher „Manchmal ist es eben besser, sich erst mal zurück zu halten“ Muss man das jetzt verstehen?
Zum Amokläufer: In seinem Reisepass steht David S. Seine Schulkameraden nannten ihn aber Ali. Der Amokläufer hat Anfang Mai seinen Namen in allen amtlichen Dokumenten in David hat ändern lassen – direkt nachdem er volljährig geworden war.