Wenn man mal verstanden hat, dass die eigene Liebe immer unzureichend ist, hat man schon den halben Weg hinter sich. Und den Rest des Weges gibt es Hilfe.

By Nyps151 (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)]
Nächstenliebe und Scheinheiligkeit
Man muss also gar nicht erst bis zur Feindesliebe gehen, um in Schwierigkeiten zwischen Realität und Anspruch der christlichen Nächstenliebe zu landen. Schon die ganz normale Feld-Wald-und-Wiesen-Nächstenliebe, stellt uns vor eine Riesenherausforderung. Und die Gefahr ist groß, dass man eine solche Nächstenliebe pervertiert in eine Art Scheinheiligkeit, die eben nicht das Gute für den anderen will, sondern vor allem für sich selbst.
Eine solche Zentrierung auf sich selbst ist aber selbstverständlich keine Liebe – auch das keine große Neuigkeit, aber doch etwas, was ich mir jedenfalls immer wieder ins Bewusstsein rufen muss. Daran zu arbeiten, den Grad der eigenen Scheinheiligkeit festzustellen – die letztlich eine Folge der Gebrochenheit des Menschen ist und damit für Gott auch keine besondere Neuigkeit darstellt – und sich der Liebe Gottes anzuvertrauen, der diese Wunde heilen kann, darum geht es dem Papst in seiner Katechese.
Liebe: Hindernisse und Lösungen in der Ehe
Seine Worte beziehen sich dabei – so lese ich sie jedenfalls – auf die generelle Nächstenliebe und wie diese zur Scheinheiligkeit verkommt. Sie passen aber auch auf die persönliche Liebe zu ganz konkreten Menschen im näheren Umfeld, insbesondere zwischen Ehefrau und Ehemann. Ein paar Kernaussagen habe ich dazu aus der Katechese herausgefischt (Zitate von Zenit):
Scheinheiligkeit kann sich überall einschleichen, auch in unserer Art zu lieben. Dazu kommet es, wenn unsere Liebe eigennützig ist, von persönlichem Interesse geleitet wird. […]
Hinter all dem steckt eine falsche und trügerische Vorstellung, nämlich dass wir, wenn wir lieben, so handeln, weil wir gut sind; als ob die Nächstenliebe eine Schöpfung des Menschen sei, ein Produkt unseres Herzens. Vielmehr ist [Nächsten] Liebe vor allem eine Gnade, ein Geschenk; lieben zu können ist ein Geschenk Gottes und wir müssen es erbitten. […]
Paulus lädt uns ein anzuerkennen, dass wir Sünder sind, und auch unsere Art zu lieben ist durch die Sünde gekennzeichnet. Zugleich überbringt sie jedoch eine neue Botschaft, eine Botschaft der Hoffnung. Der Herr eröffnet vor uns einen Weg der Befreiung, einen Weg des Heils. Dies bietet auch uns die Möglichkeit, das große Gebot der Liebe zu leben, Werkzeuge der [Nächsten] Liebe Gottes zu werden. […]
So machen wir alle die Erfahrung, das Gebot der Liebe nicht in Fülle zu leben oder so, wie wir es sollten. Doch auch das ist eine Gnade, denn wir begreifen dadurch, dass wir aus uns selbst nicht fähig sind, tatsächlich zu lieben. Wir haben es nötig, dass der Herr diese Gabe durch die Erfahrung seiner unendlichen Barmherzigkeit ständig in unserem Herzen erneuert. So schätzen wir tatsächlich erneut die kleinen, einfachen, gewöhnlichen Dinge; so schätzen wir erneut diese kleinen Dinge des Alltags und sind fähig, die anderen Menschen so zu lieben, wie Gott es tut, und das Gute für sie zu wollen, d.h., dass sie Heilige, Freunde Gottes sind. […]
(Hervorhebungen durch mich)
Liebe ist eine Baustelle
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber wenn ich mir vor Augen halte, dass mir die Feindesliebe extrem schwer fällt, dass ich bei der Nächstenliebe – wenn sie wirklich echt sein soll – erheblichen Nachholbedarf habe, dann stelle ich hier fest, dass die Liebe zu meiner Frau durchaus auch noch eine Baustelle ist, die des großen Baumeisters bedarf. Wer kennt nicht die Situationen, in denen der sich ungerecht behandelt fühlt? Und was ist das anderes als eine Ich-Zentrierung? Wer kennt nicht das Gefühl, jetzt aber auch mal dran zu sein? Und was hat das damit zu tun, dem Anderen zu helfen, heilig zu werden?
Aber drohe ich dabei nicht, übervorteilt, ausgenutzt zu werden? Das kann schon sein, aber diese Gedankengang hat mit Misstrauen und nichts mit Liebe zu tun. Liebe sollte keine Einbahnstraße sein, aber wer nicht mal in Vorleistung gehen will oder die Liebe generell als Handel begreift, der ist von der erfüllten Liebe noch weit weg. Aber zum Glück: Hilfe naht! Denn dieses Misstrauen, dass schon Gott in der Schöpfungsgeschichte entgegengeschlagen ist, ist uns zwar mit der Erbsünde in die Wiege gelegt worden, aber der Herr selbst hilft uns dabei, besser zu werden.
Handwerkszeug
Nebenbei: Gott, das Gebet zu ihm, die Bitte um das Geschenk Gottes, wirklich lieben zu können, ist der Schlüssel zu der Frage, wie man liebt. Es schadet aber auch nicht, sich losgelöst von Glaubensfragen anzuschauen, welche Fallstricke zwischen Männern und Frauen bestehen. Darum habe ich das seit Jahren im Bücherregal verstaubende „For men only“ von Shaunti und Jeff Feldhahn mal wieder hervorgeholt, und schlage mir regelmäßig vor den Kopf, warum ich manche Dinge über Frauen und besonders meine Frau eigentlich immer noch nicht weiß. Parallel liest meine Frau die deutsche Übersetzung des Pendants „Frauen sind Männersache“ – sicher eine gute Empfehlung für meine weiblichen Leser.
Mit der Hilfe Gottes und mit ein bisschen Handwerkszeug ausgestattet sollte uns die eheliche Liebe durchaus leichter fallen. Über Kardinal Meisner wird die Geschichte kolportiert, dass er auf seine Frage an einen Mann mit Eheproblemen, ob er seine Frau liebe die Antwort bekam „Ich weiß es nicht.“ Seine Reaktion: „Dann fangen Sie besser damit an.“