Die Worte des Papstes zum Zeit-Chefredakteur sind eine Sensation. Aber die Sensation ist eine andere, als manche Kommentatoren meinen.

By Vahag851 (Own work) [CC BY-SA 4.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)]
Gängige Reizthemen
Dabei ist es nicht so, dass di Lorenzo nicht lange genug gedrängt hätte, um dem Papst eine Sensation zu entlocken. Es ist aber keine geworden, was allerdings auch als Sensation gedeutet werden könnte. Da fallen Sätze wie dieser hier zum Priestermangel: „Über den freiwilligen Zölibat wird in diesem Zusammenhang immer wieder gesprochen, vor allem dort, wo es an Klerus mangelt. Doch der freiwillige Zölibat ist keine Lösung.“ Das klingt – wohl dosiert und diplomatisch – nicht nach neuer Lehre sondern nach einer sehr guten Einschätzung. Dann wenigstens Viri probati – also „erfahrene“ verheiratete Männer? Der Papst dazu: „Wir müssen darüber nachdenken, ob Viri probati eine Möglichkeit sind. Dann müssen wir auch bestimmen, welche Aufgaben sie übernehmen können, zum Beispiel in weit entlegenen Gemeinden.“ Welche Aufgaben sie übernehmen können? Nein, das ist keine Zusage zur Priesterweihe, nicht mal annähernd.
Diakoninnen? Dazu liefert der Papst die ganze Historie einer von ihm in einem Gespräch mit Ordensschwestern ausgelösten Diskussion. Und hier ein wunderbares Zitat dazu: „Ein syrischer Professor […] nannte drei Dinge: Die Frauen halfen bei der Taufe, bei der Salbung kranker Frauen, und wenn eine Frau sich beim Bischof darüber beklagte, von ihrem Mann geschlagen zu werden, schickte der Bischof eine Diakonin, um die blauen Flecke zu untersuchen. Mal sehen, was die Kommission noch herausfindet.“ Noch Fragen? Nein, das alles ist kein Skandal sondern nur die wiederholte Aussage, sich mit den Problematiken der Weltkirche – die etwas anderes ist als die der katholischen Amtskirche in Deutschland – auseinandersetzen zu wollen.
Fehlbar oder nicht unfehlbar?
Zuletzt versuchten es noch die einen oder anderen, dem Papst wenigstens einen Widerspruch zum Dogma der Unfehlbarkeit in den Mund zu legen. Dabei ist es erstens aber ein Unterschied, ob der Papst im Gespräch sagt, er sei „fehlbar und ein Sünder“ oder ob er sagt „das Unfehlbarkeitsdogma gilt nicht“ und zeugt zweitens von massivem Missverständnis, was das Unfehlbarkeitsdogma eigentlich aussagen will (nämlich, in aller Kürze, dass der Papst nur wenn er lehramtlich zu Fragen der Glaubens- und Sittenlehre spricht, nicht irren kann). Der Papst ist also fehlbar? Ja sicher, Papst Franziskus genau so wie alle seine Vorgänger!
Der Glaube ist ein Geschenk
Bleibt von dem Interview denn trotzdem etwas? Wenn man es mit offenem Herzen liest, tut es das tatsächlich. Dann nämlich erkennt man die sehr selbstreflektierenden Sätze des Papstes, der nicht nur davon spricht, dass er fehlbar ist, sondern auch, wo seine Schwächen liegen. Er spricht über die reale Existenz des Teufels – was Herrn di Lorenzo als Katholiken offenbar vom Hocker haut – der sich in unser Leben einmischt. Und er spricht von Glaubenszweifeln, von Momenten der „Dunkelheit“, sogar von Momenten der „Leere“. Und darüber, was der Glaube eigentlich ist. Weil diese Sätze so großartig sind, hier ein etwas längerer Auszug:
Ohne Krisen kann man nicht wachsen. […] Im Glauben ist es nicht anders. Als Jesus hört, wie sicher sich Petrus ist – das erinnert mich an zahlreiche katholische Fundamentalisten –, sagt er: Dreimal wirst du mich verleugnen. Aber ich werde für dich beten. Petrus hat Jesus verleugnet, er ist in eine schwere Krise geraten. Und dann haben sie ihn zum Papst gemacht. (lacht) Ich will nicht sagen, dass die Krise das tägliche Brot des Glaubens ist, doch ein Glaube, der nicht in die Krise gerät, um an ihr zu wachsen, bleibt infantil. […]
Der Glaube kann verloren gehen. Er ist ein Geschenk, um das man jeden Tag aufs Neue bitten muss. Wie oft in meinem Leben habe ich mich versündigt, weil ich entgegen meinem Glauben wie ein Ungläubiger gehandelt habe! Das sind Momente der Leere. Man muss den Herrn demütig um den Glauben bitten.
Betet!
Das Interview enthält natürlich noch viel mehr Themen und ich kann nur jedem empfehlen, sich ein Exemplar der „Zeit“ zuzulegen und den Artikel tatsächlich mit einem offenen Herzen zu lesen. Es geht auch um Politik, es geht um Krieg, es geht um Populismus. Und man liest sehr differenzierte Antworten, die zeigen – und dafür gebührt dem Zeit-Chefredakteur Respekt – dass man ein Interview mit dem Papst auch auf gesittete Art und Weise führen kann, ohne ihm etwas in den Mund legen zu wollen (auch wenn die persönliche Meinung ab und an durchscheint). Vor allem aber liest man das Gespräch mit einem, der offenbar tief im Glauben steht, der die Konflikte innerhalb und außerhalb der Kirche nicht ausblendet und sich mit ihnen beschäftigt. Das mag dem Außenstehenden selbstverständlich erscheinen, aber wenn man sieht, wie der Papst von seinen innerkirchlichen Kritikern ins Visier genommen wird, ist es beruhigend, ihn hier aus quasi erster Hand zu lesen.
Und, wie sieht es nun aus mit dem Priestermangel – hat der Papst eine Lösung? Hat er, die wird aber den Modernisten nicht gefallen:
Ich glaube … – Sie merken, ich spreche auch als bekennender Katholik, ich bin übrigens auch gläubig, wissen Sie? (lacht) Der Herr hat uns gesagt: Betet! Das ist es, was fehlt: das Gebet.
Insofern ist die Sensation tatsächlich eine andere. Denn im Gegensatz zu denen, die aus unterschiedlichen Gründen derzeit etwas anderes behaupten: Der Papst ist immer noch katholisch.
Gerd
„Als Jesus hört, wie sicher sich Petrus ist – das erinnert mich an zahlreiche katholische Fundamentalisten“
Es ist schon schade, dass der Papst immer öfter die sog. katholischen Fundamentalisten ins Feld führt, wenn es ums Versagen im Glauben geht. Den einzigen Schaden den die katholischen Fundamentalisten hierzulande(!) anrichten, ist das Festhalten am Rosenkranz oder an der Anbetung vor dem Allerheiligsten. Und die sind, da kann ich den Papst beruhigen, nicht zahlreich vertreten, sondern äußerst dünn gesät. Franziskus kann nicht alles wissen, aber er kann auch nicht alles sagen. Wenn er beklagt, dass zuwenig gebetet wird, sollte er wissen, dass hierzulande das sog. „Ewige Gebet“ faktisch abgeschafft ist, nicht mit tatkräftiger Hilfe katholischer Fundamentalisten, sondern gegen ihren Willen und mit Unterstützung eines Klerus, der das Gebet nicht mehr für „zeitgemäß“ und „sinn-stiftend“ hält. (OT unseres Pfarrers)
„Konntet ihr nicht eine Stunde mit mir wachen?“fragt der Herr als er Blut und Wasser schwitzte. Die Antwort vieler Priester: „Nein, können wir nicht! Wir haben besseres und sinnvolleres zu tun, als unzeitgemäß bei dir auszuharren.“
Da lob ich mir die Haltung des Petrus, dieses konservativen Katholiken, der nach seiner Verleugnung aus Angst um sein Leben, zum Herrn zurück fand, weil er ihn liebhatte und somit die Fähigkeit erhielt am Kreuz für seinen Herrn und Meister sein Blut zu vergießen.
Lehrer Lämpel
Gebe Ihnen vollauf Recht, @Gerd.
Die von diesem Papst als „katholische Fundamentalisten“ diffamierten glaubenstreuen Katholiken werden sich nach meiner Einschätzung immer mehr aus dem öffentlichen kirchlichen Leben zurückziehen, wo sie eh vor allem Unverständnis, Spott und sogar Anfeindungen erleben und sich bis auf Weiteres „in die Wüste“ (innere Emigration) begeben.
Seien wir nicht allzu traurig – der große weltweite Glaubensabfall ist im letzten Buch des NT biblisch als quasi notwendig vorausgesagt.
Allerdings auch der endgültige Triumph Christi!
Bleiben wir also wachsam und nüchtern und KLUG…
Gerd
http://de.radiovaticana.va/news/2017/03/12/papst_bei_pfarreibesuch_geschw%C3%A4tz_ist_wie_terrorismus/1298230
Ohne Worte. (Geschwätz)
Stefan Schmidt
Sehr geehrter Herr Honekamp,
ich bin vor kurzem erst auf dieses Blog aufmerksam geworden.
Es gefällt mir sehr. Ich habe schon einige Artikel „verschlungen“ und finde immer wieder neue Einsichten und Anregungen. Vielen Dank auf jeden Fall schonmal dafür.
Als evangelischer Christ (ich hoffe ich bin trotzdem willkommen) habe ich in vielen Bereichen des Lebens und Glaubens andere Ansichten, als Sie, der Papst und die römisch-katholische Kirche als Ganzes, in vielem stimmen wir aber auch überein.
Es wundert mich seit jeher sehr, dass der römisch-katholischen Kirche immer gesagt wird, sie soll doch dieses und jenes ändern, weil das zeitgemäßer wäre.
Ich mag mich über den Pflichtzölibat wundern, oder auch über das Dogma der Unfehlbarkeit (vielen Dank an der Stelle auch für die Klarstellung was das Dogma eigentlich beinhaltet), allerdings finde ich, dass die röm-kath Kirche das selbst zu regeln hat.
Ich finde auch die Standhaftigkeit mit der die röm-kath Kirche Traditionen und Werte verteidigt und sich dadurch massiver Kritik und Häme aussetzt sehr lobenswert.
An Stellen wo sich die evangelische Landeskirche leider (!) allzuoft dem Zeitgeist hingibt.
Zum Gebet kann ich nur sagen, dass ich hier zum ersten Mal davon lese, dass das Gebet nur noch gering geschätzt wird.
Wie bei Mitkommentator „Gerd“ zu lesen, kommen solche Töne wohl auch von Predigern. Das erstaunt mich doch sehr.
In meinem kirchlichen Umfeld ist das zum Glück noch nicht zu hören gewesen, oder ich war grade dann nicht anwesend.
Natürlich will ich mich dadurch hier jetzt nicht profillieren um Sinne von:
„Seht her ich bete viel mehr und viel besser als alle anderen.“
Auch bei uns gibt es Luft nach oben, dass das Gebet allerdings so angezweifelt wird ist mir wirklich neu.
Bis zu meinem nächsten Kommentar verbleibe ich jetzt aber mit besten Wünschen, möge der allmächtige Herr Sie und die Ihren stets bewahren und in seinem Segen halten.
Stefan Schmidt
Liesl Karlstadt
Willkommen Herr Schmidt!
Ein evangelischer Christ mit Tiefgang und Weite kann jedem Blog nur gut tun.
Im Übrigen kann man zu Franziskus und auch dem jetzigen „Zeit“-Interview nur wiederholen, was Erzbischof Gänswein schon vor Jahren bei einem Heimatbesuch im Schwarzwald sagte: der Stil des Papstes hat sich geändert, in der Sache nichts.
Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie sehr viele von uns Christen sich durch oberflächliche Stilfragen oder Medienberichte beeinflussen lassen. Das spricht nicht für tiefe Verankerung im Glauben.