Niemanden zurück zu lassen bei der Mission sollte selbstverständlich sein, aber wie erreicht man alle richtig?
„Wir sprechen alle Menschen in unseren Ländern an und machen keinen Unterschied.“ So lautet die vierte These des Mission Manifest. Was so selbstverständlich daher kommt, ist es allerdings gar nicht. Denn „alle Menschen“ bedeutet auch, viele unterschiedliche Ausgangspositionen vorzufinden … im Zweifel so viele wie es Menschen gibt. Maximilian Oettingen räumt in diesem Kapitel darum mit zwei Missverständnissen auf, die einem nur allzu leicht über die Lippen gehen: Erstens, dass die Menschen rational über Katechese und Theologie zum Glauben zu führen wären, und zweitens, dass man die Einstiegsschwelle möglichst niedrig legen müsste.
Die Erstverkündigung
Was führt also Menschen zum Glauben … eine Katechese über die Glaubensverkündigung der katholischen Kirche? Vielleicht orientiert am Glaubensbekenntnis oder am Vater-unser? Oder eine theologische Auseinandersetzung mit diesen Glaubenssätzen, um die Vernunft dieses Glaubens „nachzuweisen“. Das ist jedenfalls der Weg, der in vielen Kirchengemeinden in Katechesen zur Erstkommunion oder zur Firmung, auch in vielen „Glaubenskursen“ angegangen wird. Mit dem „Erfolg“, dass die so be- und gelehrten sich nicht wieder blicken lassen. Zur Entschuldigung der Gemeinden sei gesagt: Auf diese Art versuche ich es auch oft, am Ende handelt dieser Blog im Wesentlichen von nicht viel anderem. Aber vielleicht hat es ja einen Grund, dass das so nicht funktioniert und die Menschen der Kirche fernbleiben trotz ihrer Sehnsucht nach Spiritualität. War es nicht Einstein der gesagt hat, „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten“?
Was dabei fehlt liegt allerdings auf der Hand, weil das Christentum eben keine Buchreligion ist, sondern der Glaube an Gott auf einer Beziehung fußt. Und so beschreibt Oettingen das Kerygma, die Erstverkündigung in zwei Leitsätzen bzw. einem Satz und einer Frage, die ich mir direkt in mein persönliches Gebetsbuch geschrieben habe, um sie auch selbst nicht wieder aus den Augen zu verlieren: „Jesus Christus liebt dich, er hat sein Leben hingegeben um dich zu retten, und jetzt ist er jeden Tag lebendig an deiner Seite, um dich zu erleuchten, zu stärken und zu befreien.“ Und „Jesus liebt dich, er möchte dein Herr und dein Gott sein. Hast du ihm schon erlaubt, der Herr deines Lebens zu sein?“
Jesus liebt dich
„Jesus liebt dich“ – klingt das nicht ein bisschen platt? Gehört zu unserem Glauben nicht mehr als dieser Satz? Natürlich tut es das, aber wer an diesem Satz nicht vorbei kommt, wer diese Hürde nicht nimmt, der wird den Dekalog als kleine Lebensanweisung lesen und die Bergpredigt als erbauliche Lektüre. Die Wege zu dieser Erfahrung der Liebe Gottes sind unterschiedlich, sie sind sicher zu stützen auch auf die Bibel, auf die Worte Jesu und ihre Bedeutung im Leben eines Menschen, der Erkenntnis der tiefen Wahrheit des Evangeliums. Aber bevor ich mir über das Glaubensbekenntnis Gedanken machen kann, bevor ich die Theodizee-Frage stelle, eigentlich bevor ich lerne, das Vater-unser zu beten, sollte ich bemerkt haben, warum ich das eigentlich tue, warum es diese Beschäftigung wert ist.
In den meisten Fällen allerdings wird das Pferd von hinten aufgezäumt, man begleitet den Weg eines Interessierten mit Katechese und Theologie und wundert sich, warum das Objekt dieser „Beschulung“ das alles zwar interessant findet, aber trotzdem keinen Sinn darin sieht, sonntags in die Kirche zu gehen. Das alles, so schreibt Oettingen sehr nachvollziehbar, muss dazu führen, dass wir bei der Mission in der Tat keinen Unterschied machen müssen, egal ob es sich um „nominelle Christen, Nicht-Christen, Ex-Gläubige oder Andersgläubige“ handelt. Eine solche Verkündigung wird die Menschen zunächst „mit der simplen Frage konfrontieren, ob Jesus tatsächlich der Herr ist. Wer das nicht will, wer eine Religion sucht, bei der er selbst im „Fahrersitz“ bleibt, der wird sich auch von einer noch so ausgefeilten Katechese und Theologie nicht „zum Christen machen lassen“.
Die Schwelle ist hoch
Diese Grundentscheidung eines Menschen, zu der man ihn durchaus begleiten kann, aber es tunlichst vermeiden sollte, allzu schulmeisterlich aufzutreten, ist in der Tat provozierend. Und gleichzeitig wird es von da aus noch schwieriger. Niedrigschwellige Angebote sind es, die oft propagiert werden und die auch ich nicht selten verteidige, einfach weil man davon ausgehen muss, dass das Glaubenswissen auch unter Christen nicht allzu verbreitet ist. Das bedeutet aber auf keinen Fall, dass die Nachfolge Jesu ein Leichtes wäre. Gerade im gestrigen (Donnerstag nach Aschermittwoch) Tagesevangelium (Lukas 9,22-25) macht es Jesus den Menschen nicht gerade leicht:
Zu allen (Anm.: nicht nur seinen Jüngern) sagte er: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten.“
Jesu Wort zum Sonntag
Das ist nicht gerade das, was ein Glaubensneueinsteiger von der Kirche oder auch von mir zu hören bekommt. Aber diese Sätze sind die Konsequenz, wenn man Jesus die Herrschaft über sein Leben überlässt. Oettingen lässt das in einem schönen Bild gipfeln:
Was würde Jesus samstagsabends nach den Tagesthemen im „Wort zum Sonntag“ sagen? Ich habe den nicht allzu leisen Verdacht, dass seine ersten Worte etwa so lauten würden: „Wer mein Jünger sein will, der nehme täglich sein Kreuz auf sich …“ Oder, auch eine lustige Vorstellung: Jesus schaut das „Wort zum Sonntag“. Ob er finden würde, dass das „seine“ Sendung ist?
Es gibt wunderbare Momente im Leben eines Christen. Da ist einmal die Erfahrung, von Gott geliebt zu sein (siehe oben), da sind die Gebetserfahrungen, da sind auch die Gemeinschaftserfahrungen der Kirche, die (hoffentlich) gegenseitige Liebe der Christen untereinander. Aber man kann Jesus wirklich nicht vorwerfen, dass er „seine Religion“ mit dem Begriff „Erfolg“ (i.S. eines weltlichen Erfolgs) verkauft hätte. Die Frage ist, ob wir uns zu sagen trauen, dass die Nachfolge Christi einen Preis hat. Einen Preis, der es allemal wert ist, keine Frage, denn – auch das dürfen und müssen wir sagen und ausstrahlen – die „Nachfolge Christi ist durchwoben von einer faszinierenden Schönheit, sie kündet vom ‚schönsten von allen Menschen‘ (vgl. Psalm 45,3)“. Umsonst ist die Nachfolge Christi aber nicht, und den „Preis“ sollten wir ebenso wenig unterschlagen wie den „Gewinn“.
-
Bild: Dieter – www.pixelio.de
Andreas
Wie auch immer, ich denke nicht das die hier erhobene „Preisfrage“ in irgendeiner Form zielführend ist. Wenn man sich an Christi Aussagen dazu orientieren wollte, müsste man doch wohl konstatieren, dass die Christen im nahen Osten die einzigen sind, die ihr Kreuz auf sich nehmen und einen „Preis“ zahlen.
Hier im Westen tut das niemand, selbst ein Eintreten für das Leid der Brüder und Schwestern im Glauben gilt als „nicht hifreich“. Niemand zahlt „einen Preis“.
Letzlich gilt: Wenn nicht vor allem anderen sola gracia und solus christus für Rettung sorgen, sieht es düster aus.