6 Comments

  1. Andreas Schneider

    Ich hole an dieser Stelle weiter aus.

    Vor 41 Jahren machte ich die Bekanntschaft von L. und M. Wir waren Stubenkameraden bei unserer Stammeinheit der Bundeswehr, aus der Kameradschaft wurde eine Freundschaft, die seit nunmehr 4 Jahrzehnten Bestand hat. Unsere jährlichen „Stubentreffen“ waren immer wieder kleine Höhepunkte im Alltag, wobei wir „rotierten“ – einer war jeweils Gastgeber. L. und ich waren Gäste auf M.s Polterabend, L. kam zu dem meinen, als L. (Junggeselle geblieben) sein Haus gebaut hatte, wurde das Stubentreffen vorgezogen, um die Immobile vorzustellen. L., der Katholik, wurde Pate meines Sohnes – eines Protestanten. Sowohl M.s Familie wie auch die meine waren in die Treffen einbezogen.

    Wäre da nur nicht L.s Anfälligkeit gegen alle nur erdenklichen Krankheiten gewesen. So konnte er an der Taufe meines Sohnes nicht teilnehmen (üble Grippe) – und zugleich hatte er seinerzeit seine neue Dienststelle beim Landesrechnungshof angetreten („Was für eine Empfehlung!“ sagte er mit einigem Verdruß, da die neue Tätigkeit mit einer Krankschreibung begann).

    2016 erlitt er einen Schlaganfall und wird seitdem in Pflegeheimen seiner Heimat im Sauerland betreut. Sehr unangenehme Begleiterscheinung (entweder des Schlaganfalls selbst oder aber „Kollateralschaden“ der unverzüglich durchgeführten Not-OP) ist die Schädigung seines Gleichgewichtssinnes. Was zur Folge hat, daß ihm, sobald er schneller als mit Schrittgeschwindigkeit bewegt wird, speiübel wird – je schneller, umso schlimmer. „Ich habe schon so einige Krankenwagen vollgekotzt“ ist wohl eine recht eindringliche Schilderung des Problems.

    Was zur Folge hatte, daß das Rotationsverfahren bei unseren Stubentreffen ad acta gelegt wurde, werden mußte. L. lebt (geographisch) zwischen M. und mir, und es wäre absolut kein Problem, daß z. B. ich bei einem Treffen bei M. einen Umweg zu L. machen würde, um ihn aus seiner Pflege abzuholen und zum Treffen zu bringen. Oder eben umgekehrt. Der hilfsbedürftige Kamerad bleibt nicht zurück, der Freund gehört bei all seinen Einschränkungen dazu. Punkt! Nur, daß L.s Leiden dies unmöglich macht. So finden unsere Treffen nunmehr nur noch bei ihm, in seiner Pflegeeinrichtung, statt. Es ist nicht mehr das Gleiche „wie früher“ – na und?

    Daß L. an „Corona“ erkrankte, war angesichts seiner Krankengeschichte auf eine perfide Art beinahe zwangsläufig. Im Grunde ein „klassischer“ Fall – Vorerkrankungen + Heimbewohner. Man vermutet(!), daß mobile Pflegekräfte und Therapeuten, die auch in Krankenhäusern tätig sind/waren, das Virus eingeschleppt haben. Es ist seiner langen Krankengeschichte geschuldet, daß L. einen „milden Verlauf“ trotz über 40°C Fieber konstatierte.

    In diesem Jahr fällt das Stubentreffen aus. Es dürfen nur max. 2 Personen gleichzeitig zu Besuch kommen – und dies in einer aufwendigen und wohl sehr unangenehmen Schutzkleidung. L. hat gebeten, das Treffen zu verschieben – so „ist das nichts“. Nun warten wir ab, bis die „Welle“ an uns vorübergezogen ist.

    Mir geht dies nicht mehr aus dem Kopf. Die unselige Schädigung der Gleichgewichtsorgane hat L. schon quasi zum Gefangenen in seinem Heim gemacht. Daß er nun aber obendrein dort praktisch keinen Besuch mehr empfangen kann, will mir in gewisser Weise wie eine Abart der Isolationshaft erscheinen. Ist das noch ein Leben, das zu leben es sich lohnt?

    Für mich persönlich habe ich daraus meine Konsequenzen gezogen. „Leben“ ist für mich(!) mehr als eine Ansammlung von Vitalfunktionen. Ich werde in Kürze einen Anwalt aufsuchen und eine Patienten- und Vorsorgevollmacht erstellen lassen. Vor „Corona“ war dies kaum mehr als eine schwammige und sehr theoretisch anmutende Vorstellung. Aber mein(!) Leben soll nicht so enden wie das meinen Freundes L.

    Ich bin jetzt (noch) im Vollbesitz meiner Geisteskräfte und sehe die Dinge aus einem streng logischen und praktischen Sichtwinkel. Wenn es dann hart auf hart gehen sollte – wer weiß, ob sich mein „Ich“ an das kleine Fünkchen Leben krallte und völlig anders entscheiden würde? Mit der Konsequenz, daß man meine Vitalfunktionen erhielte, mein Leben(!) aber zu Ende wäre?

    Jetzt, mit Blick auf meinen Freund und sein Schicksal, bin ich mir sicher, was ich will. Und der involvierte Personenkreis, der ggf. mit der Ärzteschaft zu verhandeln hätte, kennt meine Einstellung. Gibt es da in letzter Konsequenz ein „richtig“ oder „falsch“?

  2. Gregor Kühn

    Danke für diesen sehr besonnenen und fragenden Kommentar mit vielen Zwischentönen. Für mich ist diese unglaubliche Zeit nur noch geistlich zu erklären. „Bis du kommst in Herrlichkeit“ heißt es in der kath. Wandlungs-Liturgie. Diesem Wiederkommen Jesu voraus geht nach dem NT eine Zeit ungeheurer dämonischer Wirksamkeit mit schlimmsten Auswirkungen im gesellschaftlichen Miteinander, zunehmender Kriegsgefahr und zunehmenden Naturkatastrophen. Es kommt mir so vor, als liefe gerade ein Testlauf für das kommende antichristliche Reich. Das wäre meine sehr geraffte Sicht der Dinge, die das völlig Irrsinnige dieser Tage einigermaßen erklärbar macht.

  3. thomas austermann

    Eine sehr gute Analyse , sehr logisch und abgewogen (dienstältester, angehender Arzt z.Zt. in Raum und Zeit (nicht verifiziert, aber bestimmt ist obige Aussage ein valides factum)

  4. Morbus Christus

    Euch bremst allein der Glaube.
    „Glauben“ heißt „nicht wissen“.

    „Glauben“ statt „nachfragen, feststellen und kämpfen“ haben Euch in diese Situation gebracht.

    Die Welt hat sich vom Neandertaler zum heutigen Menschen nicht entwickelt, weil „geglaubt“ wurde.
    Sondern ausschließlich von Lebewesen, die hintergefragt und verglichen haben.
    Wohlgemerkt ALLES hinterfragt und verglichen.

    Ihr aber macht Euch selbst zu Lämmern; zu Opfern.
    Ihr tut mir leid, weil Ihr immer noch auf Antworten von einem Gott hofft, den es nicht gibt.

    Was Ihr dabei vergesst:
    Ihr selbst seid die Schöpfung. Und nur Ihr könnt diesen Zustand der heutigen babylonischen Verwirrung analysieren, bewerten und bekämpfen.

    Aber es wird so sein, wie es immer ist; Ihr werdet eine neue Kerze anzünden und auf bessere Tage hoffen.

  5. Lieber Felix Honekamp,
    vielen herzlichen Dank für diesen besonnenen Beitrag in einer besinnungslosen Zeit.
    Ihrem Fazit stimme ich voll zu: Nur noch Betern kann es gelingen! Nur durch die Verankerung im Absoluten, im allmächtigen Gott kann es gelingen, nicht mit den Zeitströmungen sich treiben zu lassen und Hoffnung zu bewahren.
    Hier habe ich auch noch einen sehr durchdachten und ausführlichen Beitrag gefunden:
    http://web.tuomi-media.de/dno2/Dateien/NO420-2.pdf

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