„Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist! Richtet nicht, dann werdet auch ihr nicht gerichtet werden. Verurteilt nicht, dann werdet auch ihr nicht verurteilt werden. Erlasst einander die Schuld, dann wird auch euch die Schuld erlassen werden. Gebt, dann wird auch euch gegeben werden. In reichem, vollem, gehäuftem, überfließendem Maß wird man euch beschenken; denn nach dem Maß, mit dem ihr messt und zuteilt, wird auch euch zugeteilt werden.“ (Lk 6,36-38)
Manche Tagesevangelien braucht man ganz dringend, um sich selbst wieder einzunorden. Denn wie schnell bin ich dabei, ein Urteil zu fällen, zu richten? Und wie schwer fällt es mir, einzusehen, dass ich damit genau gegen diese Vorgabe, gegen diese Richtlinie Jesu verstoße?
Putin und der Krieg – Schuldig!
Schaue ich auf die Weltpolitik, dann fällt mir direkt Wladimir Putin ein: Um seine eigenen Großmachtphantasien oder seinen staatlichen Minderwertigkeitskomplex zu befriedigen oder zu kompensieren, stürzt er zwei Staaten in den Krieg und die Welt ins Chaos. Der Begriff „Kriegsverbrecher“ geht mir durch den Kopf und ich frage mich unwillkürlich, was den die Konsequenzen wären, würde man diesen Tyrannen ermorden? Ein (Todes-) Urteil ist da zumindest im Kopf schnell gesprochen. Schuldig!
Und im Umfeld des Krieges in der Ukraine befallen mich Zweifel an der Lauterkeit auch der Politiker auf der anderen Seite – sind das wirklich alles nur Helden, oder haben die nicht auch ihre eigene Agenda. Ich habe keinen Zweifel am Hauptverantwortlichen für den Krieg, aber ich bin nicht naiv genug, dass es Länder mit Menschen an der Regierung gibt, die so völlig unschuldig sind. Schuldig!
Unsere Regierung – Schuldig!
Dann sehe ich in Deutschland auf unsere Regierung: Chaos in der Corona-Politik, ein Hühnerhaufen in der Wirtschaftspolitik, ein „Wertesystem“, das den Namen nicht verdient. Näme man die Regierung (und einen Großteil der Opposition, die jahrelang an der Regierung war), steckte sie in einen Sack und schlüge drauf – man träfe immer den Richtigen. Ob das dann jeweils einfach nur Dummheit, Machtversessenheit oder einfach nur fatale Fehleinschätzungen wären, die „die Politik“ vor den Richterstuhl brächten – egal: Wer Politiker wird, weiß was er tut. Schuldig!
Bischöfe und Kardinäle – Schuldig!
Und über „Kirchens“ will ich gar nicht reden. Ich habe das hier schon mehrfach geschrieben: Eigentlich sind des doch Wölfe in den Bischofs- und Kardinalsrängen, die so tun, als seinen sie Hirten. Sie verwirren die Menschen und bauen sich ihre eigene Kirche. Sie verhindern damit, dass die Menschen zu Christus finden, indem sie eine Kirche ohne echte Werte, ohne echte Moral, ohne Geschichte, am Ende ohne richtigen Christusbezug, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist, zusammenbasteln. Schuldig!
Ich – Schuldig!
Und dann schaue ich auf Jesu Worte, und muss eingestehen, dass jedes „Schuldig!“ sich im Grunde gegen mich selbst richtet. Was weiß ich schon von den Intentionen der Menschen, was weiß ich schon von ihren Geschichten, ihren Ängsten, ihren Zwängen? Wie oft mache ich mich schuldig, wenn ich solche Schuldsprüche ausspreche?
Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit
Es geht dabei nicht darum, einfach jede Fehlentscheidung, jede Fehlentwicklung einfach stehen zu lassen, jeden Menschen auf Abwegen einfach gewähren zu lassen. Aber bitte ohne Schaum vor dem Mund, ohne Schuldspruch. Der Richter, unser aller Richter und auch meiner, ist am Ende Gott der Herr, unser Vater und Papa im Himmel. Auf seine Barmherzigkeit darf ich vertrauen für meine Fehltritte und sollte darum beten, dass ich selbst barmherzig genug bin. Und ich bitte um Barmherzigkeit auch für diejenigen, von deren Schuld ich beinahe überzeugt bin. Beten wir also auch für diejenigen, für die zu beten uns am schwersten fällt, weil wir so gerne ein Urteil sprechen würden.
Auch das ist ein Hintergrund der Aktion Europe Prays Together