Gestern Abend war ich glücklich, zu einem interessanten Gesprächskreis mit dem Thema Chancen und Grenzen unseres Wirtschaftssystems aus Sicht der Franziskaner eingeladen zu sein. Etwas über 15 Teilnehmer hörten einen interessanten Impulsvortrag des für den Bereich der ethischen Geldanlage in der Missionszentrale der Franziskaner zuständigen Mitarbeiters und diskutierten anschließend bei einem gemeinsamen Abendessen über Entwicklungen im Wirtschaftsleben und auch deren Auswirkungen auf die eigene Lebensführung.
Organisiert wurde die Veranstaltung von einem Berater und Gesellschafter der Plansecur, einer christlich geprägten Vermögensberatung. So ist es also kein Wunder, dass auch die Teilnehmer der Diskussion, obschon zumindest nicht alles ausgewiesene Christen, sich mit der Thematik der Ethik bei Geldgeschäften und dem Wirtschaften auseinanderzusetzen bereit waren.
Den ganzen Abend wiederzugeben wird mir nicht gelingen, es sind aber ein paar Dinge, die mich auch heute noch beschäftigen und die es sich zu erwähnen und aus katholischer bzw. christlicher Sicht zu betrachten lohnen. Eine der Kernfragen drehte sich um das Thema der Werte, die unserem Handeln zugrunde liegen und wie sich diese in der Vergangenheit entwickelt haben. Und hierzu möchte ich einmal eine These aufstellen: Werte, die sich nicht auf den Glauben, auf Gott gründen, sind langfristig relativierbar und damit nicht von Dauer widersprechen damit letztlich auch einem der Kernansprüche, die sich viele Unternehmen und auch die Politik auf die Fahnen geschrieben haben: Nachhaltigkeit!
Parteiprogramm fast aller Parteien enthalten dieses Schlagwort in Verbindung mit den Themen Wohlstand, Wachstum und Ökologie. Jede Wirtschafts- und Finanzpolitik muss sich an der Mehrung des Wohlstands und das dafür (scheinbar) notwendige Wachstum unter den Rahmenbedingungen der Ökologie orientieren und eben nachhaltig sein. Unternehmen orientieren sich (wenn man den Hochglanzpräsentationen glauben darf), daran, den Nutzen für die Kunden und die Mitarbeiter zu mehren, gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen und Achtung nachhaltig zu agieren. Dabei ist dieser Begriff der Nachhaltigkeit an keiner Stelle wirklich definiert, so stellt sich also jeder darunter vor, was er denn meint wie der Referent des gestrigen Abends beschrieb, habe er letztens erst eine nachhaltige Schokolade gegessen, wie immer die Nachhaltigkeit abgesehen von den Wirkungen auf das eigene Gewicht aussehen mögen. Nachhaltigkeit wird letztlich mit etwas gutem gleichgesetzt, daher muss man ihm nachstreben.
Theologisch könnte man sich nun damit trösten, dass das doch immerhin ein gutes Zeichen sei, wenn doch der Mensch nach dem Guten strebe die Grundlagen sind offenbar noch da. Pessimistisch kann man aber auch sagen: die Suche nach dem Guten ist dem Menschen von Gott eingegeben, dagegen kann er sich schlechterdings kaum wehren, aber das Gefühl dafür, was das Gute eigentlich ist, ist offenbar verloren gegangen. Und voilà: Wohlstand, Wachstum, Ökologie und ganz besonders Nachhaltigkeit sind gut die neuen Götter, das neue goldene Kalb, geboren aus dem Unwissen, wonach man denn streben sollte.
Der Nachteil dieser Götter ist nur, dass sie sich aus einer rein funktionalistischen Sicht legitimieren, also nur dann ihre Göttlichkeit bewahren, wenn sie von Nutzen sind. Problematisch daran ist, dass beispielsweise die Frage, welchen Nutzen denn ein ungeborener Mensch hat oder ein kranker Mensch? Welchen Nutzen hat ein seltenes Tier auf einer abgelegenen Südseeinsel? Welchen Nutzen hat es, wenn ich mich um die persönlichen Sorgen eines Kollegen kümmere, mit dem ich sonst nichts zu tun habe? Welchen Nutzen hat es, wenn ich mein persönliches Wohlstandsstreben anderen Mensch unterordne? Im engeren Sinne der Funktionalität muss man sagen: all diese Dinge haben keinen direkten Nutzen und ob es einen indirekten Nutzen gibt liegt mehr im Auge des Betrachters als in einer objektiven Bewertung. Hinzu kommt besonders deutlich noch bei den Themen des Umweltschutzes die Bedeutung der Mehrheitsmeinung in der Gesellschaft. Man ist sich weithin einig, dass ein kleiner possierlicher Vogel, nehmen wir den Kagu , den es nur auf der Insel Neukeladonien gibt und der zu unserem gesamten Ökosystem keinen besonderen Beitrag leistet, trotz dieser objektiven Nutzlosigkeit, schützenswert ist. Beim ungeborenen menschlichen Leben sieht das schon anders aus: wenn der Nutzen dieses kleinen Menschen dem Nutzen der Eltern oder der Gesellschaft im Weg steht, fängt die Abwägung an und, Pech für das kleine noch ungeborene Kind: die Mehrheitsmeinung steht nicht voll hinter ihm!
Man sieht also: Wohlstand, Wachstum, Ökologie und Nachhaltigkeit mögen die neuen goldenen Kälber sein, um die unsere Gesellschaft tanzt, als Grundlage für eine Gesellschaftsordnung eignen sie sich aber nur bedingt, weil sie keine stabile Basis haben.
Und an dieser Stelle kommt wie könnte es in diesem Blog anders sein der Glaube ins Spiel. Die finale Rückbindung des gläubigen Menschen ist Gott selbst zugegeben auch das Bild, das man sich im Kopf von ihm und seinen Eigenschaften macht. Gut, wenn man dieses Bild nicht aufweicht sondern auf Basis dessen, was in der Bibel mit Unterstützung des Heiligen Geistes über ihn offenbart wird und sich in der Geschichte immer weiter offenbart hat, festhält. Wie Gott ist, was Gott ist, welche Meinung Gott zu bestimmten Themen hat, entzieht sich vollständig unserem Zugriff. Man mag es missdeuten, aber beeinflussen lässt es sich nicht es ist wie immer bei der Religion die Frage der Wahrheit, die sich hier stellt und von der wir Katholiken glauben, dass sie durch Gottes Dreifaltigkeit, die Bibel, die Kirche und ihre Lehren offenbart wird. Deshalb brauchen Christen keine Begründung für den Schutz des kleinen Kagu, dieser Vogel ist ein Geschöpf Gottes, der seinen Wert schon daraus bezieht, dass Gott ihn gewollt hat. Und natürlich noch weniger brauchen wir ein Argument für das Lebensrecht eines ungeborenen Kindes oder eines kranken Menschen: Gott hat ihn geschaffen, damit erledigt sich jede Diskussion, ob er ein Recht auf Leben hat!
Eine schöne Beschreibung, was das Thema Schöpfung angeht, findet sich übrigens mal wieder im Katechismus der Katholischen Kirche ein paar Absätze möchte ich gerne zitieren ohne sie weiter zu erläutern, sie machen aber vielleicht Lust, mehr darüber zu lesen:
282 Die Katechese über die Schöpfung ist entscheidend wichtig. Sie betrifft ja die Grundlagen des menschlichen und des christlichen Lebens, denn sie formuliert die Antwort des christlichen Glaubens auf die Grundfragen, die sich die Menschen aller Zeiten gestellt haben: ,,Woher kommen wir?“, ,,wohin gehen wir?“, ,,woher stammen wir?“, ,,wozu sind wir da?“, ,,woher kommt alles, was da ist, und wohin ist es unterwegs?“ Die beiden Fragen, die nach dem Ursprung und die nach dem Ziel, lassen sich nicht voneinander trennen. Sie sind für den Sinn und die Ausrichtung unseres Lebens und Handelns entscheidend.
287 Die Wahrheit von der Schöpfung ist für das ganze menschliche Leben so wichtig, daß Gott in seiner Güte seinem Volk alles offenbaren wollte, was hierüber zu wissen für das Heil bedeutsam ist. Über die jedem Menschen mögliche natürliche Erkenntnis des Schöpfers [Vgl. Apg 17,24-29; Röm 1,19-20.]hinaus hat Gott dem Volk Israel nach und nach das Mysterium der Schöpfung geoffenbart. Er, der die Patriarchen berufen, das von ihm erwählte Volk Israel aus Ägypten herausgeführt, geschaffen und geformt hat [Vgl. Jes 43,1.], offenbart sich als der, dem alle Völker der Erde und die ganze Welt gehören, als der, der ganz allein ,,Himmel und Erde gemacht hat“ (Ps 115,15; 124,8; 134,3).
293 Die Schrift und die Überlieferung lehren und preisen stets die Grundwahrheit: ,,Die Welt ist zur Ehre Gottes geschaffen“ (1. Vatikanisches K.: DS 3025). Wie der hl. Bonaventura erklärt, hat Gott alles erschaffen ,,nicht um seine Herrlichkeit zu mehren, sondern um seine Herrlichkeit zu bekunden und mitzuteilen“ (sent. 2,1,2,2,1). Gott hat nämlich keinen anderen Grund zum Erschaffen als seine Liebe und Güte: ,,Die Geschöpfe gingen aus der mit dem Schlüssel der Liebe geöffneten Hand [Gottes] hervor“ (Thomas v. A., sent. 2, prol.). Und das Erste Vatikanische Konzil erklärt:
,,Dieser alleinige wahre Gott hat in seiner Güte und ,allmächtigen Kraft -nicht um seine Seligkeit zu vermehren, noch um [Vollkommenheit] zu erwerben, sondern um seine Vollkommenheit zu offenbaren durch die Güter, die er den Geschöpfen gewährt – aus völlig freiem Entschluß ,von Anfang der Zeit an aus nichts zugleich beide Schöpfungen geschaffen, die geistige und die körperliche“ (DS 3002).
294 Gottes Ehre ist es, daß sich seine Güte zeigt und mitteilt. Dazu ist die Welt geschaffen. ,,Er hat uns aus Liebe im voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen, zum Lob seiner herrlichen Gnade“ (Eph 1,5-6). ,,Denn Gottes Ruhm ist der lebendige Mensch; das Leben des Menschen aber ist die Anschauung Gottes. Wenn ja schon die Offenbarung Gottes durch die Schöpfung allen, die auf Erden leben, das Leben verleiht, wieviel mehr muß dann die Kundgabe des Vaters durch das Wort denen, die Gott schauen, Leben verleihen“ (Irenäus, hær. 4,20,7). Das letzte Ziel der Schöpfung ist es, daß Gott ,,der Schöpfer von allem, endlich, alles in allem (1 Kor 15,28) sein wird, indem er zugleich seine Herrlichkeit und unsere Seligkeit bewirkt“ (AG 2).
299 Weil Gott mit Weisheit erschafft, ist die Schöpfung geordnet: ,,Du aber hast alles nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet“ (Weish 11,20). Im ewigen Wort und durch das ewige Wort, ,,das Ebenbild des unsichtbaren Gottes“ (Kol 1,15), ist die Schöpfung erschaffen. Für den Menschen, der nach Gottes Bild ist [Vgl. Gen 1,26.], ist sie bestimmt; an ihn, der zu einer persönlichen Beziehung zu Gott berufen ist, richtet sie sich. Was uns Gott durch seine Schöpfung sagt [Vgl. Ps 19,2-5.], kann unser Verstand, der am Licht des göttlichen Verstandes teilhat, vernehmen, allerdings nicht ohne große Mühe und nur in einer demütigen, ehrfürchtigen Haltung gegenüber dem Schöpfer und seinem Werk [Vgl. Ijob 42,3.]. Weil die Schöpfung aus der göttlichen Güte hervorgegangen ist, hat sie an dieser Güte teil [,,Gott sah, daß es gut war…, sehr gut“: Gen 1,4.10.12.18.21.31.]. Die Schöpfung ist von Gott gewollt als ein Geschenk an den Menschen, als ein Erbe, das für ihn bestimmt und ihm anvertraut ist. Die Kirche mußte wiederholt dafür einstehen, daß die Schöpfung, einschließlich der materiellen Welt, gut ist [Vgl. DS 286; 455-463; 800; 1333; 3002.].
Damit will ich es, was den Katechismus angeht bewenden lassen, das alles kann und sollte man nachlesen und sich damit ein Bild von der Schöpferkraft Gottes und die Schönheit der katholischen Lehre über die Schönheit und das Gutsein von Gottes Schöpfung zu machen.
Zum Schluss möchte ich noch einen Gedanken teilen, der mir bei dem Vortrag hinsichtlich des Begriffs des Wohlstands kam: die Diskussion ging in die Richtung, was denn Wohlstand im Zeichen der absehbaren Krisen bedeuten kann? Vielleicht müssen wir uns von den Dingen, die wir für selbstverständlich halten und die wir zu unserem Wohlstand zählen, verabschieden? Vielleicht ist der Begriff des Wohlstands in den vergangenen Jahrzehnten in unserer westlich geprägten aus dem Ruder geraten, wenn es heute darum geht, ob man sich auch noch den dritten Urlaub im Jahr leisten können muss (abgesehen von einer größer werdenden Menge Menschen, die auch in unseren Breiten sich nicht mal eine einzige Reise leisten kann). Was sagt denn die Bibel dazu, was Wohlstand ist, was sagt Christus dazu, was Wohlstand ist? In verschiedenen Psalmen (z.B. Psalm 112, 3) wird der Wohlstand ebenfalls zusammen mit dem Reichtum genannt, es wird aber nicht weiter definiert, was das denn ist.
Und was hat Jesus über den Wohlstand gesagt? Man möge mich korrigieren, aber ich habe keine Stelle in den Evangelien gefunden, in denen Jesus sich dazu äußert. Wenn man aber Wohlstand mit dem Wohl der Menschen übersetzt, wenn man das Wohl als ein Geschenk Gottes betrachtet, dass uns selig macht, dann kommt einem eine bekannte Stelle in den Sinn, die allerdings unseren Begriff von Wohlstand vollständig in Frage stellt (man ersetze selig, die analog durch wohl denen)
Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.
Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben.
Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden.
Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.
Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen.
Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.
Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet.
Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn so wurden schon vor euch die Propheten verfolgt.
(Matthäus 5, 3-12)
Und zum Schluss, einfach um sich ein Bild zu machen, und weil er vielleicht auch ein Bild davon sein kann, wie schön Gottes Schöpfung auch im ästhetischen Sinne ist, vor allem auch im Vergleich zum vom Menschen geschaffenen goldenen Kalb, noch ein Bild vom oben genannten Kagu :D
Patrick Alexander Brehm
Interessante Sichtweise! Im Grunde hat jeder Mensch einen Gott. Wer Jesus Christus nicht folgt, wird sich dem Konsum, einem Menschen, der „Selbstverwirklichung“ oder einer Ideologie verschreiben. Und diese Ideologie kann im materiellen Wohlstand, im Wirtschaftswachstum, in der Postmoderne aber auch im Öko-Gutmenschentum bestehen. Gott ist jedenfalls außen vor! Trotzdem finde ich das (auch säkulare) Bemühen der Menschen um Nächstenliebe und Weltverbesserung immer noch positiver als die blinde Zerstörung der Schöpfung durch menschliche Gier außerdem ist z.B. der Diskurs um Nachhaltigkeit eine Umsetzung des Gedankens der Bewahrung der Schöpfung und diskutiert potentielle Handlungsweisen, wie dies geschehen kann. Gelebtes Christentum (am Montag!!) muss sich mit Fragen des Alltags befassen, auch solchen der Gesellschaftskonzeption. Ich meine jetzt nicht Werkgerechtigkeit, die führt in die Irre, aber Glaube ohne Werke ist auch nichts (Jakobus!). Denn es war der Samariter, den Jesus als Vorbild nannte, nicht der Pharisäer… Und ich würde das Kind nicht mit dem Bade ausschütten: Das Problem der Goldenen Kälber entsteht nicht, weil es Kälber sind (sie sind von Gott gewollt und uns anvertraut…), sondern wenn der Mensch sie vergoldet!