Diejenigen Leser, die sich um kirchliche Themen eher wenig kümmern oder in der deutschen katholischen Diskussionswelt nicht so zu Hause sind, mögen vielleicht glauben, in diesem Artikel ginge es um das Eingreifen unserer Kanzlerin in den Streit um das Betreuungsgeld. Und in der Tat hatte ich überlegt, etwas dazu zu schreiben und eine Ausnahme zu machen von meiner Regel, mich nicht zu aktuellen, tagespolitischen Auseinandersetzungen zu äußern (damit fällt man am Ende doch nur auf die Nase und macht sich für die Position eines Politikers stark und wird am Ende daran gemessen, was dieser Politiker sonst noch zu verantworten hat, und das ist bei dem derzeitigen Kreis der Machtinhaber schwer verdaulich): so wie das Betreuungsgeld gerade in den Medien diffamiert wird als Herdprämie, Alt-Emanzen dagegen wettern und auch in scheinbar (!) neutralen Politiksendungen darauf aufmerksam gemacht wird, dass es doch auch Studien gäbe, die darauf hindeuten, dass es für Kinder nicht schlecht wäre, auch Umgang mit anderen Kindern zu pflegen, um gleichzeitig unerwähnt zu lassen, dass es für Kinder nicht nur nicht schlecht wäre sonder schlicht entscheidend ist, eine vernünftige familiäre Prägung zu erhalten und auf die Bezugsperson Mutter oder Vater ganz dringend angewiesen sind, da muss man als Katholik wohl schon mal deutlich werden und darauf hinweisen, dass ein Jahrtausende erfolgreiches Familienmodell nicht nur nicht veraltet ist sondern auch der Schöpfungsordnung entspricht. Aber wie gesagt, wenn ich mich hier für das Machtwort der Kanzlerin stark mache, muss ich am Ende mitverantworten, was die Frau sonst noch so im familienpolitischen Repertoire hat (und beide Augen vor dem Gedanken verschließen, dass das Machtwort wohl nur Ergebnis eines Machtkalküls ist, dass bei Ausbrechen der CSU aus der Regierung und Neuwahlen die eigenen Felle schwimmen sieht).
Nein, das Machtwort um das es hier geht ist das des Papstes, hinsichtlich der sachgerechten Übersetzung des pro multis im Hochgebet in der Eucharistie. Jetzt könnte ich lange ausholen und darüber schreiben, worum es da im Einzelnen geht, aber ich denke, da ist das Schreiben des Papstes an die deutschen Bischöfe, stellvertretend an den Vorsitzenden der Bischofskonferenz schon ganz aussagekräftig und hier http://kath.net/detail.php?id=36256 nachzulesen. Kurz gefragt: gilt, dass im eucharistischen Hochgebet die Worte Jesu, wie sie in den Einsetzungsberichten bspw. bei Markus 14, 22-24 stehen, eins zu eins zu übernehmen sind (Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird.) oder sollte so interpretiert werden, dass ein für alle gemeint ist und dies so auch in das Hochgebet aufzunehmen wäre?
Es geht mir in diesem Beitrag auch gar nicht so sehr um das Kernthema des Schreibens (dazu komme ich auch noch) sondern um dahinterliegende Botschaften. Daher aus dem Schreiben zunächst nur ein kurzer Abschnitt:
In diesem Zusammenhang ist vom Heiligen Stuhl entschieden worden, dass bei der neuen Übersetzung des Missale das Wort pro multis als solches übersetzt und nicht zugleich schon ausgelegt werden müsse. An die Stelle der interpretativen Auslegung für alle muss die einfache Übertragung für viele treten. Ich darf dabei darauf hinweisen, dass sowohl bei Matthäus wie bei Markus kein Artikel steht, also nicht für die vielen, sondern für viele. Wenn diese Entscheidung von der grundsätzlichen Zuordnung von Übersetzung und Auslegung her, wie ich hoffe, durchaus verständlich ist, so bin ich mir doch bewusst, dass sie eine ungeheure Herausforderung an alle bedeutet, denen die Auslegung des Gotteswortes in der Kirche aufgetragen ist.
Roma locuta, causa finita so hieß es früher mal und diese Generalregel stellte sicher, dass sich nicht unterschiedliche Lehren als katholisch ausgeben können wenn Rom, wenn der Vatikan, wenn der Papst (falls sein Eingreifen notwendig ist) entschieden hat, dann ist die Sache gegessen, die anderen haben zu folgen. Nun ist es ja auch nicht so, dass vatikanische Entscheidungen ganz ohne Beitrag der Bischöfe abgeht, aber so vertreten umgekehrt auch die deutschen Bischöfe nur einen geringen Teil der Katholiken der Welt, weshalb ihre Stimme in Rom bisweilen nicht so ins Gewicht fällt, wie sie und bekannte antirömische Laiengruppierungen sich das manchmal wünschen.
Problem bei der Anweisung aus Rom ist nun zweierlei: erstens scheint es ein generelles Problem zu sein mit diesen Anweisungen fragen sich doch oben bereits beschriebene Laien, ob man das denn nicht abstimmen müssen, demokratisch legitimieren und ob man nicht auch das Recht haben sollte, anders zu entscheiden als Rom? Man merkt: eine Frage des Gehorsams, und wer diesen Blog schon mal gelesen hat, weiß, was ich von demokratischen Glaubensentscheidungen halte, nämlich gar nichts! Andererseits mag schon der Einwand berechtigter sein, dass man doch nun über Jahrzehnte im Hochgebet das für alle gebetet habe, und es daher schwer sein könnte, den Kirchgängern zu erläutern, warum denn das nun nicht richtig gewesen sein soll. Unser Papst wäre nicht der er ist, wenn er dieses Argument nicht auch kommen gesehen hätte. Und er weiß auch schon, dass man den Vatikan im Allgemeinen und ihn selbst im Besonderen mal wieder als rückwärtsgewandt, reaktionär brandmarken wird und ihm vorwerfen wird, dass er hinter das 2. Vatikanische Konzil zurück will (was immer das in den Zusammenhang so genau heißen mag). Also schreibt er erläuternd:
[ ]Für den normalen Besucher des Gottesdienstes erscheint dies fast unvermeidlich als Bruch mitten im Zentrum des Heiligen. Sie werden fragen: Ist nun Christus nicht für alle gestorben? Hat die Kirche ihre Lehre verändert? Kann und darf sie das? Ist hier eine Reaktion am Werk, die das Erbe des Konzils zerstören will? Wir wissen alle durch die Erfahrung der letzten 50 Jahre, wie tief die Veränderung liturgischer Formen und Texte die Menschen in die Seele trifft; wie sehr muss da eine Veränderung des Textes an einem so zentralen Punkt die Menschen beunruhigen.
Weil es so ist, wurde damals, als gemäß der Differenz zwischen Übersetzung und Auslegung für die Übersetzung viele entschieden wurde, zugleich festgelegt, dass dieser Übersetzung in den einzelnen Sprachräumen eine gründliche Katechese vorangehen müsse, in der die Bischöfe ihren Priestern wie durch sie ihren Gläubigen konkret verständlich machen müssten, worum es geht. Das Vorausgehen der Katechese ist die Grundbedingung für das Inkrafttreten der Neuübersetzung.
Also an alles gedacht, nicht aber an die Hartnäckigkeit der deutschen Kirche: „Hah, wenn die Katechese Grundbedingung für die Neuübersetzung ist, dann kann ein Ausbleiben der Katechese nur bedeuten, dass die Neuübersetzung nicht in Kraft treten kann!“ Bauernschlau nennt man sowas wohl im Volksmund und riskiert mit der Neuauflage des Gotteslobs lieber einen Bruch zwischen den Diözesen als das man sich darauf einigt, Rom zu folgen. Auch hier nimmt der Papst den Zweiflern aber den Wind aus den Segeln in dem er in einfachen, auch für Nicht-Theologen verständlichen Worten verdeutlicht, wie einfach so eine Katechese sein kann, wenn man denn nicht polemisch argumentiert, Jesus habe sein Blut doch schließlich wirklich für alle vergossen und ob man denn mit der Neuübersetzung jemanden aus diesen allen ausnehmen wolle. Die wie ich finde Kernsätze im Schreiben des Papstes gebe ich gerne noch wieder:
[ ]Das Sein und Wirken Jesu umfasst die ganze Menschheit, Vergangenheit und Gegenwart und Zukunft. Aber faktisch, geschichtlich in der konkreten Gemeinschaft derer, die Eucharistie feiern, kommt er nur zu vielen. [ ]
Zunächst sollte es für uns, die wir an seinem Tische sitzen dürfen, Überraschung, Freude und Dankbarkeit bedeuten, dass er mich gerufen hat, dass ich bei ihm sein und ihn kennen darf. Dank sei dem Herrn, der mich aus Gnad‘ in seine Kirch‘ berufen hat …. Dann ist dies aber zweitens auch Verantwortung. Wie der Herr die anderen alle auf seine Weise erreicht, bleibt letztlich sein Geheimnis. Aber ohne Zweifel ist es eine Verantwortung, von ihm direkt an seinen Tisch gerufen zu sein, so dass ich hören darf: Für euch, für mich hat er gelitten.
Die vielen tragen Verantwortung für alle. Die Gemeinschaft der vielen muss Licht auf dem Leuchter, Stadt auf dem Berg, Sauerteig für alle sein. Dies ist eine Berufung, die jeden einzelnen ganz persönlich trifft. Die vielen, die wir sind, müssen in der Verantwortung für das Ganze im Bewusstsein ihrer Sendung stehen. Schließlich mag ein dritter Aspekt dazukommen. In der heutigen Gesellschaft haben wir das Gefühl, keineswegs viele zu sein, sondern ganz wenige ein kleiner Haufen, der immer weiter abnimmt. Aber nein wir sind viele: Danach sah ich: eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen; niemand konnte sie zählen, heißt es in der Offenbarung des Johannes (Offb 7, 9). Wir sind viele und stehen für alle. So gehören die beiden Worte viele und alle zusammen und beziehen sich in Verantwortung und Verheißung aufeinander.
So lässt sich mit vergleichsweise einfachen Worten darlegen, warum die Neuübersetzung eigentlich keine neue Theologie begründet. Es ist aber in der Tat notwendig, hier den Gläubigen in der Interpretation zu helfen, schließlich sind nicht alle Katholiken regelmäßige Bibelleser oder gar besonders interessiert an liturgischen Fragestellungen. Die korrekte Übersetzung der Worte Jesu ist also der Grund, warum man im Hochgebet nicht einfach das für alle verwenden kann. Von dieser Überzeugung ausgehend, ist dann der Weg frei um zu verdeutlichen, in Predigten, in Pfarrbriefen, vielleicht auch in Impuls- und Diskussionsabenden, wieso dies keine neue Heilstheologie bedeutet. Im Gegenteil bietet diese prägnante Veränderung vielleicht den Anker um die Heilsbotschaft den Menschen, Katholiken wie Nicht-Katholiken, in neuer Form näher zu bringen.
Apropos prägnant: wenn sich Bischöfe, Priester und in der Katechese tätige Laien diese Katechese nicht zutrauen, und wenn sie das Verständnis hierfür der großen Masse der Gläubigen nicht zutrauen, dann sollten sie das Schreiben des Papstes so beantworten, dass man sich nicht in der Lage sähe, am „Jahr des Glaubens“ teilzunehmen. Wenns hier schon hakt, wie will man dann überzeugend unseren Glauben verkünden können.
Also ran ans Werk und keine Ausflüchte mehr: Roma locuta, causa finita!
Papsttreuer
Zur Ergänzung einige Reaktionen der deutschen Bischöfe: http://www.die-tagespost.de/Bischoefe-loben-Brief-des-Papstes;art456,133690