Nachdem meine letzten Einträge eher auf den Blog selbst bezogen waren, möchte ich heute – am Ende meines Urlaubs im schönen Oberbayern – gerne wieder ein Thema aufbringen, dass mir wichtig erscheint. Darauf gekommen bin ich durch den letzten Sonntag, den Dreifaltigkeitssonntag, wo sicher wieder der eine oder andere Gläubige versucht haben wird zu verstehen, was das denn ist: Dreifaltigkeit und im besonderen Maße wird hier immer wieder der Heilige Geist berücksichtigt, dessen Verständnis uns Menschen neben Gott dem Vater und seinem Sohn Jesus Christus ganz offensichtlich am schwersten fällt (dazu hatte ich hier auch schon mal was geschrieben, was hoffentlich für den einen oder anderen hilfreich sein könnte). Was aber ist mit den anderen Personen der Dreifaltigkeit, vor allem derjenigen, die eigentlich am gängigsten sein sollte: Gott dem Vater?
Zu diesem Thema passt auch ein Abschnitt aus der Generalaudienz des Papstes vom 23.Mai 2012 über das Wirken des Heiligen Geistes in unseren Gebeten:
Vielleicht nimmt der Mensch von heute die Schönheit, die Größe und den tiefen Trost, die in dem Wort »Vater« enthalten sind, mit dem wir uns im Gebet an Gott wenden können, nicht wahr, weil die väterliche Gestalt heute oft nicht genug anwesend ist, oft ist sie auch im täglichen Leben nicht positiv genug. Die Abwesenheit des Vaters, das Problem des Vaters, der im Leben des Kindes nicht anwesend ist, ist ein großes Problem unserer Zeit. Daher wird es schwierig, in ganzer Tiefe zu verstehen, was es heißt, daß Gott unser Vater ist.
Was der Papst hier beschreibt ist zunächst mal sicher unstrittig. Ich selbst bin aufgewachsen in einem Haushalt, in dem mein Vater präsent war: wir haben auch mittags gemeinsam gegessen, mein Vater war auch sonst meistens ansprechbar bzw. nur zu den Zeiten über den Tag nicht anwesend, an denen ich selbst als Kind auch nicht zu Hause war, also in der Schule oder mit Freunden unterwegs. Es gab genügend gemeinsame Zeit und auch wenn ich in der Pubertät wie viele auch meine Schwierigkeiten mit dieser Rolle meines Vaters hatte, bin ich doch heute dankbar, dass er immer da war, wenn ich ihn gebraucht habe. Heute bin ich selbst Vater und muss zusehen, dass ich morgens rechtzeitig aus dem Haus gehe, damit auch abends zeitig genug zurück bin um noch mit meinem Sohn Zeit verbringen zu können. Den meisten wird es nicht viel anders gehen, vielleicht ist es in vielen Fällen sogar noch schwieriger, weil sich die gemeinsame Zeit nicht ohne weiteres mit dem Beruf unter einen Hut bringen lässt. Es ist also sicher richtig, die Abwesenheit des Vaters als ein Problem unserer Zeit zu betrachten, besonders weil die Rolle des Vaters in der Erziehung eine ganz wesentliche darstellt, die nicht von der Mutter und auch nicht von Freunden übernommen werden kann und sollte.
Aber was ist diese Rolle, wie sollte dieser Vater denn sein, der uns als Idealbild vor Augen steht? Der Papst schreibt auch dazu etwas sehr erhellendes, wenn er auf die Rolle Gottes als des Vaters eingeht:
Religionskritiker haben gesagt, daß die Rede vom »Vater«, von Gott, eine Projektion unserer Väter in den Himmel sei. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Im Evangelium zeigt uns Christus, wer der Vater ist und wie ein wahrer Vater ist, so daß wir die wahre Vaterschaft Gottes verstehen, die wahre Vaterschaft auch erlernen können. Denken wir an das Wort Jesu in der Bergpredigt, wo er sagt: »Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet« (Mt 5,4445). Und gerade die Liebe Jesu, des eingeborenen Sohnes der zur Selbsthingabe am Kreuz gelangt , offenbart uns das wahre Wesen des Vaters: Er ist die Liebe, und auch wir, in unserem Beten als Kinder, treten in diesen Kreislauf der Liebe ein, der Liebe Gottes, die unsere Wünsche und Haltungen reinigt, die von Verschlossenheit, von Selbstgenügsamkeit, von Egoismus geprägt sind, die den alten Menschen kennzeichnen.
Man muss also aufpassen: wenn ich das Bild, dass ich von meinem leiblichen Vater hier in der Welt habe, auf Gott den Vater übertrage, laufe ich Gefahr, ein falsches Gottesbild zu bekommen, da unser Vater wohl kaum vollkommen wie Gott im Himmel gewesen sein wird. Wenn ich beispielsweise einen eher strafenden Vater habe und nun mit dem Bild Gottes des Vaters diese Strenge verknüpfe, dann bekomme ich vermutlich ein falsches, zumindest ein schiefes Bild unseres göttlichen Vaters. Das gleiche gilt auch, wenn ich einen sehr (vielleicht zu) nachsichtigen Vater habe und nun vermute, dass auch Gott im Himmel so nachsichtig mit mir sein müsste.
Nein, die Projektion muss anders herum laufen: Jesus hat seinen Vater auch als unseren Vater bezeichnet (und übrigens sollte man sich daran halten und diese Bezeichnung geistlich ausschöpfen bevor man auf den Gedanken verfällt, Gott sei doch auch Frau oder Mutter Jesus nannte Gott seinen Vater, sogar Abba also in etwa Papa, und wie kommt man als feministischer Theologe darauf, diese Bezeichnung zu relativieren) und wenn wir selbst Väter unserer Kinder sind, sollte dieser Vater im Himmel das Idealbild auch unserer Vaterschaft bestimmen, das wir vielleicht nie erreichen, das wir aber doch anstreben sollten.
Was für ein Bild vermittelt uns nun die Bibel von diesem Gott-Vater (bitte nicht ins Englische übersetzen, das hat nichts mit dem Paten zu tun)?
Er hat uns Menschen geschaffen aus keinem anderen Grund als der Liebe! Gott braucht uns nicht, aber er will uns, jeden einzelnen von uns, seinen Kindern. Wie wunderbar, wenn man das auch im weltlichen Leben als Vater sagen kann: meine Kinder sind aus keinem anderen Grund außer der Liebe. Das gezeugte Kind dient nicht meiner Selbstfindung, es ist auch nicht dazu geeignet (jedenfalls sollte es nicht so sein), eine vielleicht kriselnde Ehe zu kitten, schon gar nicht als persönliche Altersvorsorge, Statusobjekt oder was man sich sonst noch als weltliche Gründe für ein Kind vorstellen kann. Ein Kind ist ein Produkt der Liebe, ist zu lieben und zwar ganz unabhängig davon, ob es einem gerade recht kommt oder ungeplant und beruflich ungelegen kommen sollte.
Gottes Liebe ist eine unbedingte Liebe: er liebt uns nicht, weil wir etwas Besonderes tun oder können, was bedeuten würde, dass er uns weniger liebt, wenn wir dieses Können verlieren oder dieses Tun verweigern. Das sollte auch für unsere Rolle als Vater gelten: mein Kind hat kein Gefallen an meinem Hobby, ich kann mit seinen Interessen wenig anfangen? Ich liebe es trotzdem, was bedeutet, dass ich dann auch damit anfange, mich mit seinen Interessen zu beschäftigen. Mein größer werdendes Kind wird unausstehlich, wendet sich vielleicht sogar von mir ab? Ich liebe es trotzdem, auch wenn es für eine Zeit lang eine trauernde Liebe sein sollte. Gott tut genau das mit uns, wenn wir uns wieder mal von ihm ab- und den weltlichen Göttern zuwenden.
Gottes Strenge ist eine gutgemeinte Strenge: unser Vater im Himmel ist nicht mit allem einverstanden, was wir so tun. Er weiß um unsere Schwächen und ist bereit, sie zu akzeptieren, solange wir wieder zu ihm zurückkehren, unsere Schwächen und Fehler als solche erkennen oder zumindest zu erkennen versuchen. Und wenn er mit den Dingen die wir tun nicht einverstanden ist, liegt der Grund dafür darin, dass sie nicht gut für uns sind. Die zehn Gebote, Gottes Hinweise im alten wie im neuen Testament darauf, was ihm nicht gefällig ist, sind insofern nicht einfach als unbegründete Verbote zu verstehen, auch nicht als Eingrenzungen, die Gott aus einem Machtwillen heraus vornimmt, sondern als Schutz für unser Leben. Ich möchte jetzt nicht alles zitieren, was Gott uns anscheinend verbietet, aber wir haben alle unsere Themen, die unser Gewissen belasten und wenn es ein gut ausgebildetes Gewissen ist, werden wir auch in der Lage sein, den Schutzmechanismus dieser Gewissensbisse genauso wie den der Gebote und Verbote zu verstehen.
Gott ist immer für uns da: wende ich mich jetzt gleich im Gebet an ihn, hat er sofort ein Ohr für mich. Er hört mir zu, antwortet auch auf die Gebete, oft tut er dies pädagogisch (ich hatte schon mal von den drei Antworten Gottes auf unsere Gebete geschrieben: Ja, Noch nicht und ich habe einen besseren Plan für Dich), sodass wir die Antworten nicht direkt verstehen oder besser nicht verstehen wollen. Aber aus seiner Liebe heraus ist er da, kümmert sich um mich auch und vor allem dann, wenn ich mich von ihm abgewandt hatte. Nirgendwo ist die Rolle des Vaters wohl besser beschrieben als im Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lukas 15, 11 ff) wer wollte nicht so einen Vater haben und wer wollte nicht so ein Vater sein?! Dieser Vater heißt nicht gut, was sein Sohn gemacht hat, aber er nimmt ihn in jedem Fall wieder auf, auch wenn er sich grausam von seinem Vater abgewendet hatte.
Und ein letzter Punkt noch: unser Vater im Himmel ist ich bitte den Begriff richtig zu verstehen stolz auf uns! Er freut sich über unsere Erfolge, leidet mit bei unseren Niederlagen, stützt uns, wenn wir Unterstützung benötigen, lässt uns aber auch alleine gehen, wenn wir das können oder zu können glauben und es von ihm verlangen. Er lehrt uns alles, was wir wissen müssen, bringt uns alle Fertigkeiten bei, die wir benötigen, um unser Leben erfolgreich zu meistern und freut sich bestimmt wie ein kleines Kind, wenn wir diese Fähigkeiten richtig einsetzen. Und wenn wir ihn enttäuschen (wenn man denn Gott enttäuschen kann)? Nun, dann geht er uns entgegen, um unsere Fähigkeit zur Umkehr wissend und wie eben schon beschrieben mit offenen Armen, unser Fallen aufhaltend und uns durch schwere Zeiten der Umkehr tragend. Er sieht uns die ganze Zeit an mit einem Blick der Liebe, wie ihn ein Vater für seine Kinder haben sollte, auch wenn sie über die Stränge schlagen.
Das mag genügen als Betrachtung darüber, was der Vater ist und uns Männern und Vätern als Ansporn und Richtschnur dienen. An diesem hohen Anspruch, vollkommener Vater wie unser Vater im Himmel zu sein, mögen wir manchmal, vielleicht oft, vielleicht zu oft, scheitern, aber dann haben wir vielleicht einen Vater in der Welt, der uns auch unterstützt, ganz sicher aber einen Vater im Himmel, der uns wieder auf den richtigen Weg zurück bringt. Unser Gebet an den himmlischen Vater, uns als Vätern den richtigen Weg zu weisen, wird nicht unbeantwortet bleiben!
Stefan Neudorfer
Da ich als Scheidungskind und danach Halbweise selber weitestgehend ohne Vater aufgewachsen bin weiß ich was einem fehlt, wenn man keinen Vater hat.
Und gerade die Pupertät war schwierig, die Frage wo und wie stehe ich war für mich nicht einfach. Und das obwohl ich das Glück hatte eine sehr liebevolle und engangierte Mutter zu haben. Aber mein Papa, den ich sehr liebte, fehlte mir sehr, bis ich selber Vater wurde.
Kaum hatte ich meine Kleine im Arm – sie war gerade 10 Minuten alt – war ich schon verzaubert und aus meiner eigenen Erfahrung heraus habe ich zuerst mein Arbeitspensum radikal reduziert und Freiräume für meine Kleine geschaffen.
Nun ist die Kleien 6 Jahre alt und wir haben viel Zeit miteinander verbracht, viel wertvolle Zeit die uns niemand mehr nehmen kann. Und dabei habe ich eines gelernt: Es mag so aussehen als würde ich meine Freie Zeit für sie ofpern, aber das stimmt so nicht. Jede Minute mit ihr ist ein Geschenk.
Sie brachte mich zu den verrücktesten Dinge, ja selbst mit dem Skifahren habe ich wieder angefangen, wegen ihr.
Wichtig ist aber nicht nur der Spaß, es gibt auch mehr. Meine Kleine geht seit Jahren mit mir in die Kirche und unsere Pfarrei ist für sie wie eine große Familie. Das tut ihr gut, auch weil sie im Gegensatz zu anderen Kindern in der Großstadt nicht anonym lebt, sondern mit einem sehr großen sozialen Umfeld.
Aber sie lebt auch mit einem Glauben der es ihr erlaubt Frage zustellen und das Leben zu erleben und zu erkundschaften. Das Christentum ist die einzige Religion in der Mädchen als vollwertig angesehen werden, in dem Frauen sich frei entfalten können und Frau bleiben können.
Wenn ich mit Ihrer Erziehung alles richtig mache, wird sie den Glauben kritisch hinterfragen. Damit hat sie vielen anderen Kindern eines voraus: Sie hat wenigstens etwas was man hinterfragen kann. Und Gott wird ihr dabei helfen einen guten Weg zu finden.
Papsttreuer
Lieber Herr Neudorfer, ich danke für die wunderbare Kommentierung und das Zeugnis!