Ab und an schaue ich in meine Blogstatistik, sehe oft keine Besonderheiten, ab und zu mal einen kleinen Ausreißer, der mich hoffen lässt, dass der von mir aktuell verfasste Beitrag besonders gut war vielleicht liegt es aber auch nur an einer geschickt gewählten Tag-Liste, mit der ich den Beitrag versehen habe. Da pendeln sich dann die täglichen Besucherzahlen irgendwo zwischen 30 (am Wochenende und ohne neuen Beitrag) und 70 bis 100 (in der Woche, neuer Beitrag, breit gestreut) ein. Da verschluckt man sich schon, wenn man plötzlich und unerwartet einen solchen Ausreißer entdeckt: 724 Besucher am gestrigen Tag! Erst habe ich an einen Fehler des Zählers gedacht Mist, muss ich beim nächsten Rückblick rausrechen! Oder doch nicht ?
Ein Blick in die Details zeigte mir dann deutlich: da ist was passiert, irgendwann zwischen 10 und 12 Uhr morgens (naja, morgens) hat sich der Blog, genauer der Blogbeitrag zum aktuellen Titanic-Titel wie ein Lauffeuer verbreitet. Da könnte man meinen: endlich wird mein Blog mal gelesen unerfreulich sind aber natürlich Nebenwirkungen dieser Verbreitung. Am Ende des entsprechenden Beitrags kann der geneigte Leser die Kommentare aufrufen, die mich seither erreicht haben, und die ich alle veröffentlicht habe, auch dann wenn sie beleidigenden Inhalts sein sollten. Von der Menge her natürlich nicht viel, sind bei etwa 650 neuen Lesern (nachvollziehbar über ein paar facebook-Accounts, die der Titanic offenbar nahestehen, nur 8 Kommentare bei mir gelandet. Deren Stil lässt allerdings (in Teilen) auf eine Geisteshaltung schließen, die schon erschreckend ist.
Beschäftigen möchte ich mich an dieser Stelle aber mit ein paar im weitesten Sinne sachlichen Kritikpunkten das hier ist zwar der papsttreue.blog, aber ich bin nicht der Papst, und auch er hätte das wahrscheinlich nicht so geschrieben, da muss man für Verbesserungsvorschläge auch offen sein.
So schreibt ein Leser unter dem Pseudonym Weltraumpapst:
Wer privat an übernatürliche Wesen mit Superkräften glauben will, soll das gerne machen – aber dass sich das in irgendwelche Sonderrechten niederschlage soll, ist wirklich nicht einzusehen.
Ich schätze Kollegen Benedikt 00010000 als Intelektuellen, er und seine Anhänger brauchen aber nicht mehr Schutz als andere Personen der Öffentlichkeit, die in der Zeitschrift ebenfalls angepinkelt werden.
Das ist eine Sichtweise, die ich zwar verstehe, aber dennoch nicht teile, und das aus einem einfachen Grund: es kann gut sein, dass die Titanic anderen Personen der Öffentlichkeit in ähnlich ehrabschneidender Weise darstellt, wie auf dem Cover unseren Papst mangels Interesse an diesen Personen fällt mir das aber nicht auf, sodass ich mich darüber auch nicht aufregen kann. Nehmen wir aber mal an, einer der größten Papstkritiker würde in der gleichen Weise abgebildet, so ist das immer noch nicht okay! Ich gehe in meinem Blog sicher mal mit dem einen oder anderen hart ins Gericht, hoffe aber, dabei fair zu bleiben. Der Blog zum Thema des Titanic-Artikels stellt insofern eine Ausnahme dar, dass ich aufzeigen wollte, dass so etwas einfach nicht geht, nicht lustig ist und auch vielleicht ein Merkmal guter Satire? niemandem im Erkenntnisgewinn weiterhilft. So habe ich auch meine als solche bezeichnete Satire das Prädikat lustig und gute Satire schon in der nächsten Zeile verweigert (wobei ich nicht sicher bin, ob das alle Leser kritische wie zustimmende gelesen haben).
Das trifft damit den Kommentar von Hoba:
Ihr Text ist stellenweise wirklich lustig. Doch da Sie das nicht erkennen, liegt genau darin Ihr Problem.
Ich möchte dem Kommentar zustimmen mit einer Einschränkung: ob es mein Problem ist oder nur generell das Problem, würde ich gerne offenlassen. Natürlich, Humor ist unterschiedlich verteilt, und dazu kommt noch, dass jeder eine andere Auffassung davon hat, was lustig ist vermutlich kann man sich darüber kaum oder eben trefflich streiten. Aber nein, ich finde meinen Text nicht lustig, genau so wenig wie das Titani-Cover genau so wenig, wenn es einen anderen Menschen in dieser Weise abgebildet hätte, dem ich eher kritisch gegenüberstehe.
Odins Rache meint (unter anderem):
Wer Satire nicht versteht sollte sich nicht darüber aufregen…denn Satire will auch provozieren und lebt von Subjekten wie „Papsttreuer“, die sich darüber aufregen, dass man sich über einen [ ] Joseph Ratzinger lustig macht.
Mit Verlaub: das ist ein Widerspruch! Natürlich lebt Satire von der Provokation, sonst wäre sie ja langweilig. Und wenn sich niemand aufregte, dann wäre es folglich eine schlechte Satire. Da macht der Hinweis, dass man sich nicht aufregen solle, wenn man Satire nicht versteht, schlicht keinen Sinn.
Ich war früher auch mal Leser der Titanic, habe mir das Lesen nicht deshalb abgewöhnt, weil ich das Magazin damals nicht mehr gut gefunden hätte, sondern weil ich einfach nicht alles lesen kann, was auf den Markt kommt. Damals habe ich auch und nicht zu knapp Satiren über Themen vorgefunden, ob als Bild oder als Text, bei denen ich offensichtlich anderer Ansicht war als der Autor. Damals ist in mir die Überzeugung gereift, dass die Satire nicht alles aber bei allen darf: niemand kann für sich in Anspruch nehmen, dass die Satire ihn nicht aufs Korn nehmen darf! Politiker, Promis oder solche, die sich dafür halten, wichtige Personen der Weltgeschichte dazu würde ich auch den Papst zählen, unabhängig davon ob man ihn und seine Positionen teilt, mag oder verachtet alle genau so wenig wie echte oder vermeintliche Minderheiten wie Christen, Juden, Muslime, Menschen mit Behinderungen, Schwule und Lesben und was sonst da noch gibt, Lehrer, Beamte, Taxifahrer, Versicherungsfritzen (zu denen ich selber zähle – da hatte eine Kommentatorin unter dem Namen Plagiatrice sich die Mühe gemacht, zu recherchieren und daraus eine Gegensatire gezimmert – Respekt!) mir fällt schlicht keine Person ein ich möchte einschränken: keine die nicht Gott ist die nicht Ziel der Satire sein dürfte. Wenn also jemand meint, sich über die Kirche lustig machen zu müssen oder über Christen im Allgemeinen oder den Papst im Speziellen bitte sehr und gerne! Ob ich im Einzelfall darüber lachen kann oder lieber die Faust in der Tasche balle (eben: das wäre das Ziel der Satire) ist was anderes, aber das muss man halt aushalten. Allerdings glaube ich, dass es nicht nur hier sondern für jede satirische Darstellung eine Grenze gibt, die ich versucht habe, im letzten Punkt meines Beitrags mit dem Wort Anstand zu umschreiben. Wikipedia definiert Anstand wie folgt:
Anstand bezeichnet die gute Sitte im Benehmen. Zweck des Anstands ist es, dem gesellschaftlichen Umgang durch Zügelung der individuellen Willkür Formen bereitzustellen, die als Ausdruck grundlegender Wertvorstellungen gelten sollen.
Grundlegende Wertvorstellungen daran mangelt es heute, bzw. an einer gemeinsamen Vorstellung davon, was das sein soll. Vermutlich kann man das nicht definieren, es sei dann, man käme zu einer verquasten Formulierung, die niemand wirklich versteht, geschweige denn als Leitlinie nutzen könnte.
Im Sinne der Satire und ihrer Grenzen hinsichtlich der Religion kann ich aber vielleicht mal ein Beispiel versuchen: Die Idee des fliegenden Spagettimonsters amüsiert mich, persifliert sie doch bestimmte Entwicklungen der Religionen und jeder selbstkritische Christ muss sich überlegen, ob er in einem anderen gesellschaftlichen Umfeld nicht Anhänger dieses Gottes geworden wäre. Ich kann auch über die meisten Monty-Python-Filme lachen. Einige Darstellung des Brian im Leben des Brian sowie seiner Nachfolger (Hebt Eure Sandale und folgt der Flasche!) sind einfach köstlich und jeder selbstkritische Christ sollte sich in Frage stellen, ob er auch einer von denen gewesen wäre, analog zum Beispiel des Weizenkorns, das auf den Weg fällt.
Und die Grenze? Bleiben wir bei Monty Pythons Leben des Brian die Darstellung der Kreuzigung ist für einen Christen nur schwer erträglich. Kreuzigung war zur Zeit Jesu die grausamste und ehrabschneidendste Art, getötet zu werden, und Jesus hat zu unserer Erlösung die Sünden der Welt durch seine Kreuzigung ge- und ertragen. Daraus einen Witz zu machen mit pfeifenden Gekreuzigten ist zumindest mal grenzwertig. Ich glaube aber, auch das muss man als Christ ertragen können, steht er doch Menschen gegenüber, die von dieser Erlösung noch nie gehört haben, vielleicht gar nicht wissen, dass sie der Erlösung bedürfen, da kann man nicht erwarten, dass sie darauf Rücksicht nehmen. Ich zeige diesen Grenzfall deshalb auf, weil ich glaube, dass man sich aber die Mühe machen könnte, sich darüber bewusst zu werden und man es dann doch vielleicht lassen sollte. Hier gibt es auch kein eigenes Hinterfragen mehr, ob ich mich als Christ vielleicht genau so verhalte, wie der Mann, der Brian mit der Begründung folgt, er sei der Messias und ich muss es wissen, denn ich bin schon vielen gefolgt.
Keine Kritik an einem Verhalten, kein In-Frage-Stellen einer Meinung oder Position, kein Hinweis auf einen wie auch immer gearteten besseren, anzustrebenden Zustand? Man kann mich humorlos nennen, aber in diesem Fall bleibt eine beleidigende Darstellung genau das, eine beleidigende Darstellung.
Aus christlicher Sicht könnte man ergänzend aus dem Epheserbrief hinzufügen:
Über eure Lippen komme kein böses Wort, sondern nur ein gutes, das den, der es braucht, stärkt und dem, der es hört, Nutzen bringt.
(Epheser 4,29)
Das klingt nur auf den ersten Blick trocken, denn man kann auch mit satirischen, vielleicht sarkastischen Worten eine hilfreiche Botschaft vermitteln notfalls auch ein Nimm dich nicht so wichtig! (Johannes XXIII.) ohne direkt beleidigend zu werden.
Satire, Sarkasmus bringt mich zum letzten Kommentar, eingestellt vom Dude:
hmm. also meiner meinung nach ist das da oben überhaupt keine satire, sondern eher eine glosse. davon abgesehen ist mir die vokabel „gratismut“ gänzlich unbekannt. kann das grade mal jemand für mich googeln?
Bei solchen Fehlern ärgere ich mich ja tatsächlich über mich selbst also schnell mal das Wort Glosse gegoogelt und folgende Defintion gefunden: ein kurzer und pointierter, oft satirischer oder polemischer, journalistischer Meinungsbeitrag in einer Zeitung oder Zeitschrift. Puh, widerspricht sich also nicht, eine Glosse kann auch eine Satire sein, wobei offenbar der Begriff Glosse für den Beitrag besser passt! Aber es bleibt dann dabei: dann ist es eben eine schlechte Glosse!
Und Gratismut auch davon hatte ich eine Vorstellung, habe mich dann aber doch noch mal auf die Suche begeben und festgestellt, dass der Begriff von Hans Magnus Enzensberger geprägt wurde, laut SZ für stolze Gesellschaftskritiker die sich etwas auf ihre vermeintliche Courage zugutehalten. Den Papst zu beleidigen, dazu braucht es heute keinen Mut mutig wäre es schon eher, das gleiche mit einer Mohammed-Karikatur zu versuchen das Ergebnis bleibt aber auch da: unlustig und bösartig Mut alleine reicht also auch nicht, um eine gute Satire zu sein!
Damian
Vielen Dank für diese Mühe einer differenzierten Auseinandersetzung. Was mich bedenklich stimmt, ist die Erosion gesellschaftlicher Konventionen über die Art, wie eine intellektuelle Auseinandersezung geführt wird. Dass die Anonymität des Internets (siehe Kommentatoren) dazu verleitet, nicht nur die Konventionen der Rechtschreibung, sondern auch, genauso wie die schützende Panzerung eines PKW, die Selbstbeherrschung in der Äußerung von Hass und Zorn fahren zu lassen, ist erklärlich, wenn auch nicht zu befürworten. Eine neue Dimension erreicht dieser Verfall, wenn selbst professionelle Schreiber, die eben keinen Boulevard-Journalismus betreiben wollen, sondern meinen, einen intellektuellen Anspruch zu haben, sich auf diese Ebene begeben, wie wir es soeben bei Titanic und Sibylle Berg erlebt haben.