Der bekennende Christ Dr. Tonio Borg von der Insel Malta bewirbt sich derzeit um den Posten des EU-Kommissars für Gesundheit in der EU. Atheisten-, Abtreibungs- und vor allem Homosexuellen-Lobby haben daher zum Angriff auf ihn geblasen, weil sie vermuten, er würde seine christlichen Einstellungen mit seiner Funktion vermischen. Mal abgesehen davon, dass die Begründungen für die geforderte Ablehnung seiner Person eine Ausgeburt der Intoleranz ist (man stelle sich vor, man würde einen bekennenden Homosexuellen oder Atheisten für dieses Amt ablehnen, weil er seine ideologischen Positionen zu Verhütung oder Geburtenregelung in diesem Amt umzusetzen versuchen könnte?) ist darüber hinaus natürlich die Frage, was denn die christliche Position im Hinblick auf die strittigen Themen eigentlich sind, was eigentlich soviel Angst vor dem christlichen Glauben erzeugt, der doch eigentlich ein Glauben aufgebaut auf Gott ist, der selbst die Liebe ist? Einer der am deutlichsten gemachten Vorwürfe gegen Tonio Borg ist der der Homophobie stellt sich die Frage, was das eigentlich ist, ob der Vorwurf dann berechtigt ist und ob er etwas mit dem Glauben zu tun hat.
Als am vergangenen Samstag Stefan Raab in Schlag den Raab zusammen mit seinem Kandidaten zur Außenwette antrat, musste ich schon im Vorfeld den Atem anhalten: es ging in einen eigens aufgebauten Hochseilgarten, in dem die beiden Mitspieler in luftiger Höhe auf Reifen balancieren, sich auf Seilen entlang hangeln und zu guter letzt über ca. 1 Meter entfernt befestigte Plattformen springen mussten. Ich selbst war auch schon mal in einem ähnlichen Hochseilgarten, habe mich für meine Begriffe gut geschlagen, musste aber irgendwann abbrechen und kriege beim Schreiben über das Spiel im Fernsehen schon eine kleine Muskelverspannung in den Beinen. Ich gebe zu, ich habe Höhenangst, medizinisch auch Akrophobie.
Ich habe, um das noch mal klar zu machen, nichts gegen die Höhe selbst, sie kann ja nichts dafür: was kann ein Berg dafür, dass er Tausend Meter, was kann die Leiter dafür, dass sie zwei Meter hoch und wackelig, was kann die Brücke dafür, dass man von ihr aus zig Meter in die Tiefe schauen und wenn man unvorsichtig genug ist auch fallen kann. Nein, hohe Bauwerke, wie das Subjekt der Höhe selbst, können nichts dafür, dass sie hoch sind und dass ich Angst davor habe. Ich nehme es der Höhe nicht übel und die Höhe nimmt es mir wohl auch nicht krumm wir meiden einander, und dann ist es auch schon gut, so haben die Höhe und ich unseren Frieden gemacht.
Leider stellt sich das gesellschaftlich aber im Moment ganz anders da: denn wie Wikipedia, das Medium für sozialklemptnerischen Neusprech, deutlich macht, gibt es neben der medizinischen auch eine sozialwissenschaftliche und umgangssprachliche Bedeutung des Begriffs Phobie, die in Richtung Abneigung oder Aversion geht. Wenn also die Phobie eine Abneigung darstellt, ich aber gegen die Höhe an sich nichts habe, dann müsste ich konsequenterweise von mir weisen, akrophob zu sein. Andererseits öffnet die unklare Definition von Abneigung auch Tür und Tor für die Interpretationen dieses Begriffs. Mein Unwohlsein in der Höhe kann man ja durchaus auch als Aversion, als Abneigung bezeichnen, damit wären wir dann wieder beim Begriff der Phobie.
Was hat das alles mit dem Thema zu tun, die Bewerbung von Dr. Borg und die Angst der Lobbyisten vor einem Menschen mit christlichen Überzeugungen? Nun, im Blog Geistbraus gibt es einen interessanten Artikel in dem er den Begriff der Theophobie einfügt, den er definiert (hier in Auszügen) als
eine gegen Gott, die Religion oder gottesfürchtige Menschen gerichtete Abneigung bzw. Feindseligkeit. Der Begriff weist auf Angst als Ursache des ablehnenden Verhaltens hin, und zwar nicht Angst vor Gott oder Religionsvertretern, sondern auf eine tiefsitzende, oft unbewusste Angst vor den eigenen unterdrückten religiösen Persönlichkeitsanteilen.
Die Definition ist angelehnt an die Definition der Homophobie, wiederum auf Wikipedia, die die dort zu findenden Definitionen von Phobie oder zum Beispiel Akrophobie, offenbar Lügen strafen. Es ist also nicht mehr die Angst vor jemandem oder etwas, sondern ein abgeneigtes Verhalten, dass so wird unterstellt! aus einer Angst resultiert, so zu sein wie dieser jemand oder dieses etwas. So bedeutet also Akrophobie nicht die Angst vor der Höhe, sondern ist eine Abneigung, die ich gegen die Höhe habe, weil ich selbst im Grunde Angst davor habe, Höhe zu sein klingt reichlich bescheuert und ist es auch. Aber anders kriegt man den Begriff der Homophobie, der eigentlich wohl nichts anderes bedeutet als eine Angst vor Homosexuellen, nicht umgedeutet in das, was man gerne als solches bezeichnen würde: ein aggressives, negatives, diskriminierendes Verhalten gegen Homosexuelle, das aus einer versteckten Angst, selbst homosexuell zu sein, resultiert.
Da heute Menschen als homophob bezeichnet werden, die nicht Angst vor Homosexuellen haben, sondern solche, die Homosexuelle diskriminieren, sich ihnen gegenüber feindlich und aggressiv verhalten (was eher ein Ausweis geringer Angst wäre), dann bleibt als letzter Schritt zum Neusprech nur noch die Umdefintion, was diskriminierendes Verhalten ist. Wenn ich also heute aufgrund der im Alten und Neuen Testament, insbesondere auch in den Evangelien grundgelegten Begrifflichkeit der Ehe, diese auf eine lebenslange, sakramentale Verbindung zwischen Mann und Frau beschränkt wissen möchte, dann verschließe ich dieses Institut vor anderen Beziehungen, beispielsweise solche, die nicht auf das gesamte Leben angelegt sind, die nicht sakramental sind oder eben die nicht auf eine Beziehung zwischen Mann und Frau ausgerichtet ist. Der Logik folgend habe ich also so etwas wie eine Lebensabschnittspartnerschaftsphobie, eine Profanitätsphobie oder und jetzt kommt es – eine Homophobie! Ich habe keine Angst vor Menschen, die in Lebensabschnittspartnerschaften leben, auch nicht vor Menschen, die nicht sakramental heiraten (das würde ja alle evangelischen Ehen betreffen) und auch keine vor schwulen Lebenspartnerschaften. Als Vertreter eines klassischen, biblischen Ehebegriffs bin ich aber stigmatisiert als homophob. Und jetzt Rolle rückwärts: Phobien äußern sich in aggresivem Verhalten und resultieren aus der Angst so zu sein, wie das Objekt, vor dem man vermeintlich Angst hat: mit den Worten des Neusprech diskriminiere ich also Homosexuelle weil ich im Zweifel selbst einer bin!
Solch hanebüchenen Unsinn kann man nur mit Fakten begegnen was sagt denn Christus über die Ehe?
Am Anfang der Schöpfung aber hat Gott sie als Mann und Frau geschaffen. Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen, und die zwei werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.
(Markus 10, 6-9)
Da steht, natürlich, nichts von zwei Männern, die ein Fleisch sein werden oder zwei Frauen. Wenn man bedenkt, wie Jesus mit den staatlichen und religiösen Autoritäten seiner Zeit umgesprungen ist, darf man auch getrost den Einwand vergessen, diese Einschränkung sei der damaligen Zeit geschuldet. Wer heute interpretiert, dass Jesus das mit den beiden Männern oder Frauen sicher auch gesagt hätte, der muss sich entgegenhalten lassen, dass er das eben genau nicht getan hat.
Und was sagt unsere Kirche dazu? Schauen wir in den Katechismus der Katholischen Kirche
2357 Homosexuell sind Beziehungen von Männern oder Frauen, die sich in geschlechtlicher Hinsicht ausschließlich oder vorwiegend zu Menschen gleichen Geschlechtes hingezogen fühlen. Homosexualität tritt in verschiedenen Zeiten und Kulturen in sehr wechselhaften Formen auf. Ihre psychische Entstehung ist noch weitgehend ungeklärt. Gestützt auf die Heilige Schrift, die sie als schlimme Abirrung bezeichnet [Vgl. Gen 19, 1-29; Röm 1,24-27; 1 Kor 6,10; 1 Tim 1,10], hat die kirchliche Überlieferung stets erklärt, „daß die homosexuellen Handlungen in sich nicht in Ordnung sind“ (CDF, Erkl. „Persona humana“ 8). Sie verstoßen gegen das natürliche Gesetz, denn die Weitergabe des Lebens bleibt beim Geschlechtsakt ausgeschlossen. Sie entspringen nicht einer wahren affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit. Sie sind in keinem Fall zu billigen.
Folgt man der eben beschriebenen Logik käme man zu dem Bild von Jahrtausenden homophober Christen, die nichts anderes im Sinn haben, als mit ihrer Definition von Ehe gleichgeschlechtliche Partnerschaften zu diskriminieren.
In der Tat ist es für den einzelnen Menschen gar nicht so einfach, zwischen einer Ablehnung eines Verhaltens als Sünde und der sündigen Person selbst zu unterscheiden. Darum stellt der Katechismus bewusst klar:
2358 Eine nicht geringe Anzahl von Männern und Frauen haben tiefsitzende homosexuelle Tendenzen. Diese Neigung, die objektiv ungeordnet ist, stellt für die meisten von ihnen eine Prüfung dar. Ihnen ist mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen. Man hüte sich, sie in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen. Auch diese Menschen sind berufen, in ihrem Leben den Willen Gottes zu erfüllen und, wenn sie Christen sind, die Schwierigkeiten, die ihnen aus ihrer Verfaßtheit erwachsen können, mit dem Kreuzesopfer des Herrn zu vereinen.
Das beschreibt eigentlich das Gegenteil von Diskriminierung. Wenn das an dieser Stelle gesondert im Katechismus thematisiert wird, dann nimmt die Kirche hier sicher auch zu ihrer eigenen Vergangenheit Stellung, die jedenfalls im täglichen Leben in diesem Thema nicht immer diskriminierungsfrei verlaufen ist; und sie nimmt Stellung dazu, dass in- und außerhalb der Kirche, Homosexuelle nicht selten Opfer echter Verfolgung und körperlicher wie seelischer Unterdrückung wurden und werden. Wer also heute beispielsweise Homosexuelle beschimpft oder im öffentlichen Leben anderweitig benachteiligt, der stellt sich außerhalb der Lehre der Kirche. Das ändert aber natürlich nichts an der Tatsache, dass die gelebte Homosexualität eine Sünde ist, eine Abkehr von Gott. Gott schenkt natürlich Erbarmen, er schenkt Vergebung, aber er verlangt eben auch Umkehr.
Wenn also heute der Kirche und Kirchenvertretern und gläubigen Katholiken vorgeworfen wird, sie diskriminierten Homosexuelle, dann basiert das auf dem Missverständnis dessen, was kirchliche Lehre, was die Lehre Christi eigentlich ist. Es ist insbesondere kein Ausweis der Homophobie, einer Angst vor Homosexuellen, sondern ein Ausweis der Liebe zu jedem Menschen, der sich nach Gott sehnt und für den jeder Christ bis zum Grade dessen eigener Freiheit mitverantwortlich ist, dass er zur Einheit mit Gott gelangt. Wie es für Homosexuelle aufgrund der speziellen Situation im Katechismus weiter heißt:
2359 Homosexuelle Menschen sind zur Keuschheit gerufen. Durch die Tugenden der Selbstbeherrschung, die zur inneren Freiheit erziehen, können und sollen sie sich – vielleicht auch mit Hilfe einer selbstlosen Freundschaft -, durch das Gebet und die sakramentale Gnade Schritt um Schritt, aber entschieden der christlichen Vollkommenheit annähern.
Das gilt, übertragen auf die jeweiligen Situationen, auch für jeden anderen Menschen und seinen Hang zur Sünde. Wäre ich anfällig fürs Fremdgehen, wäre ich ebenfalls aufgefordert, mich von entsprechenden Möglichkeiten fernzuhalten, ich wäre aufgefordert, gegen meinen Hang zu kämpfen. Auch wenn es bei den Sünden rund um das Thema Sexualität oft schwer erscheint, das ganze trifft für jede Feld-Wald-und-Wiesen-Sünde genau so zu. Bin ich also oft versucht, über andere Menschen schlecht zu sprechen, dann bin ich aufgefordert, diese schlechte Angewohnheit, diesen Widerspruch zur guten Nachrede, abzulegen, mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln. Und es ist eben ein Unterschied, ob es mir bei einem Juwelier in den Fingern juckt, ein Collier mitgehen zu lassen, oder ob ich es wirklich tue. Ich selbst bin noch niemandem begegnet, von dem ich Stein und Bein schwören würde, dass er keine Sünde auf dem Kerbholz hat, deshalb bin ich aber nicht Menschen-phob (ich habe kein Wort gefunden, was ausdrückt, was hier gemeint ist).
Wenn überhaupt, dann müssten wir Katholiken als sünden-phob gelten: ich habe Angst (der Begriff ist nicht ganz richtig, wird aber hier hoffentlich richtig interpretiert) vor meinem eigenen Hang zur Sünde, und ich habe eine Abneigung gegen meine eigenen Sünden und auch die von anderen. Bei letzterem liegt der Grund dafür nicht darin, weil sie möglicherweise auch gegen mich gerichtet sind, sondern weil sie die Menschen von Gott entfernen. Das ist die Triebfeder, warum gute Katholiken, Priester, Bischöfe wie auch der Papst nicht müde werden, den Finger in die Sündenwunden dieser Welt zu legen so sollte das jedenfalls sein. Es ist, wenn man also so will, keine Angst vor Homosexuellen sondern eine Angst um Homosexuelle im Spiel, denen die Welt vortäuscht, dass Ihr Handeln schon in Ordnung ist, wo es doch aus Jesu Sicht genau das nicht ist.
Ich weiß schon: all das, was ich hier schreibe, wird viele vermutlich nicht dazu bewegen, mich nicht als in meinen Ansichten homophob anzusehen. Mir bleibt nur, wie jedem Christen, mich und meine Beweggründe in der Ablehnung meiner eigenen und der Sünden anderer zu hinterfragen, auch kritisch zu sehen, wenn ich nicht mehr mit Liebe sondern mit Regeln und Abwehr reagiere, wenn ich den Eindruck zu vermitteln drohe, Menschen zu verurteilen oder ihre Freiheit einschränken zu wollen. Eine Lobbygruppe werde ich, werden wir damit nicht überzeugen, aber vielleicht doch den einzelnen Menschen, den es ja zu Gott drängt und der auf der Suche nach einem Weg zu ihm ist.
Im Fall Tonio Borg ist denn auch die Frage nicht die, welche Einstellung er zum Thema Homosexualität hat, sondern wie er mit dem Thema in seinem angestrebten Amt umzugehen gedenkt oder wie er bislang damit umgegangen ist. Offenbar ist die Presse bislang vergeblich auf der Suche nach wirklich diskriminierenden Äußerungen, die Borg angeblich gemacht haben soll. Dem Anschein nach muss man also feststellen: ob Dr. Tonio Borg ein guter EU-Kommissar wird, hängt ganz offenbar an anderen Kriterien als an seiner konservativ-christlichen Einstellung. Das zu beherzigen wäre ein erster Schritt in Richtung Toleranz, die allenthalben von ihm gefordert wird!
Geistbraus
schön!
Und ja, der Vergleich mit der Akrophobie führt wirklich vieles ad absurdum!
F M
… weil er seine ideologischen Positionen zu Verhütung oder Geburtenregelung in diesem Amt umzusetzen versuchen könnte?)
Das ist doch Blödsinn! Keiner von den Leuten, die Sie hier aufzählen, würde einem anderen verbieten, ohne Kondom oder ohne Pille Geschlechtsverkehr zu haben. Keiner der von Ihnen insinuierten Personen würde einem anderen Menschen irgendeine Verhütung aufzwingen wollen (oder gar KÖNNEN). Wenn die chemischen Kontrazeptiva für alle Personen, unter der Massgabe des Arzneimittelgestzes, verfügbar sind, heisst das ja noch lange nicht, dass die auch irgendjemand schlucken MUSS!
Plan B soll überall verfügbar sein, bedeutet nicht, dass alle Plan B verwenden MÜSSEN.
Umgekehrt wird ein Schuh draus. Die katholische Kirche lehnt jede sichere Art von Verhütung ab und will das allen Menschen aufzwingen, indem zum Beispiel die Einführung von Plan B verhindert wird. DAS ist es, was bei dem Herrn befürchtet wird.
Nicht die gleichgeschlechtlich Liebenden und die Menschen, die für alle eine sichere Verhütung ANBIETEN wollen, wollen auch durchsetzen, dass alle das tun MÜSSEN.
Aber die katholische Kirche will mit ihren Lobbyisten und es wird eben befürchtet, dass der Herr ein solcher ist, allen Menschen die katholische Moral aufzwingen, indem unsere Gesetzbücher nach katholischen Moralvorstellungen geschrieben werden.
Ich muss Ihnen jetzt nicht die ganzen Beispiele aufzählen wo das der Fall ist, von Abtreibung bis Zivilehe.