Wenn ich ehrlich bin, versuche ich mich schon seit einiger Zeit an einem Artikel zum Thema Leiden, ohne recht einen Ansatz gefunden zu haben, wie man diesen denn angehen könnte. Und wenn ich noch mal ehrlich bin: ich habe auch eine gewisse Scheu gegenüber diesem Beitrag gehabt, ist es doch ein Thema, dass für viele eine der Kernfragen des Glaubens darstellt ein falsches Wort von mir mag also den einen oder anderen Leser, der sich noch auf der Glaubenssuche befindet, verwirren. Daher möchte ich gleich zu Beginn sicherstellen, nicht missverstanden zu werden: dieser Beitrag wird ein sehr persönlicher sein, der hoffentlich der katholischen Lehre nicht widerspricht, es gibt aber ganz sicher auch bessere, sowohl theologisch fundiertere als auch menschlich ansprechendere Texte aber dieser hier ist meine Sicht auf die Dinge, und umgekehrt vielleicht hilft es dem einen oder anderen auch, etwas zu diesem unangenehmen Thema zu lesen.
Einer der Auslöser, einen solchen Beitrag zu schreiben, war ein kleiner Disput, den ich mit einem Kommentator im katholischen Gemeinschaftsblog Das Ja des Glaubens geführt habe, in dem ich erklärt habe, die Theodizee also die Frage nach dem Spannungsfeld zwischen einem allmächtigen und liebenden Gott und der Existenz von ungerechtem Leiden in der Welt sei für Christen gelöst, während der Kommentator beharrte, dass sich Jahrhunderte von Theologen an genau diesem Thema die Zähne ausgebissen haben, ohne eine Lösung zu finden. Eigentlich so bin ich versucht mit einem Augenzwinkern zu schreiben ist beides richtig: Theologen also die Wissenschaft um Gott können das Problem nicht lösen, für den gläubigen Christen ist es dennoch gelöst.
Was meine ich damit? Nun, aus theologischer Sicht kann man bspw. ungerechtes Leiden überall in der Welt feststellen nehmen wir nur Krankheiten bei Kindern, Völkermorde im Namen irgendeiner Ideologie und ohne Rücksicht auf die Person der Opfer, Naturkatastrophen etc. Selbst wenn man theologisch zu dem Schluss kommt, dass mit all dem Leiden auch etwas Gutes bewirkt werden kann, so bleibt dann doch die Frage, ob dieses Gute nicht auch durch Gott ohne Leiden hätte bewirkt werden können? Will Gott uns also nicht helfen? Will er im Gegenteil sogar unser Leiden?
Als Laie habe ich zu dem Thema ein bisschen was gelesen, allerdings das muss ich zugeben recht wenig verstanden. Mich einfach darauf zurückzuziehen, dass das Leiden den betroffenen Menschen im Himmel vergolten wird, mag theologisch unter bestimmten Bedingungen sogar richtig sein, bringt einen aber gefährlich nahe in eine Opium-für-das-Volk-Diskussion: Religionen vertrösten die Benachteiligten in der Welt auf ein diffuses Leben nach dem Tod, damit sie nicht aufbegehren!
Was ich aber verstanden habe, ist, dass wir einerseits in einer gebrochen Welt leben: die Schöpfungsgeschichte beschreibt sehr gut, was damit gemeint ist (egal ob man sie für bare Münze oder einen Hymnus auf die Entstehung und Entwicklung der Welt hält): die von Gott geschaffenen Schöpfung war perfekt, die Menschen sind geschaffen für ein Leben auf Du und Du mit Gott. Im Paradies gingen sie mit Gott spazieren ein Bild eines unendlichen Vertrauensverhältnisses, das soweit ging, dass die ersten Menschen nicht mal Scham im Angesicht ihrer Nacktheit empfanden, weder vor Gott noch voreinander. Aber wie anders sieht die Welt nach dem Sündenfall aus, der nichts anderes ist als das Ergebnis des Misstrauens gegenüber Gott die Schöpfungsgeschichte beschreibt, wie Adam und Eva vom Baum der Erkenntnis essen, weil sie annehmen von der Schlange eingeflüstert dass ihnen Gott etwas vorenthalten könnte. Es ist nicht die Frucht an sich, von der sie essen, es ist die Abwendung von Gott, die damit zum Ausdruck kommt, die sie von Gott trennt. Und dieses Abwenden von Gott bringt erst Leid in diese Welt, führt zur Vertreibung aus dem Paradies in eine Welt die der unseren entspricht: mit Leiden, Schmerzen, Tod, Sünden und Hass und dem fortschreitenden Widerspruch und dem Zweifel gegenüber Gott, vor dem sich Adam und Eva nun plötzlich verstecken. So kann man also sagen, dass das Leiden eine Folge der Sünde ist, von Gott nicht gewollt, aber durch den eigenen Willen des Menschen geschaffen und nun einmal in der Welt. Wenn wir also heute diese Welt betrachten, die Ungerechtigkeiten, die ganz zweifellos passieren, wenn wir vielleicht selbst unter Krankheiten, Einsamkeit oder anderen negativen Dingen leiden, dann ist das nichts, was Gott ursprünglich so gewollt hat, es ist eine Folge der Sünde, auch der unseren. Aber Vorsicht: Es ist keine Strafe Gottes! Wir werden nicht krank oder sterben oder leiden anders, weil wir etwas Konkretes getan hätten, das genau diese Strafe verdient. Wir leiden, weil die Welt, und wir in ihr, gebrochen ist ein bisschen pathetisch kann man sagen: Wir leiden mit und für die Welt!
Andererseits ist nichts, was durch Gott zugelassen wird, sinnlos. Eine der Kernthemen von Papst Benedikt XVI. ist die Vereinbarkeit von Glaube und Vernunft. Gott verfällt den von ihm abgefallenen Menschen gegenüber nicht in einen Furor und lässt sie leiden wie gesagt, Leiden ist keine Strafe Gottes aber er ist in der Tat in der Lage aus diesem Leiden etwas Gutes werden zu lassen. An dieser Stelle wird es kompliziert, erstens im Hinblick auf Menschen, die nicht glauben und zweitens vor allem auf Menschen die glaubenslos leiden. Was kann Gott so wird oft direkt in die Vollen gegangen denn Gutes aus dem Mord an 6 Millionen Juden im dritten Reich machen? Was kann Gott denn Gutes machen aus dem Missbrauch durch einen Priester an einem jungen Ministranten? Was kann Gott denn Gutes machen aus dem Tod beider Eltern eines Kindes bei einer Katastrophe oder einem Verkehrsunfall? Was kann Gott denn Gutes machen aus dem jungen Menschen, der unheilbar an Krebs erkrankt ist? Hier im Angesicht unglaublichen Schreckens und ganz konkreten Leidens, das wir vielleicht selbst oder in unserem Umfeld erlebt haben muss die Wissenschaft von Gott, die Theologie, so glaube ich, die Flügel strecken. Es gibt keine wissenschaftliche Antwort auf diese Frage, und ich möchte behaupten, es kann sie auch nicht geben. Denn die Theologie ist eine Wissenschaft, die versucht, Gott zu betrachten und zu verstehen soweit man Gott denn eben verstehen kann, soweit wie wir als Menschen mit unserem begrenzten Vermögen Gott verstehen können.
Was es hier braucht, ist Glauben! Ich glaube, so passt der Beitrag vielleicht ganz gut in das Jahr des Glaubens, dass Gott das kann, dass er aus all den Schrecknissen, die oben beschrieben sind und die wir Tag für Tag in unserem Umfeld und in den Nachrichten erleben, etwas Gutes machen kann: manchmal vielleicht etwas offensichtlicher, wenn ein Mensch über sein Leiden zum Gebet und zu Gott findet, vielleicht sogar er und seine Familie durch das gemeinsame Bestehen des Leidens geheiligt werden. Manchmal aber auch ganz im Geheimnis, das sich uns erst später, vielleicht wirklich erst nach unserem Tod offenbart: Warum das eigene Kind gestorben ist, warum ein Mann eine lange leidensvolle Krankheit erleben musste und doch nicht geheilt werden kann, warum seine Frau ihr Leben für diesen Mann aufopfert ohne dass man es ihr (in der Welt) vergelten würde? Keine Antwort ist gut genug, dass sie wirklich zu trösten vermag jedenfalls dann nicht, wenn man nicht im Glauben steht. Jemandem, der leidet zu sagen, das sei schon gut und irgendwann werde er den Sinn schon erkennen, ist bei einem Menschen, der nicht an Gott glaubt, zwar richtig aber dennoch grausam. Erst der Mensch, der in der Lage ist, zu glauben, darauf zu vertrauen, dass das Leiden einen Sinn hat, der auf Gott vertraut, wenn alle ihm davon abraten und ihm nahelegen, sich von Gott zu verabschieden der Mensch der wie Hiob zwar mit Gott streitet, ihn aber doch als Gott anerkennt und vertraut, dass der es am Ende gut mit ihm meint, erst dieser Mensch glaubt wohl wirklich an Gott.
Ob das ein Ideal darstellt oder wirklich erreichbar ist? Ich muss zugeben, dass ich von ganz extremen Leiden bislang verschont wurde, dieses Leiden nur ab und an in meinem Umfeld sehe. Und dann sehe ich gläubige Menschen zuversichtlich in die Zukunft blicken, beten und auf Gott vertrauen oder eben verzweifeln, weil sie auf nichts als auf sich selbst zurück geworfen sind. Die letzteren mögen nicht nur ein Bild für den Unglauben sein, sondern auch für die Theologie, die keine Antwort geben kann auf die Frage, warum Gott so etwas zulässt. Die ersteren sind ein Bild für den Glauben und für die Gläubigen, für die die Frage der Theodizee eben ganz praxisnah gelöst ist: diese Menschen zweifeln nicht sondern vertrauen darauf, dass es einen Sinn hat, wenn sie leiden, dass es zu etwas gut sein wird, auch wenn sie den Sinn nicht erkennen. Ich war kürzlich beim Begräbnis eines Mannes, der das wohl genau so gesehen hat. Unheilbar erkrankt, hat er zunächst gegen seine Krankheit angekämpft, sie dann aber zusammen mit seiner Ehefrau im Glauben und Vertrauen auf Gott angenommen und ist so ein Beispiel für viele Menschen geworden, weil dieses Leiden seinen Glauben nicht man kann von außen vielleicht nur sagen: nicht nachhaltig in Frage gestellt hat.
So möchte ich meine Antwort verstanden wissen, dass die Theodizee für denjenigen, der wirklich glaubt, bereits gelöst ist. Beten wir für uns, ich bete jedenfalls für mich, dass ich, wenn ich denn einmal in diese Situation komme, genau diesen Glauben bewahre und ganz auf Gott vertrauen kann, vielleicht dann ein Beispiel sein darf für andere, so wie es manche Menschen heute für mich sind, deren Vertrauen dann auch wächst. Vielleicht ist das dann sogar ein guter Zweck des Leidens? Mit der Hilfe Gottes sehe ich das dann hoffentlich genau so!
Im Andenken an Stephan Georg Schmidt, den ich leider nie persönlich kennenlernen durfte, und der doch mit seinem Leben und Sterben einer Predigt des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, wie es Weihbischof Dominikus Schwaderlapp bei den Exequien beschrieb ein Glaubensvorbild für jeden von uns sein kann
Bettina Klix
Danke für diesen Beitrag! Es sind ja oft solche Bruchstücke des Lebens, des Zweifels, die einem hingeworfen werden, im Alltag, zwischen Tür und Angel, als Begründung, warum man sich abkehrte, von der Kirche, von Gott. Ich bin meist nicht darauf vorbereitet. Es ist deshalb so wichtig, das für sich als Christ zu klären!
Dietrich Bonhoeffer hat in seinem Glaubensbekenntnis gerade mit dem Schwierigsten begonnen:
„Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will.“ Durch sein Martyrium sind seine Worte beglaubigt und sie geben Menschen Trost.
Gestalten wie er – und anderes Beispiel: der selige Bernhard Lichtenberg – zeigen, dass aus ihrem Leiden noch heute Gutes entsteht, dass Menschen durch ihr Beispiel zum Glauben kommen, dass sie ermutigt werden, der Stimme ihres Gewissens zu folgen. Deshalb sind die christlichen Märtyrer auch so ein gutes Beispiel, für das Handgreifliche und doch Unbegreifliche dieses Hervorgehens des Guten aus dem Bösen.
Frischer Wind
Sehr schöner Beitrag, vielen Dank.
Ja, für den Gläubigen ist die Thedizee-Frage geklärt. Ein großes, trotz allen Elendes in der Welt frohmachendes Geschenk des Glaubens.