Die armen Christen! Völlig fixiert sind sie, können ihren Blick nicht abwenden, von einem Thema, das viel unangenehmer eigentlich nicht sein kann. Und nicht genug, dass es für sie selbst zu einer quasi fixen Idee geworden ist, sie belästigen auch noch alle anderen mit diesem Symbol ihres Glaubens, das sich so gar nicht als Motivationsinstrument eignet. Worüber ich spreche sollte klar sein: das Kreuz!
Dieses Schandsymbol der römischen Besatzungsmacht im antiken Israel, womöglich noch versehen mit einer plastischen Darstellung des daran genagelten christlichen Religionsgründers davon kann man sich doch nur mit Grausen abwenden! Und doch
Für Christen ist das Kreuz eben nicht mehr das Schandsymbol sondern ein Zeichen für die durch Jesu Leiden und Tod erwirkte Erlösung. Der Tod hat keine Macht mehr über uns, letztlich hat die Sünde im Angesicht des Todes und der Auferstehung Jesu keine Macht mehr über uns! Und die Symbolik geht noch weiter: Jesus hat an diesem Kreuz seinen Peinigern vergeben, sich bei Gott für sie eingesetzt! Die höchste Form der Liebe ist es, das eigene Leben für den anderen zu geben, so hat Jesus es gesagt und uns vorgelebt. Er ist damals nicht für die Heiligen am Kreuz gestorben, sondern für die, die Gott ablehnen, die ihn nicht recht erkennen können, die ihn an dieses Kreuz gebracht haben. Es stimmt, wir haben die Entscheidung selbst in der Hand, dieses Gottesgeschenk anzunehmen, doch er hat es uns in die Hand gelegt! Das Kreuz ist also, neben der Symbolik, die es mit dem christlichen Glauben als Ganzes identifiziert, ein Zeichen vor allem für diejenigen, die das Kreuz ablehnen! Nur scheinbar ein Widerspruch!
Dieses Zeichen des Christentums, aber eben auch dieses Zeichen der Liebe und der Barmherzigkeit, dieses Zeichen der Vergebung Gottes, egal wessen wir uns schuldig gemacht haben dieses Zeichen begleitet mich persönlich durch den Tag, es hängen Kruzifixe in jedem Raum unseres Hauses, ein Kreuz steht auf meinem Schreibtisch im Büro, ein Kreuz hängt (in der Regel) in prägnanter Position der Kirchen, die ich besuche, ich mache ein Kreuzzeichen zum Beginn und Ende meiner Gebete. Das Kreuz als Symbol prägt meinen Alltag und ist insofern tatsächlich ein Instrument der Motivation oder besser, eines, das mir bewusst macht, wer Christus ist, was er für uns alle und mich konkret getan hat, an wen ich da glaube. Und so ein Zeichen der Liebe und Barmherzigkeit ist in einem Gerichtssaal eines Staates, in dem Staat und Religion zwar getrennt sind, der sich aber zu den christlichen Wurzeln (so dünn sie auch geworden sein mögen) bekennt, genau richtig aufgehoben!
Ein deutsches Gericht ist aufgefordert, nach Rechtslage Recht zu sprechen. Dabei hat es sich an den in Deutschland geltenden Gesetzen zu orientieren, die zwar grundsätzlich auf einem christlichen Weltbild basieren, aber keine religiöse Gesetzgebung wie bspw. die Scharia im Islam repräsentiert. Insbesondere in Strafprozessen haben Richter in Deutschland aber einen Entscheidungsspielraum, der ihnen auch die Möglichkeit gibt, im besten Sinne gnädig zu sein und von einem höheren Strafmaß anzusehen, wenn ihnen das angesichts der Tat, des Täters, der Opfer, der Umstände oder der Zukunftsaussichten richtig erscheint. Das Kreuz erinnert hoffentlich den einen oder anderen Richter daran, das letzte Urteile nur Gott zustehen und dass wir alle aufgefordert sind, barmherzig zu sein, auch die Iudikative selbst. Justizia ist blind, so soll ein Bild dieses mythischen Symbols deutlich machen, doch unser Rechtswesen ist eben nicht blind für das, was auch in Gottes Augen recht ist und vielleicht mit Gesetzen nicht abgebildet werden kann.
Letztere Erläuterungen sollten deutlich machen, das mit dem, was das Kreuz repräsentiert, auch ein Nicht- oder Andersgläubiger leben können sollte so er sich denn an das dahinterstehende Welt- und Menschenbild gebunden fühlt. Wer das allerdings nicht tut, wer in einem Kreuz im Gerichtssaal nur ein Symbol der Verflechtung von Staat und Religion zu sehen vermag oder ein Zeichen der Missionierung durch einen nur scheinbar säkularen doch eigentlichen Gottesstaat, der macht sein eigenes Weltbild, entweder eines radikalen Säkularismus oder eines gegensätzlichen Religionsverständnisses, das er durchsetzen will, deutlich.
So sind auch Forderungen türkischer Politiker und aktuell eines Nebenklägers im sogenannten NSU-Prozess zu interpretieren, die die Entfernung des Kreuzes aus dem Gerichtssaal fordern. Bislang, so habe ich es jedenfalls der Presse entnommen, ist das Gericht, dem die entsprechende Entscheidung obliegt, dieser Forderung nicht nachgekommen, und kein Wunder dabei sollte es in meinen Augen auch bleiben. Das Kreuz in dem Gerichtssaal gilt wie oben beschrieben als Symbol der Liebe und Barmherzigkeit, wenn man so will als Korrektiv gegen eine positivistische Gesetzesanwendung. Insofern ist es ein Schutzsymbol sowohl für die Angeklagten wie auch für Opfer und Nebenkläger. Die Türkei verfolgt in ihrer Staatauffassung einen anderen Ansatz, den eines (scheinbar) radikalen Säkularismus bzw. Laizismus, der vielen auch hierzulande nachahmenswert erscheint. Vielleicht sollte man aber auch darüber nachdenken, dass die Bestrebungen der Türkei zu einem Beitritt zur EU mit schöner Regelmäßigkeit auch daran scheitern, dass die Menschenrechtssituation in diesem Staat noch immer sagen wir mal undurchsichtig ist. Und so meine These das nicht trotz sondern gerade wegen einer gewissen Gottvergessenheit in Politik und Justiz (nicht bei den Bürgern dieses Landes).
Ein Richter in Deutschland ist sich ob gläubig oder nicht hoffentlich seiner hohen Verantwortung bewusst, die sich nicht in der kalten Anwendung von Gesetzen erschöpft. Wem dieses Bewusstsein ausgetrieben wird, der entscheidet mechanistisch und hat das Maß der Menschlichkeit verlassen. Das zu verhindern, die Wurzeln von Recht und Rechtsprechung, die in Gerechtigkeit aber auch in Barmherzigkeit und Liebe liegen sollten, zu verdeutlichen, ist Aufgabe und Sinn von Kreuzen und Kruzifixen in deutschen Gerichten. Das hat nichts mit religiöser Rechtsprechung oder einer fehlenden Trennung von Staat und Religion zu tun, aber viel mit dem Selbstverständnis unserer Gesellschaftsordnung.
Das Kreuz gehört dahin, wo es hängt: in den Gerichtssaal. zitiert die BILD den Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, der dafür allerlei Anfeindungen auszuhalten hat. Recht hat er!
Nachtrag: einen Beitrag des Bloggers Josef Bordat, wesentlich differenzierter als meiner, empfehle ich hier gerne zur Lektüre (schon alleine deshalb, weil er meinen Kommentar ebenfalls verlinkt hat :) )
JuergenPB
Solange es nur der Politiker forderte, brauchte das Gericht nicht zu reagieren.
Wenn jetzt ein Nebenkläger, der ja ein Prozessbeteiligter ist, dies fordert, muß das Gericht das Kreuz wohl entfernen.
Vgl. meinen Blogeintrag vor einigen Tagen:
http://kikreukreu.blogspot.de/2013/05/das-kreuz-im-gericht.html
Papsttreuer
Danke für die Aufklärung, ich war der laienhaften Ansicht, dass das Gericht das entscheiden könnte.
Die Titelgleichheit der Beiträge ist übrigens Zufall :-)
Herzliche Grüße und Gottes Segen!
Cinderella01
Interessant an dieser Sache ist, dass die Nebenkläger, die ja von weither angereist sind, während der Tage des Prozesses im Schloss Fürstenried in München wohnen. Das Schloss Fürstenried ist das Exerzitienhaus des Erzbistums München und Freising. Ich könnte mir vorstellen, dass dort auch in jedem Zimmer ein Kreuz hängt … Dazu hat man aber bisher keine Klagen gehört.
Ich weiß allerdings nicht, ob der Nebenkläger, der die Entfernung des Kreuzes wünscht, auch dort gewohnt hat.