Das war er also, der diesjährige Marsch für das Leben in Berlin. Sechs Stunden Anfahrt, sechs Stunden Rückfahrt und etwa sieben Stunden Aufenthalt bei Kundgebung, Marsch und ökumenischen Gottesdienst. Und eine der besten Nachrichten zuerst: es hat sich gelohnt! Alleine schon deshalb, weil mit viereinhalbtausen Teilnehmern rund anderthalb mal so viele wie beim letzten mal dabei waren. Beeindruckend war der Blick über den Vorplatz des Berliner Doms – eine so große Menschenmenge, alle Altersklassen übergreifend, die sich für das Recht auf Leben in all seinen Phasen, besonders aber zu Beginn nach der Zeugung und zum Ende in Alter und Krankheit, einsetzen. Dagegen erschien die Zahl der Gegendemonstranten, obgleich lautstark, bescheidener als in den Vorjahren – wenn man das handgeschriebene Schild zum x-ten mal sieht, verliert man den Glauben, dass der ganze Zug von Gegendemonstranten gesäumt wäre! Neu waren die Proteste ebenfalls nicht, und wie Michael Kotsch, der bei dem Gottesdienst über das Leiden derjenigen predigte, die von einer Abtreibung betroffen sind und die – ob sie Schuld auf sich geladen haben oder nicht – bei Christus Heilung finden können, richtig feststellte: zwischen Mittelalterrufen, Patriarchat und Analverkehr kein einziges Argument, warum die Tötung eines ungeborenen Kindes erlaubt sein sollte!
Die Zeugnisse und Ansprachen vor dem Marsch, eingeleitet von Hartmut Steeb und moderiert von Martin Lohmann, stimmten pünktlich um 13 Uhr auf das Thema ein. Für mich vor allem bewegend das lebensbejahende, eigentlich lebensbejubelnde Zeugnis einer jungen Frau mit Down-Syndrom, sowie zwei Zeugnisse von Frauen, die in der Vergangenheit abgetrieben haben und nach Jahren des Leidens in Christus Vergebung gefunden haben. Wenn eine Frau von ihren drei Kindern spricht, von denen zwei gerade in Ausbildung und Berufung stecken, das älteste die Chance aufgrund der Abtreibung nicht hatte – dann steckt sicher jedem, der mit Kindern zu tun hat, selbst Kinder hat, ein Klos im Hals. Es ist eigentlich jedem unmittelbar einsichtig, dass es sich dabei um ein Unrecht handelt, und doch ist es für viele, wohl die meisten in unserem Land, ein vernachlässigbares Unrecht, das zwischenzeitlich, in dem Versuch, die betroffenen Frauen, die meist in besonderen Not- und Zwangssituationen stecken, nicht mehr zu kriminalisieren, zu einem Recht auf Abtreibung umgedeutet wird.
Es gab auch unter den normalen Teilnehmern einige bekannte „Blogger-Gesichter“, Josef Bordat von Jobo72’s Weblog ist mir über den Weg gelaufen, genau so Peter Winnemöller vom Blog katholon. Leider habe ich sie immer wieder aus den Augen verloren, aber wenn ich das richtig gesehen habe, wird es insbesondere auf katholon in Kürze auch eindringliche Bildimpressionen vom Marsch geben. Und viele Gesichter, die man in den vergangenen Jahren gesehen hat, ob bei den „Offiziellen“ oder bei den Teilnehmern, sieht man auch immer wieder. Es ist eben leider so, dass trotz der steigenden Teilnehmerzahl es doch bundesweit gesehen eine noch kleine Gruppe ist, die sich auf diese Art für das Leben einsetzen. Man wünschte sich, eines Tages zu einem Marsch für das Leben zu fahren ohne realistische Chance, einen alten Bekannten zu treffen.
Bis auf eine kleine Rangelei vor dem Gottesdienst beschränkten sich die Gegendemonstranten wiederum auf das Entwenden von Kreuzen (was an sich für einen Christen schlimm genug ist, aber angesichts der Schärfe der Gegenrede doch nur ein kleines Übel darstellt) und das Anbrüllen der überwiegend schweigenden Teilnehmer des Marsches (an dieser Stelle möchte ich mich dem Dank von Martin Lohmann an die Polizeikräfte anschließen, die umsichtig den Demonstrationszug gegen Aggressionen sicherten – schade, dass das notwendig ist, aber gut, dass die jungen Frauen und Männer des Einsatzkommandos und der Deeskalationsteams zur Stelle waren). Umso mehr muss man sich aber vielleicht Gedanken über die Motivation und Intention der Gegner des Lebens, wie sie sich offenbar sehen (der Ruf „Hätt‘ Maria abgetrieben, wärt ihr uns erspart geblieben“ fehlte auch in diesem Jahr nicht), machen. Man muss annehmen, dass sie das ernst meinen, man muss annehmen, dass sie sich im Recht fühlen, wenn sie meinen, dass ihr Körper – inklusive eines neu gezeugten Menschen – nur ihnen allein gehöre.
Und man fragt sich, woher dieser Hass auf das Leben stammt, den die Teilnehmer des Marsches mit einem Gebet für die Gegner zu beantworten versuchten? Nun, woher der Hass ursprünglich kommt, ist einem Christen wohl klar, und dennoch bleibt man erschrocken zurück, wenn man mit unsäglichen Parolen angebrüllt wird von Menschen, die nicht nur – wie viele – nicht an Gott glauben, sondern auch jeden Respekt vor dem Glauben der anderen und vor dem Leben vermissen lassen? Ist es das Wissen, dass man im Grunde im Unrecht ist, sich das aber nicht eingestehen will, weil man auf keinen Fall seine persönliche Freiheit einschränken lassen möchte, auch nicht von einem Kind? Oder ist es vielleicht bei manchen auch der Schmerz einer bereits durchgeführten Abtreibung, die egal ob bei der Mutter oder beim Vater, Narben hinterlassen hat, die immer wieder aufreißen und sich ohne Christus auch nicht heilen lassen? Letztlich muss ich zugeben: ich weiß es nicht, und die Art des Niederbrüllens von Argumenten und des Nicht-zuhören-wollens macht mich skeptisch, ob es ein gegenseitiges Verständnis überhaupt geben kann. Es ist aber – da machen wir es uns als Christen hoffentlich nicht zu leicht – notwendig, dass wir die Gründe der Einzelnen in unserem Umfeld erkennen, damit wir auf sie eingehen können. Den Gegendemonstranten einfache Boshaftigkeit zu unterstellen ist erstens sicher nicht richtig, nicht christlich und zu allem Überfluss auch nicht zielführend. Es hilft nichts, wir müssen auf die „Feinde des Lebens“, die das im Grunde ihres Herzens wahrscheinlich gar nicht sind, zugehen, verstehen lernen, erfahren, welche Verletzungen, welche „Wunden“ wie sie der Papst in seinem jüngsten Interview genannt hat, es sind, die zu dieser Ablehnung Gottes und der Würde des Lebens führen. Nur wenn wir die Wunden kennen werden wir auch eine Heilung erkennen können – und damit, ganz hart gesagt, das Leben Ungeborener retten, die ansonsten den Verblendungen ihrer Eltern ausgesetzt sind. Das ist auch unsere Verantwortung im Lebensschutz!
Es ist daher gut, wenn zum Ende des Gottesdienstes nicht nur für Lebensschützer und getötete Ungeborene gebetet wurde sondern auch für Menschen, die abgetrieben haben oder Abtreibungen gutheißen, gar ein Recht der Frau auf Tötung des Kindes in ihrem Leib propagieren. Hartmut Steeb hat es zu Beginn des Abschlussgottesdienstes gut ausgedrückt: wir selbst, die Lebensschützer und eine Aktion wie der Marsch für das Leben werden die Verhältnisse nicht ändern; aber Gott der Herr kann es, und ihn können wir um Hilfe bitten und er wird uns hören, wie es in einem Lied des Gottesdienstes hieß: Meine Hoffnung und meine Freude, meine Stärke, mein Licht: Christus meine Zuversicht, auf dich vertrau ich und fürcht‘ mich nicht!
Mit diesem Vertrauen wird auch der Marsch für das Leben im kommenden Jahr – geplant ist er derzeit für den 20.09.2014 – wieder ein Erfolg werden, mit vielleicht noch mehr Teilnehmern und hoffentlich weniger Gegenwehr gegen das Leben! Wir sehen uns dann hoffentlich -so Gott will – in einem Jahr in Berlin!
JuergenPB
Im Prinzip hatte Ronald Regean ja recht: Alle diese Gegendemonstranten sind Leute, die selbst nicht abgetrieben wurden.
Vielleicht sollten sie einfach darüber mal nachdenken.