An diesen drei, mir bislang jedenfalls in dieser Kombination unbekannten Worten entzünden sich derzeit die Gemüter, die die Bischofssynode zu Familien im Vatikan bewerten. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, die Synode in ihrem Verlauf nicht weiter zu kommentieren, und möchte es dabei im Prinzip auch belassen, jedenfalls bis zum am kommenden Wochenende erwarteten Abschlussdokuments dieses ersten Teils der Synode. Nun aber wurde sie vorgestellt, diese Relatio post disceptationem den Titel könnte man mit Bericht nach Diskussionen übersetzen. Es wird also hier dargestellt, welche Positionen in den Diskussionen der Synodenteilnehmer eingenommen wurden, ohne Namensnennung, allerdings mit kleinen tendenziellen Einstreuungen hinsichtlich Mehrheitsverhältnissen.
Es ist also keinerlei Entscheidung damit verbunden, es ist kein Abschlussdokument und noch viel weniger ist es eine päpstliche Äußerung, die damit verbunden ist. Im Gegenteil: Selbst wenn die Synodenbischöfe in großer Mehrheit eine Position vertreten, kann sich der Papst darüber hinwegsetzen, wenn er 2015 oder 2016 ein nachsynodales Schreiben verfasst. Inwieweit er das tun wird (oder aus seiner Sicht tun muss) bleibt bis dahin offen, es sei nur denen ins Stammbuch geschrieben, die bereits jetzt eine Änderung der katholischen Lehre im Jubel oder als Schreckgespenst herbeireden.
Leider ist es mir bislang auch nicht gelungen, den Originaltext dieses Zwischenberichts aufzutreiben (wer eine Quelle hat, immer her damit), so bin ich also auf Presseveröffentlichungen angewiesen, die ganz überwiegend eine eigene Agenda, in den meisten Fällen eine wenig katholische verfolgen. Herausragend und wie ich finde neutral formuliert (wie gesagt ist das ohne Kenntnis des Originaldokuments und Wortlauts schwer zu bewerten) ist dabei die Dokumentation auf Zenit, die sich darauf beschränkt, die Präsentation des Dokumentes durch Kardinal Péter Erdő, wiederzugeben. Hier finden sich die derzeit medial gehypeten Themen wie den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen und Homosexuellen zwar ebenfalls wieder, sind aber offenbar nur zwei Punkt unter vielen gewesen.
So wird dort als dringlichstes Thema die Verkündigung des Evangeliums in der Familie genannt und wer wollte bestreiten, dass es damit zumindest in unseren Breitengraden nicht besonders gut aussieht? Katechese und Vermittlung von Glaubenswissen findet, wenn überhaupt, nur noch in der Schule und für die, die hingehen in der Messe selbst statt. Zuwenig, um jungen Menschen und sich gegenseitig die Schönheit des Glaubens nahezubringen. Und hier in der Glaubenskrise sehen die Synodenteilnehmer eine der Ursachen der Krise der Familien, die sich in ganz vielen Facetten zeigt: Das eheähnliche Zusammenleben vor der Ehe, mangelnde Kommunikation und Krisen in der Ehe, außereheliche Beziehungen, Trennungen, Scheidungen, zivile Wiederverheiratungen.
Trotz der anderen Ursachen hat man sich auch zur Unterstützung von zivil wiederverheirateten Geschiedenen besprochen. Grundtenor laut des genannten Artikels:
Geschiedenen Wiederverheirateten sei mit viel Achtung und Nächstenliebe zu begegnen. Im Hinblick auf die Eucharistie seien teilweise befürwortende Stimmen laut geworden, teilweise die aktuelle Regelung befürwortende, teilweise solche für eine größere Öffnung. Teilweise sei ein vorbereitender Weg der Buße gefordert worden.
Wie ich finde, eine gute Einteilung unterschiedlicher Handlungsalternativen, ohne eine Entscheidung vorwegzunehmen; dabei möchte ich die Alternativen hier nicht diskutieren, ist doch den Teilnehmern der Synode offenbar es handelt sich immerhin um Bischöfe dass man hier über ein Sakrament diskutiert, das man nicht mal eben beiseite wischen kann.
Auch das Thema Homosexualität wurde diskutiert und der Diskussionsstand wie folgt wiedergegeben:
Kardinal Erdö erklärte zu den Homosexuellen, dass sie die christliche Gemeinde bereicherten. Sie seien brüderlich in den Kreis der Gemeinde aufzunehmen. Es stelle eine Herausforderung für die Kirche dar. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften seien nicht mit der Ehe von Mann und Frau vergleichbar. Die Kirche schenke den Paaren ihre besondere Aufmerksamkeit, vor allem den Kindern, die in gleichgeschlechtlichen Familien aufwüchsen.
Das geht soweit ich das überblicke und soweit es hier zitiert wird nicht über das hinaus, was man auch im Katechismus wiederfindet. Eine Verurteilung von Homosexuellen hat die Kirche auch bislang nicht ausgesprochen, wenn auch die Worte hier deutlich freundlicher formuliert sind, als man es gemeinhin aus Kirchenkreisen gewohnt ist. Einen Wandel der kirchlichen Lehre vermag ich daraus nicht abzuleiten.
Ein Begriff hat mich aber besonders angesprochen in der Berichterstattung, der mir in der Diskussion um die typischen Reizthemen der Kirche oft zu kurz kommt: die Gradualität! Kardinal Péter Erdő wird wie folgt wiedergegeben:
Aufgabe der Kirche sei es deshalb, hoffnungsstiftend und sinngebend tätig zu sein. Sie müsse sich der Menschen und ihrer konkreten Probleme annehmen. Wie Jesus Christus müsse die Kirche den Menschen begegnen. Kardinal Erdö erklärte im zweiten Teil der Relatio, dass das Prinzip der Gradualität anzuwenden sei, um schließlich das Ideal zu erreichen.
So verstanden ist jede Hinwendung zu Menschen mit von der Kirche grundsätzlich abgelehnten Lebensentwürfen gut, wenn sie dem Ziel dient, das Ziel zu erreichen, ich würde fomulieren: die Menschen zu Christus zu führen. Und auf diesem Weg gibt es eben graduelle Unterschiede in der Ablehnung der Lehre Jesu oder seiner Anwendung. Bereits Papst Benedikt XVI. vermochte im Interviewbuch Licht der Welt eine höhere Moralität bei einem an AIDS erkrankten homosexuellen Prostituierten zu entdecken, der ein Kondom benutzt, statt andere Menschen noch zusätzlich in Gefahr zu bringen. Von den Medien wurde das damals bewusst missverstanden als neue Lehre hinsichtlich der Empfängnisverhütung und ist dann schnell wieder ausgeschwiegen worden.
Ähnlich sieht man es aber offenbar nun auch in der Synode: Es ist eben ein Unterschied, ob sich jemand leichtfertig von Ehepartner und Familie trennt und schnell neue Beziehungen eingeht und für die nun einen kirchlichen Segen verlangt, oder ob jemand verlassen wird, und sich nach einer langen Zeit der Orientierung für das Zusammenleben in einer Ehe mit einem anderen Partner den Segen der Kirche wünscht. Sakramental geht erst mal beides nicht, es über einen Leisten zu schlagen wird der Situation aber ebenso wenig gerecht. Genau so ist es ein Unterschied ob ein homosexueller Mensch laufend neue sexuelle Beziehungen eingeht oder er in einem eheähnlichen Verhältnis Verantwortung für seinen Partner übernimmt. An der faktischen Bewertung des Aktes der Homosexualität ändert das nichts, aber es erscheint auch nicht vernünftig, beide Situationen gleich zu beurteilen.
Und so liegt in dem Begriff der Gradualität eine Chance und ein Risiko zugleich: Die Chance sehe ich darin, dass man die katholische Lehre, die diese Möglichkeiten immer schon beinhaltet hat, nun auch offensiv nach außen trägt. Niemand muss die katholische Lehre ändern, aber in der Weitergabe des Glaubens, auch im Spagat zwischen der Beurteilung einer Sünde und der Barmherzigkeit gegenüber dem Sünder, haben wir wohl als Menschen alle noch Luft nach oben. Das Risiko dagegen ist der Ausweg in die Beliebigkeit: Sollte man sich entscheiden, dass bspw. eine Wiederverheiratung zwar keinen sakramentalen Charakter bekommen soll, wohl aber unter bestimmten Bedingungen einen Segen der Kirche erlangen kann, wäre die Versuchung für Priester und Seelsorger groß, hier keine ausreichenden Maßstäbe anzulegen sondern in falsch verstandener Barmherzigkeit alles zu segnen was menschlich erscheint.
Auch wenn es so aussieht, ich sei meinem Vorsatz untreu geworden, über die Synode bis zum Abschluss zumindest des ersten Teils nicht zu berichten: Mir erscheint es sinnvoll, auch den weiteren Fortgang und die nächsten Dokumentationen unter diesem Stichwort Gradualität zu bewerten und sich nicht vom Medienhype verrückt machen zu lassen. Und ein bisschen Gebet für die Synode und ihre Teilnehmer und die Kirche als Ganzes das kann sowieso nie schaden, vor allem dann nicht, wenn sie um die Wahrheit ringt, die die Welt bereits zu haben vorgibt!
Anonymous
Die Relatio in (unoffizieller) englischer Übersetzung:
http://press.vatican.va/content/salastampa/en/bollettino/pubblico/2014/10/13/0751/03037.html