Schlüsse von einer Religion als Gesamtheit auf den einzelnen Gläubigen sind nicht zulässig. Aber vielleicht umgekehrt?
Ein Problem, dass ich mit der landläufigen Islamkritik habe ist, dass implizit unterstellt wird, Muslime arbeiteten doch unter der Hand an der Islamisierung inkl. Scharia und allem, was dazu gehört. Da trifft dann der Bannstrahl Millionen von Muslimen in unserem Land, die sich nichts haben zu Schulden kommen lassen, und sie werden in Sippenhaft genommen für die Umtriebe einiger weniger. Ganz unbegründet ist das dabei natürlich nicht, wenn man bedenkt wie muslimische Offizielle mit Fatwas um sich werfen und ganz normale Leute mit dem Tod bedrohen. Nur den vielzitierten türkischen Gemüsehändler von nebenan interessiert eine Fatwa viel weniger als die Champions-League-Ergebnisse.
Trotzdem machen einige Entwicklungen nervös und machen auch Bewegungen wie Pegida und Co. nachvollziehbar. Gerade erst haben zwei offenbar muslimische Attentäter in der Redaktion der islamkritischen, französischen Satirezeitung Charlie Hebdo in Paris ein Blutbad mit mindestens zwölf Toten angerichtet. Und wieder liegen die altbekannten Argumente in der Luft, das habe nichts mit dem Islam zu tun.
Heute ist der neue Weltverfolgungsindex der Organisation Open Doors veröffentlicht worden, der die Verfolgung von Christen in einem weltweiten Negativranking dokumentiert. Und siehe da: 8 der Top-10 Verfolgerstaaten sind muslimische Staaten. Dabei ist es erst mal egal, ob die Verfolgung von einer islamistischen Regierung ausgeht wie im Iran oder islamistische Terrorgruppen dafür verantwortlich sind, wie im Irak oder in Syrien. Zugegeben, es werden dort auch gemäßigte Muslime verfolgt, aber im Wesentlichen trifft es immer wieder Christen, zu denen wir in Westeuropa doch auch eine gewisse Verbundenheit spüren sollten.
Und das alles hat mit dem Islam nichts zu tun?
Seitens dieser Regierungen und Organisationen wird mit dem Koran argumentiert, bei dem gläubige Muslime nicht wie Christen davon ausgehen, dass die heilige Schrift von Gott inspiriert ist, sondern dass die Worte von Allah diktiert wurden. Interpretationen und zeitgeistige Anpassungen verbieten sich damit. Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass jeder Moslem jeder Auslegung des Korans folgt die Welt würde noch mehr brennen, wenn dem so wäre. Daher: Nur weil an manchen Stellen des Korans zu Gewalt aufgerufen wird, heißt das nicht, dass dem jeder Moslem folgt, es heißt nicht mal, dass eine Mehrheit folgt.
Aber wenn diejenigen, die in aller Welt einen Flächenbrand entzünden, sich auf den Islam beziehen, wenn fast überall dort wo der Islam politisch oder faktisch an der Macht ist, Menschenrechte mit Füßen getreten und Andersgläubige mindestens unterdrückt wenn nicht getötet werden, dann ist die Frage berechtigt, warum im Westen lebende Muslime sich auf das Argument zurückziehen, das habe mit dem Islam nichts zu tun? Doch, die Gewalt in vielen Teilen der Welt, die Verfolgung von Christen, der Terror von IS, Al Kaida, Boko Haram etc., islamistische Gewalttaten im Westen, sie haben mit dem Islam zu tun, und sei es eine fulminante Misinterpretation Mohammeds, der selbst der Vorreiter der Islamisierung mit dem Schwert war.
Für uns Christen muss die Frage, wie wir im Dialog mit dem Islam bleiben, Priorität haben. Das sind wir nicht nur den unter der Islamismus leidenden Christen schuldig sondern allen Menschen guten Willens. Die Lösung kann nicht in einer Art Fatwa gegen den Islam liegen, schon gar nicht im Misstrauen gegen alles und jeden, was nach Islam ausschaut. Aus dieser Verantwortung kommen wir als Christen nicht heraus, aber mir wäre deutlich wohler, wenn die Initiative zu einem solchen Dialog gerade jetzt von den Islamverbänden ausginge. Wenn der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, nur weiter darauf beharrt, die ganzen Brandherde auf der Erde hätten nichts mit dem Islam zu tun, dann ist das nichts anderes als eine Absage an einen konstruktiven Dialog.
Auf einer solchen Verweigerungshaltung, und auf der Ablehnung der Politik, das auch als solches zu bezeichnen, gründen islamkritische bis feindliche Bewegungen, denen im Gegenzug der Dialog verweigert wird. Im Gespräch zu bleiben, den Dialog zu pflegen, verhindert Radikalisierungen und Gewalt. Die Bereitschaft zum Dialog muss aber von allen Seiten gezeigt werden, auch von denen, die sich in der Mehrheit oder im Recht fühlen.
Janosch Z
Nun, wären Sie Atheist, könnte ich Ihren Kommentar so akzeptieren und stehen lassen. Da Sie sich aber als papsttreuen Katholiken verkaufen, muss ich Ihnen wohl die Gewaltgeschichte Ihrer eigenen Religion entgegenhalten, wenn Sie hier den verwerflichen Versuch unternehmen, die Religion des Islams selbst als gewalttätig und defizitär gegenüber dem Christentum darzustellen. In Nordirland haben sich Christen noch vor wenigen Jahren aufgrund ihrer Konfession die Köpfe eingeschlagen, die größten Verbrechen der Menschheit sind immer noch von christlichen Staaten ausgegangen. Das alles auch nach der Aufklärung, die man den Muslimen als moderner Christ ja gerne anempfiehlt. Bushs Kreuzzug hat einen Großteil des islamistischen Terrorismus erst erschaffen, Sie haben wirklich keinen Grund in Bezug auf Muslime überheblich zu werden!
Papsttreuer
Sehr geehrter Herr Z,
die Gewaltgeschichte des Christentums ist bei historisch korrektem Hinsehen eigentlich gar keine, aber die Versuchung bei jeder Kritik der Christen an Gewalttaten von Muslimen heute direkt „Kreuzzüge und Inquisition“ zu schreien ist wohl für einen Atheisten ziemlich hoch. Dass die Inquisition eigentlich einen Fortschritt in der Rechtsgeschichte war und die Kreuzzüge erstens nicht gänzlich unberechtigt aber insbesondere nur ein Fliegendreck gegen die Blutbäder waren, die atheistische Diktaturen im vergangen Jahrtausend angerichtet haben, ist vermutlich auch eine etwas unangenehme Wahrheit für einen Christen-Basher.
Sei’s drum, selbst wenn was sie schreiben alles richtig wäre … was hat das dann damit zu tun, dass der Islam aktuell weltweit ein systemisches Problem darstellt, während Leute wie Bush jun. nur Einzelpersonen sind und kaum für sich in Anspruch nehmen können, für die Christen zu sprechen? Die katholische Kirche nimmt bewusst für sich in Anspruch auch aus der Aufklärung gelernt zu haben und distanziert sich von Anbiederungen der Macht, zugegeben nicht überall mit gleicher Vehemenz. Organisierte christliche Gewalt, ein Pendant zum islamischen Fundamentalismus finden Sie jedenfalls in der Ausprägung heute nicht.
Ihnen (ich nehme an, Sie glauben nicht daran, dann kann es Ihnen im Zweifel auch egal sein) Gottes Segen auf Ihrem Weg!
Lemuriel
Und „Bushs Kreuzzug“ ist aus christlichen Motiven erfolgt? So entlarven sich die Ressentiments selbst, werter Janosch. Der Nordirland-Konflikt ist übrigens ein Territorialstreit, ob dieser Landstrich nun zum (historisch protestantischen) Großbritannien oder zur Republik Irland gehören soll. Ein Religionskonflikt sieht anders aus.
Ester
Wir waren in letzter Zeit oft verschiedener Ansicht, aber zu dem obigen Artikel kann ich nur sagen „Zustimmung!“
Papsttreuer
In der Tat waren wir nicht immer einer Meinung, was vielleicht auch sowas wie das katholische Spektrum wiederspiegelt, bei der selbst in der „konservativen Ecke“ so unterschiedliche Positionen Platz haben.
Ich selbst bin allerdings von meinem gestrigen Beitrag nur noch bedingt begeistert – siehe hier: http://papsttreuer.blog.de/2015/01/08/guter-beitrag-19942609/
Gottes Segen weiterhin, beten wir gemeinsam für unsere Kirche und die Christen in aller Welt!
Janosch Z
Dass Sie den Atheismus als Phänomen des letzten Jahrtausendends ansetzen zeigt ihre Verblendung, er ist ein sehr junges Phänomen! Und Bush hatte wohl eine min 50%ige Zustimmung in einem 300Mio Volk aus Christen! Die größten Verbrechen der Menschheit sind aus der abendländischen Kultur heraus entstanden, die die rechten Pegidas gegen den Islam verteidigen wollen. Machen Sie die Augen auf!
Papsttreuer
Verehrter Herr Z,
da haben Sie mich erwischt, gemeint war natürlich das letzte Jahrhundert. Bei der Gelegenheit vielleicht eine Klarstellung: Damit ist nicht gemeint, dass der Atheismus in sich kriegerisch wäre, nur ist es das Christentum in sich auch nicht. Fehlentwicklungen, wie es sie zweifellos auch in der Kirche gegeben hat, dieser zu einer Zeit anzulasten, in der sie schon lange daraus gelernt hat, erscheint im Zusammenhang mit dem islamistischen Terror nicht sachgerecht.
Weiterhin alles Gute und Gottes Segen für Sie!
Lemuriel
Echt? Alle 300 Millionen Amerikaner sind Christen und lassen sich auch nur davon bei ihrer Wahlentscheidung leiten, wodurch Bush quasi priesterliche Befugnis bekommt, für „das“ Christentum zu sprechen? Mein lieber Schwan. Wenn alle Amis und verbündeten Westeuropäer Christen sind, möchte ich Sie aber doch fragen wo dann eigentlich die Atheisten leben. Die müssten sich dann ja logischerweise alle in China oder Nordkorea drängen. Übrigens gab es Atheismus vielleicht nicht als Massenphänomen, aber als Einzelentscheidung zu allen Zeiten, zB beim athenischen Tyrannen Kritias.
Janosch Z
Gibt es nicht eine christliche Gegenbewegung zu Boko Haram, die ähnlich bestialisch tötet, was muslimisch ist, Frauen, Kinder, Alte? Ziemlich aktuell, oder. Und ca. 80% der Amerikaner sind christlich, 4% Atheisten. Noch Fragen?
Papsttreuer
Gibt es eine genuin christliche Gegenbewegung zu Boko Haram? Ich weiß von keiner, aber vielleicht setzen Sie mich in Kenntnis. Dabei sollte es sich aber nicht einfach um Christen handeln, sondern um solche, die sich explizit im Terror auf die Bibel, besser noch auf den katholischen Katechismus beziehen. Es sollte einem doch schwerfallen, die Erstanwendung von Gewalt mit den Worten Jesu zu rechtfertigen.
Etwas prägnat gesagt: A…löcher gibt es unter allen Bekenntnissen, schwierig wird es erst, wenn die sich auf ihr Bekenntnis berufen. Oder persönlich: Nicht alles, was ich tue, ist christlich und ich würde mich nicht in allem auf meinen Glauben oder die Kirche berufen. Etwas anderes ist meine Verantwortung, ein christliches Zeugnis zu geben, dafür bin ich aber vor meinem Schöpfer verantwortlich.
Janosch Z
Achherrje, bei Christen sind es Abtrünnige, bei den Muslimen ist es systembedingt. Das würde ich Hasspredigt nennen! Auch die Kreuzzüge, der letzte noch von Bush durchgeführt, bedienen sich einer Verteidigungsrhetorik, damit die Gewalt religiöse begründet werden kann. Kein Unterschied zwischen Muslimen und Christen.
Papsttreuer
Nein, nicht Abtrünnige, die Frage ist, ob jemand argumentiert, er seie Christ und greift deshalb zur Gewalt, oder ob jemand zur Gewalt greift, obwohl er Christ ist. Da liegt der Unterschied. Das zu übersehen ist in der Tat Hasspredigt gegen jede Religion, auch die Muslime.
Landschaft & Oekologie
Der furchtbarste Gottesstaat der Geschichte
Dieser Beitrag ist off topic, es geht also nicht, wie sonst, um mein eigentliches Thema ?Landschaft und Ökologie? und auch nicht um den Naturalismus. Ich weiche aus gebotenem Anlaß davon ab. Zur Zeit geht eine Welle der Islamfeindlichkeit durch d…
Laurentius
Ich denke, der Unterschied zwischen Islam und Christentum ist die Bewertung von Gewalt. Während Christen aufgrund der alttestamentlichen 10 Gebote sowie durch das Doppelgebot der Feindes- und Nächstenliebe die Anwendung von Gewalt immer als fundamentales Versagen vor den Ansprüchen Gottes angesehen werden muß, kennt der Koran diese Gebote nicht. Er ruft vielmehr zur Anwendung von Gewalt für den Sieg des Propheten auf.
Wenn ich die Worte Jesu wörtlich nehme, werde ich im schlimmsten Fall ein unverbsserlicher Pazifist.
Wenn man den Koran wörtlich in die Tat umzusetzen versucht, tja dann …
Falls noch nicht geschehen, empfehle ich Ihnen dringend die Lekture des Korans.
Attila Varga
Das Thema Christenverfolgung-egal ob in der islamischen Welt oder anderswo-ist kein Thema.
Im Biafra-Krieg, also auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, unterstützten sowohl NATO-Staaten (vor allem Großbritannien und die USA)als auch die UDSSR die nigerianische Armee und Fulbe&Hausa-Milizen, aus denen Boko Haram hervorgehen sollte. In jüngster Zeit wurde der Film Cristiada, der die Christenverfolgungen der „aufgeklärten“, „modernen“ mexianischen Präsidenten Calles thematisiert, de facto auf den Index gesetzt. Die Begründung lautete a)der Film ist nicht gut b) zu gewalttätig-ich bin wirklich erleichtert, dass in den Kinos und im TV weiterhin keine schlechten oder gewaltätigen Filme gezeigt werden…