Die zweite Aushebelung der Demonstrationsfreiheit in Sachsen ist in zweierlei Hinsicht ein Skandal – suchen Sie sich einen aus.
Als vor drei Wochen die Pegida-Demonstration in Dresden aufgrund von Drohungen gegen den Veranstalter verboten und dann auch abgesagt wurde, war der Aufschrei noch groß – ist die Demonstrationsfreiheit noch das Papier wert, auf dem sie steht? Auch ich hatte mir hier Gedanken gemacht, da es doch so aussah, als wolle man einem islamistischen Mob nachgeben.
Jetzt ist die zweite Demonstration verboten worden, diesmal beim offenbar radikaleren Pegida-Ableger „Legida“ in Leipzig, jedoch ohne offenbare Bedrohungslage, sondern weil – wie der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) äußerte – nicht genügend Polizeikräfte für einen ordnungsgemäßen Ablauf zur Verfügung stünden. Das sächsische Innenministerium hat diese Angaben inzwischen dementiert, es stünden 1.000 Polizisten zur Verfügung, die Stadt Leipzig sei nun aufgefordert, die Bedingungen des Demonstrationszuges entsprechend zu gestalten. (siehe einen entsprechenden Beitrag der Welt hier)
Das Problem ist aber eigentlich nur: So oder so ist es ein Skandal und ein Armutszeugnis für Leipzig und/oder Sachsen. Denn es gibt doch nur zwei mögliche Erklärungen für das Verbot. Entweder der Hinweis auf fehlende Polizeikräfte ist lediglich ein Vorwand um eine politisch nicht opportune Demonstration abzusagen. Das scheint naheliegend, bedeutet aber nur, dass hier eine Verwaltung tatsächlich das Grundgesetz mit Füßen zu treten bereit ist. Der Rücktritt des Leipziger OBs wäre dann wohl das Mindeste, was man erwarten dürfte. Mehr noch sollten wir als Zivilgesellschaft dann aber aufmerksam werden und unseren Volksvertretern umso mehr auf die Finger schauen und notfalls hauen. Demonstrationsfreiheit nur für gewünschte politische Ziele: Das konnte Erich Honecker auch schon!
Die zweite Möglichkeit wird weniger diskutiert, ist aber mindestens so dramatisch: Was, wenn es dem Staat tatsächlich nicht gelingt, eine Demonstration zu sichern? Was wenn der Staat den Aufgaben, zu denen er durch sein Gewaltmonopol verpflichtet ist, nicht mehr gerecht werden kann? Es ist ohnehin schon bedenklich, wenn eine Demonstration, die eigentlich nur angemeldet werden müsste, auf dieser Grundlage verboten wird – man wird in den kommenden Monaten sicher beobachten dürfen, ob ein solches Verhalten dann auch für andere Demonstrationen gilt, oder ob da das Bemühen ein bisschen größer wird. Ein Staat aber, der seinen Bürgern nicht nur verbietet sondern ihnen schon abgewöhnt hat, für ihre eigene Sicherheit selbst zu sorgen und nun nicht mehr in der Lage ist, diese herzustellen – ein solcher Staat und ein solches Gewaltmonopol hat abgewirtschaftet.
Sollte der Leipziger OB Recht haben, dann sollten wir wiederum auf ein Verbot oder eine Genehmigung nichts mehr geben, dann ist es Zeit, ohne staatlichen Schutz auf die Straße zu gehen und die verantwortlichen Volksvertreter vom Hof zu jagen. Dann sollte es aber auch nicht mehr um das Thema Islamisierung oder nicht, Fremdenfeindlichkeit oder Rechtsextremismus gehen, dann geht es um die Grundlagen von Politik und Gesellschaft.
Wie man es auch wendet, man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um hier zu riechen, dass etwas faul ist im Staate Sachsen, der letztlich wohl auch nur ein Beispiel ist für den Zustand der Bundesrepublik!
Peccator quidam
Hoffentlich kommt es nicht im großen so, wie es vor einigen Jahren an der Marburger Universität geschah: Der Präsident, der in der Kritik stand, wollte ein von Studenten und Dozenten besetztes Institut von der Polizei räumen lassen. Das kann man in Ordnung finden — allerdings schützte er dafür Brandschutzgründe vor!
Als das nichts fruchtete, erging ein Erlaß vom — wenn ich mich richtig erinnere — Kanzler, der politische Aushänge in der Philosophischen Fakultät wegen der Brandgefahr verbot; amtliche Aushänge aber und solche, die von den Dekanaten erlaubt waren, durften weiterhin überall aufgehängt werden; die Erlaubnis sollte nach inhaltlichen Gesichtspunkten erfolgen. Anscheinend machen Dekanatssiegel Papier unbrennbar.
Das haben damals alle geschluckt.
Papsttreuer
Danke für diesen Kommentar. In der Tat ist es notwendig, solche Entwicklungen zu beobachten, und sich nicht vom staatlichen Gewaltmonopolisten allzu abhängig zu machen.
Gottes Segen!
LePenseur
Exzellent auf den Punkt gebracht!
Schon in der DDR wurde ja nicht Zensur geübt, aber wer dächte denn bloß an sowas; doch nicht in der Deutschen Demokratischen Republik! Es erging einfach eine Streichung der Publikation von der »Liste der Postzustellungen«, und damit ging’s auch.
Schon in der DDR waren die Wahlen frei und geheim — ja, wie denn sonst in der Deutschen Demokratischen Republik! Es wurde bloß von der Wahlkommission im Verwaltungsweg verfügt, daß ein Stimmzettel ohne explizite Gegenstimme zum »Demokratischen Block« eine gültige Stimme für diesen ist, und man beobachtete (mit dezentem Vermerk auf der Wählerliste), wer in die Wahlkabine ging — und damit ging’s auch.
Offenbar ist es jetzt bald wieder so weit …
Papsttreuer
Danke für das Kompliment, den Kommentar und die Verlinkung!
Gottes Segen!
Attila Varga
Ich bin kein großer Freund der römischen Republik, aber zweifellos besaß sie einige bewunderungswürdige Traditionen. Der Cursus Honorum verlangte von den zukünftigen Senatoren, sich in Verwaltung und Heeresdienst hochzudienen, damit sie wußten, wie Stadt und Staat funktionieren. Es gab keine Polizei. Ein Bürger sollte in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen; wollte ein Beamter einen Verbrecher verhaften, so forderte er einfach die Bürger in Rufweite auf, ihm zu helfen. Später wurde Rom immer mächtiger und reicher, die feige und faul gewordenen Weltbeherrscher bezahlten andere dafür, sie vor fremden Barbaren und einheimischen Gesindel zu schützen. Und wie endete das Ganze?
Eines schönen Tages im Jahre 476 sah sich ein Haufen Barbarensöldner um und bemerkte, dass in Rom, Ravenna usw. niemand in der Lage war, sich selbst, seine Familie und seine Heimat zu verteidigen. Also trat der Anführer der Söldner, Odoaker, vor den Thron und sprach (sinngemäß) zum letzten Kaiser „Eh, Kleiner, du sitzt auf meinem Stuhl!“ Der Kleine erhob sich politisch korrekt von seinem Hintern, entschuldigte sich, ging und beantragte Sozialhilfe…so enden Zivilisisationen, die vergessen, dass man selbst für sich sorgen muss.
Papsttreuer
Danke für den kleinen präganten Ausflug in die Geschichte. Wobei ich noch eines einschränken würde: Verteidigung zu delegieren an Menschen, die sich mit sowas auskennen, kann ein Gebot der Vernunft sein. Verteidigung an einen Monopolisten auszulagern ist es dagegen nie.
Gottes Segen!