Wenn die Frage ist, welcher „Sauerteig“ heute gefährlicher ist, dann kann in Deutschland die Antwort wohl nur heißen: Der des Herodes!
Wer das heutige Tagesevangelium liest, wundert sich vielleicht über die Begriffstutzigkeit der Jünger Jesu, die meinen, er sorge sich um zu wenig Proviant, wenn er sie auffordert: „Gebt acht, hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und dem Sauerteig des Herodes!“ (aus dem Tagesevangelium Markus 8,14-21). Jesus weist sie zurecht und macht ihnen klar, dass sie, wenn sie ihn bei sich haben, um derartige Dinge nicht sorgen müssen. Ich habe zu diesem Text schon einiges an Interpretationen gelesen, in denen es meistens darum geht, wie wichtig das Vertrauen auf Gott und wie nichtig die Sorgen dieser Welt sind.
Dem mag ich aber nur bedingt folgen, denn der oben zitierte Satz Jesu ist doch recht deutlich und hat – da bin ich sicher – auch heute Bedeutung. Natürlich ist richtig, dass die weltlichen Sorgen uns nicht zu sehr belasten sollten, aber die Kernaussage ist doch eine andere: Es geht Jesus offensichtlich nicht in erster Linie darum, sich nicht um Brot zu sorgen, sondern das richtige Augenmerk auf den „Sauerteig“ der Pharisäer und des Herodes zu legen. Aber was genau ist nun damit gemeint? Übersetzen könnte man die angesprochenen Problemfelder vielleicht mit religiöser Heuchelei auf der einen und der Zuwendung zur Weltlichkeit auf der anderen Seite. Die Pharisäer sahen sich nicht selten den Vorwürfen Jesu ausgesetzt, zu viel Augenmerk auf die Äußerlichkeiten der Religionsausübung und zu wenig auf die Menschen zu legen. Dieses Risiko besteht sicher auch heute: In der scheinbaren Sicherheit von Rubriken des Messbuches werden da Häresien ausgemacht, bei denen ich mich – und ich lege schon selbst Wert auf eine gute Messfeier – frage, ob wir denn sonst keine Probleme haben. Wer beobachtet, wie in einschlägigen Foren darüber gestritten wird, ob die Handkommunion nur eine Ausnahme darstellen sollte (was formal sicher so ist) und man also die Mundkommunion zu bevorzugen habe (was ich selbst tue, wovon ich aber keine Forderungen an andere ableite), während sich außerhalb solcher Zirkel der Glauben weiter auflöst, kann man sich schon die Frage nach dem richtigen Schwerpunkt stellen.
Derlei Fragen sind für „die Welt da draußen“ ohnehin von eher akademischer Bedeutung. Ganz anders dagegen der Sauerteig des Herodes, der so etwas wie ein weltliches Gegenstück zum Sauerteig der Pharisäer darstellt. Für Herodes gilt der Glauben gar nichts, ihm geht es um Machterhalt und persönliche Vorteile. Alles, was diesem Anspruch genügt, wertet er darum positiv. Wenn er Jesus sterben lässt, wenn die Pharisäer mit den Herodianern gegen Jesus gemeinsame Sache machen, dann weil der Tod Jesu für Herodes weltliche Vorteile verspricht. Und ohne den Sauerteig der Pharisäer unterbewerten zu wollen, scheint doch dieser Sauerteig im Moment besonders bedeutsam. Das ist er spätestens dann, wenn Glaubenspositionen zugunsten weltlichen Wohlwollens aufgegeben werden sollen. Man erinnere sich an die Diskussion um die Beratung von Frauen im Schwangerschaftskonflikt zur Legitimation einer Abtreibung. Viele Bischöfe wollten diesen Weg gehen und erst das beherzte Einschreiten des Papstes hat diesen weltlichen Weg verschlossen. Man erinnere sich an die Diskussionen um die Programmpolitik des ehemals kirchlichen Weltbild-Verlags, bei der man auf dem Altar des wirtschaftlichen Erfolgs meinte, moralische Bedenken wegen „Sachzwängen“ beiseite schieben zu können.
Und gerade aktuell erleben wir, wie ein evangelischer Pastor wegen seines Eintretens für den einzig wahren Glauben im Feuer steht, nicht nur von evangelischen Würdenträgern kritisiert wird, wie sich auch die katholische Kirche in Tagespolitik – Stichwort Pegida – einmischt und die berechtigten Sorgen der Menschen aufgrund eines aufkeimenden Islamimus, dem in Deutschland nicht nur Karnevalswagen und -umzüge zum Opfer fallen, abwertet, um innerweltlich Punkte zu sammeln. Und – da es mich persönlich betrifft – wir sehen wie die Caritas gegen das Betreuungsgeld Stimmung macht, weil sie als größter Anbieter von Kita-Leistungen von der politisch vorherrschenden Tendenz zur U3-Betreuung profitiert und wie auch katholische Kindergarteneinrichtungen mit dem Argument, bei manchen Kindern sei doch die Unterbringung in einer Kita besser als die zu Hause, keine Wahlfreiheit mehr hinsichtlich des Eintrittsalters bieten und den eingeschlagenen gesellschaftlichen Weg auch noch kirchlich legitimieren. Der Beispiele der Anbiederung an Welt- und Zeitgeist gibt es viele, ich habe nur ein paar genannt.
Ich gebe zu, es klingt zu einfach und ist vielleicht auch angesichts des Bemühens vieler ihrer Mitglieder, Bischöfe wie Priester wie Laien, zur Neuevangeliserung auch zu pauschal, aber in erster Linie die Warnung Jesu vor dem Sauerteig des Herodes scheint für die Kirche in Deutschland von echter Brisanz zu sein. Der Zustand der „Institution“ katholische Kirche kann in Deutschland eigentlich nur als verweltlicht bezeichnet werden (ein Urteil, das auch Papst Benedikt in seiner Freiburger Rede so angedeutet hat, wenn es auch viele nicht hören wollen). Den Sauerteig der Pharisäer, dessen Bedrohung von vielen sogenannten progressiven Kräften an die Wand gemalt wird, sollten wir alle, die eine Vorliebe für die Liturgie und den Wortlaut des Katechismus haben, nicht unterschätzen. Aber das drängendste Problem der Jünger Jesu in Deutschland ist der Sauerteig des Herodes, der eben nicht nur die Welt sondern auch die Kirche zu durchdringen sucht.
Siegfried Simperl
Die Gesellschaft heute, die Freiheit, nicht anderes und nicht mehr als die bloße Erweiterung unserer Optionen meint, führt geradewegs in eine schrankenlose Gesellschaft, die am Ende, wenn überhaupt, nur noch durch repressive Gewalt staatlicher Organisationen zusammengehalten werden kann. Am Rande sei angemerkt, dass dieser Gedanke, ob gewollt oder nicht, die freie Übersetzung eines griechischen Textes des vierten Jahrhunderts vor Christus ist.
Wie reizvoll und erhellend wäre es doch, dem Geist Jesus, den ich meine …“ mehr nachzuspüren, nicht den verworrenen Parolen in der dekadenten westlichen Zivilisation, irgendwo herumtorkelnd zwischen der Meinungs- und Pressefreiheit für Charlie Hebdo und Co. Heute wird man als Fundamentalist verschrien: Man muss doch mit der Zeit gehen, der Welt und dem Zeitgeist gegenüber aufgeschlossen sein.
Fundamentalist gehört heute zu den beliebtesten Verbalkeulen des relativistischen Zeitgeistes, vorzugsweise angewandt gegen Lebensschützer und andere konsequente Verfechter christlicher Werte und christlichen Glaubens.
Papsttreuer
Danke für den Kommentar,
in der Tat ist das „Herumtorkeln“ zwischen den Ansichten des Zeitgeistes ein Problem – aus meiner Sicht jedoch nicht das Propagieren von Meinungs- und Pressefreiheit. Es gilt für uns nur, diese Freiheit auch zu nutzen und uns nicht einschüchtern zu lassen von denen, die bestimmen wollen, was von der Meinungsfreiheit gedeckt ist und was nicht. Die eigene Schere im Kopf wird so zu einer akzeptierten Einschränkung der Meinungsfreiheit, die eigene (vermeintliche) Rücksicht, niemanden vor den Kopf stoßen zu wollen wird erst zu einem „das sagt man nicht“, bevor es zur wirklichen Einschränkung wird.
Ich kann generell damit leben, dass jemand meinen Glauben nicht teilt und sich auch darüber lustig macht, ich glaube nicht, dass wir einen Gesetzgeber brauchen, der Religionen vor so etwas schützt. Kritisch wird es erst, wenn ich meinen Glauben nicht mehr verkünden darf, weil dessen Inhalte – im Gegensatz zu seiner Verächtlichmachung – nicht dem Zeitgeist entspricht.
Gottes Segen!
Rosemarie Steins
Dann wird es nicht mehr kritisch, dann ist es zu spät.