#Varoufake: DAM – Dümmste Anzunehmende Mediennutzer

Lesezeit 4 Minuten

Bei der Berichterstattung um #Varoufake frage ich mich, bis zu welcher Potenz das Gehirn eigentlich Fakes, gefakete Fakes, gefakete Fake-Fakes … noch verarbeiten kann.

Haben Sie noch den Überblick? Erst Jauchs Talkshow mit dem griechischen Finanzminister, der sich über ein ihn zeigenden „Stinkefinger“-Video erregt. Das sei eine Fälschung, ein Fake! Dann die Nachricht aus dem Hause ZDF, Neo-Magazin-Royale-Moderator Jan Böhmermann habe das Video tatsächlich gefaked. Große Aufregung, erstens bei denen, die sich seit Tagen auf das Video als Angriffsgrund gegen Griechenland und Varoufakis eingeschossen haben und zweitens auch bei Verantwortlichen der ARD, die sich fragen, ob sie wohl tatsächlich von der Satireshow hinters Licht geführt wurden. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag wird das in den sozialen Medien diskutiert, spätestens jetzt wird #Varoufake zu einem geflügelten Begriff.

Am Donnerstag dann die (vermeintliche?) Auflösung: Die Berichterstatttung und das Video, das beweisen sollte, dass man das entsprechende Video manipuliert habe, sei … genau: ein Fake – Satire! Das Stinkefinger-Video ist echt, allerdings grob aus dem Zusammenhang gerissen und uralt, was auch die ARD zwischenzeitlich kleinlaut zugeben musste. Unsauberer Journalismus also am Anfang, darauf aufbauend emotionalisierte Diskussionen, und ab dann wird’s satirisch, bis niemand mehr weiß, wie er das alles nun einzuschätzen hat. Ist Varoufakis noch der Böse? Oder ist es Böhmernann? Oder Jauch? Das ZDF oder die ARD? Fehlt nur noch, dass jemand aufsteht, der meint, die Rücknahme des Fakeeingeständnisses von Böhmerman sei nur eine Satire gewesen – das ließe sich eine ganze Weile so weiter spinnen.

Und der geneigte DAM – der „Dümmste anzunehmende Mediennutzer“, also ich selbst – fragt sich, was das nun zu bedeuten habe. Da wären dann zunächst mal die Fakten, auf die Böhmermann in seinem (zweiten) Bekennervideo hinweist: „Liebe Redaktion von Günther Jauch, Yanis Varoufakis hat unrecht. Ihr habt das Video nicht gefälscht. Ihr habt einfach nur das Video aus dem Zusammenhang gerissen und ’nen griechischen Politiker am Stinkefinger durchs Studio gezogen, damit sich Mutti und Vati abends nach dem Tatort nochmal schön aufregen können: ‚Der Ausländer, raus aus Europa mit dem! Er ist arm und nimmt uns Deutschen das Geld weg. Das gibt’s ja wohl gar nicht. Wir sind hier die Chefs!‘ So. Das habt Ihr gemacht – und der Rest ist von uns.“

Wenn es mehr nicht wäre, wäre es schon genug: Wenn das Video tatsächlich echt ist (gehen wir jetzt mal davon aus), dann hätte die ARD auch mit ausgefeiltesten Mitteln nicht dessen Unechtheit feststellen können. Man hätte sich aber mal die Mühe machen können, zu recherchieren, von wann das Video stammte (ein Zeitpunkt, an dem die politische Karriere von Yanis Varoufakis noch nicht absehbar war) bzw. – da ich davon ausgehe, dass man das wusste – hätte man zumindest die Zuschauer darauf hinweisen müssen, in welchem Zusammenhang das Video entstanden ist. Man wird wohl nicht verkehrt liegen, wenn man Böhmermanns Argumentation folgt und Absicht unterstellt – Quote statt Wahrheit. Dass das ausgerechnet bei DER Talkshow-Institution Günther Jauch passiert, kann einen diebisch freuen, es weist aber auch auf einen anderen Aspekt hin.

Wir sind als Menschen offenbar schlicht nicht in der Lage, uns der Macht der Bilder zu entziehen. Und wir sind als Medienkonsumenten (siehe oben: DAM) offenbar nicht in der Lage, wirklich final zwischen Wahrheit und Fälschung zu unterscheiden und uns medialen Hypes und einem Herdentrieb zu entziehen, dessen Opfer zu sein die meisten weit von sich weisen würden: Herdentrieb, das ist was für die anderen, nicht für mich aufgeklärten, kritischen Mediennutzer: DAM!

Und jetzt: Lohnen sich politische Berichterstattungen nun nicht mehr, weil man sowieso nicht feststellen kann, was Wahrheit ist, scheitern wir nach 2000 Jahren noch immer an der Pilatusfrage, diesmal aber sogar in noch viel profanerer Weise? Wobei das Bild bei näherem Hinsehen passt: Pilatus hat Jesus foltern lassen, um die Massen zu beruhigen. Er hat ihn – wider besseren Wissens – ermorden lassen, weil die Masse, angestachelt von ein paar Wenigen, überzeugt war, es mit einem Gotteslästerer zu tun zu haben. Und er hat ihn ermorden lassen, weil er meinte, sich damit als „Freund des Kaisers“ zu beweisen: Political Correctness und mediale Beeinflussung im antiken Jerusalem!

Das könnte ernüchtern, zeigt aber auch, wovor wir uns in Acht nehmen müssen: Den Bildern einfach zu glauben, den Worten angeblicher Experten einfach hinterherzurennen, uns gemein zu machen mit der Masse, der Mehrheit oder nur unserer „peer-group“. Die politische Wahrheit zu finden, ist heute vermutlich komplizierter als vor 2000 Jahren, und man ist nie davor gefeit, sich instrumentalisieren zu lassen. Und wer mit diesem Vorwurf auf andere zeigt, die angeblich wie die Lemminge zum Abgrund geführt werden, hat noch am meisten Grund, sich selbstkritisch zu hinterfragen. Einfache Lösungen gibt es für die Probleme dieser Welt nicht, umso wichtiger ist es, sich um die Wahrheit zu bemühen, und ich bin überzeugt, das geht besser im Gespräch als in der individuellen Weltanalyse.

#Varoufake, Varoufakefake und Varoufakefakefake bezeichnet darum nicht das Ende der Talkshow- und Diskussionrunden, aber es macht deutlich, wie schnell wir uns hinters Licht führen lassen. In einem Hörspiel des „Traumzauberbaums“ unserer Kinder gibt es zwei finstere Gestalten, „Tarn“ und „Kappe“, die Seifenblasen als Häuser verkaufen wollen, und auf den Einwand, niemand werde darauf reinfallen antworten: „Doch, es lässt sich jeder gern betrügen, wenn’s nur zu seinen Wünschen passt!“ Da ist was dran, und vielleicht ist schon viel gewonnen, wenn wir aus #Varoufake lernen, misstrauisch zu werden, wenn unsere Wünsche – und seien es die nach einem Skandal – zu sehr bedient werden. Das macht den Medienkonsum nicht einfacher, aber einfacher ist die Wahrheit auch nicht zu haben. Wer das nicht möchte, für den bleiben noch „Germany’s next Topmodel“ oder das Dschungelcamp – aber das schaut sich von uns DAMs ja auch keiner an, oder?

P.S. ganz nebenbei: Wer der Weg, die Wahrheit und das Leben wirklich ist, wissen wir Christen – und er ist der Einzige, dem wir in dieser Hinsicht vertrauen können!

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One Comment

  1. Man sollte aber auch die Vorführung des Ausschnittes in Günther Jauchs Sendung nicht aus dem Zusammenhang reißen, denn einerseits wurde während der Sendung immer wieder betont, daß Varoufakis sich nicht als Minister, sondern als Privatmann dem Interview stelle — er selbst hat das mehrmals so gesagt. Darum spielt es keine große Rolle, ob er damals schon Politiker war oder nicht.

    Die Frage, die Jauch im Anschluß an den Ausschnitt stellte, war, wenn ich mich recht entsinne, was Varoufakis davon halte, daß die Deutschen im Zusammenhang mit der Schuldenkrise am meisten von allen beleidigt würden, während sie doch am meisten zahlten. Diese Frage konnte man 2010 und 2013 schon genauso stellen wie heute; auch ging es bei der Frage nicht um das Verhalten der griechischen Regierung, sondern um ein allgemeines Phänomen und um Varoufakissens persönliches Verhältnis dazu. Betrachtet man diesen Zusammenhang, ist der Ausschnitt meiner Ansicht nach als Jllustration durchaus nicht ungeeignet.

    Varoufakis hätte hier die Gelegenheit gehabt, sich zu erklären oder sich von eventuellen früheren dahingehenden Ansichten zu distanzieren. Er hätte auch die Möglichkeit gehabt, die schlechte Meinung, die in der deutschen Öffentlichkeit über die griechische Regierung besteht, zu wenden, indem er sein und deren Verhältnis zu dem von Jauch evozierten Sachverhalt, der vielen Deutschen ja wirklich auf den Nägeln brennt, darlegte. Er hätte hier auch die Möglichkeit gehabt, selbst den Zusammenhang des Videos zu erklären und die Redaktion von Jauchs Sendung schlecht dastehen zu lassen. Varoufakis ist ja immerhin ein gestandener Mann, dem man solches schon zutrauen könnte.

    Auf Jauchs Frage ging Varoufakis aber gar nicht ein, auch nicht darauf, daß der Kontext des Videos in der Sendung nicht adäquat dargestellt war, sondern er erhob stattdessen sogleich den bekannten Vorwurf der Manipulation. Damit hat er das Thema „Stinkefinger“ erst groß gemacht bzw. größer, als es gewesen wäre, wenn er einfach die Frage des Moderators beantwortet hätte, und er hat sich auch selbst den Vorwurf der Lüge eingehandelt.

    Der Coup des Neo-Magazins war von langer Hand vorbereitet, und Böhmermann hat entweder großes Glück gehabt, daß das Video an dermaßen herausgehobener Stelle genutzt wurde, oder — was ich für wahrscheinlicher halte — er hatte einen Maulwurf in der Redaktion von Günther Jauch, der die Auswahl des Ausschnittes forciert hat. Daß nämlich das Neo-Magazin bei der späten, erst im heurigen Feber — und zwar durch die Veranstalter des Subversive-Festivals! — erfolgten Veröffentlichung der Aufzeichnung des Vortrages aus dem Jahre 2013 seine Finger im Spiel hatte, ist klar: das Magazin hat nämlich eine sogenannte Sphragis in dem Video eingebaut, ein Insiegel, das dem Magazin erlaubt, bei Bedarf diesen Beweis zu führen: Wenn man sich nämlich die Aufzeichnung des Vortrags ansieht, stellt man fest, daß kurz vor der bekannten Stelle zweimal (zum erstenmal nach Sekunde 40:10) ein einzelner roter Frame aufblitzt, d.h. das Bild wird für den Bruchteil einer Sekunde rot. Genau solche einzelnen roten Frames finden sich auch im vermeintlichen Enthüllungsvideo des Neo-Magazins. Ob diese Sphragis in der nächsten Zeit noch genutzt wird, um der Sache eine weitere Wendung zu geben? Man darf gespannt sein!

    Im übrigen halte ich das, was Böhmermann in seiner zweiten Erklärung von sich gegeben hat, für eine gemeine und haltlose Unterstellung gegenüber den Zuschauern und der Redaktion von Jauchs Sendung.

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