Ist das Bild zweier sich küssender junger Frauen auf Radio Vatikan unnötig oder ein pornographischer Skandal? Man kann’s auch übertreiben!
Unanständig! Unmoralisch! Pornographisch! Die Attribute überschlagen sich in bestimmten Kreisen bei der Einschätzung eines Bildes, dass die deutsche Sektion von Radio Vatikan zur Illustration eines Beitrags zur kirchlichen Sexualmoral verwendet hat. In dem Beitrag, über den man sich in der Tat viel besser streiten kann, als über das Bild, erläutert der Moraltheologe Martin Lintner, zitiert aus einer anderen katholischen Zeitung, wie und warum die Kirche ihre Sexuallehre anzupassen habe. Der Inhalt, so unkommentiert stehen gelassen, stellt eine krasse Überzeichnung der Ergebnisse des II. Vatikanischen Konzils dar. Eine solche Position innerkatholisch ohne Widerspruch wiederzugeben beweist schon eine ziemliche Chuzpe hinsichtlich der kirchensteuerfinanzierten Seite von Radio Vatikan.
Die Diskussion entzündete sich aber nicht in erster Linie an diesem Text sondern am dafür genutzten Bild, das zwei sich küssende junge Frauen zeigt. Der Beitrag samt Bild wurde am 02.07. veröffentlicht, die kritischen Reaktionen zu dem Bild führten dann dazu, dass die Wochenendredaktion den Beitrag vom Netz nahm. Zum Wochenbeginn setzte der Chef des Senders, der als liberal geltende Jesuit Pater Bernd Hagenkord den Beitrag wieder online. Dienstag im Laufe des Tages wurde dann das betreffende Bild von der Seite gelöscht, einen Screenshot kann man sich aber bei kath.net noch ansehen, was notwendig sein mag, um sich einen Eindruck zu machen (hier).
Ich gebe zu, ich verfolge Radio Vatikan nicht allzu intensiv, hätte ich den Beitrag direkt gelesen, wäre mir der Inhalt sauer aufgestoßen: Hier wird offensichtlich mit dem Label „Vatikan“ versucht, im Vorfeld der Familiensynode Stimmung zu machen für eine Änderung der katholischen Sexualmoral, als ob man die so einfach anpassen könnte, so als sei dem Zeitgeist Folge zu leisten, der – wie der Theologe Lintner schreibt – Sexualität nur noch als „leibliche Kommunikation“ wahrnimmt. Wie gesagt, eine deutliche Überinterpretation und Engführung des Bemühens des Konzils und auch der Kirche, Sexualität in seiner Gesamtheit zu würdigen. Das Bild jedenfalls wäre mir in diesem Zusammenhang nicht aufgefallen.
Nun sind dort zwei offenbar lesbische Frauen (was durch das Regenbogenarmband verdeutlicht werden soll) abgebildet, die sich küssen. Im Zusammenhang mit dem Beitrag darf man wohl davon ausgehen, dass es sich dabei nicht um einen freundschaftlichen Kuss handelt. Ob das Bild aber einen derartigen Skandal rechtfertigt, einhergehend mit Forderungen an die Redaktion, das Bild zu löschen und sich zu erklären? Man mag ja einwenden, dass diejenigen, die das Bild nicht für anstößig halten, schon zu sehr abgestumpft sind, aber in der Tat kann ich mit dem Attribut „pornographisch“, das nun allenthalten für das Bild ins Spiel gebracht wird, hier nichts anfangen. Wenn ich mal den Duden zur Defintion der Pornographie bemühen darf (sicher keine moralisch relevante Quelle, aber zumindest einigermaßen neutral):
Sprachliche, bildliche Darstellung sexueller Akte unter einseitiger Betonung des genitalen Bereichs und unter Ausklammerung der psychischen und partnerschaftlichen Aspekte der Sexualität
Dass nun gerade ist weder im Beitrag noch im Bild so gegeben. Es geht bei der progressiven Beurteilung der Homosexualität eben gerade doch um die partnerschaftlichen Aspekte und das gewählte Bild ist eben keines, dass in der beschriebenen Form sexuelle Akte darstellt. Pater Hagenkord hat in einer Stellungnahme in seinem Blog zu dem Bild darum richtig dargestellt:
Vielleicht nicht allzu klug gewählt, weil es auch nicht so richtig zum Bericht passte, aber nicht wirklich ein Skandal.
Thema erledigt? Nicht ganz, denn was in den Blogs und Kommentarspalten der Vertreter der beiden Positionen zu diesem Thema abgeht, ist einfach unterirdisch. Da wird den jeweils anderen der rechte Glaube abgesprochen, man attestiert sich gegenseitig allerlei geistige Schwächen oder Krankheiten und bewegt sich – nochmal: auf beiden Seiten! – ganz hart am Rande persönlicher Diffamierungen wie faschistischer Gesinnungsschnüffelei. Wenn ich ehrlich bin: Egal, ob ich bei kath.net, beim Radio-Vatikan-Blog oder in anderen einschlägigen Medien in den Kommentaren nachlese, bin ich angewidert über den Umgang miteinander!
Hat man das Bild zu dem Beitrag unbedingt gebraucht? Wohl kaum, Pater Hagenkord hat das bereits klar gestellt. Schlagen die Kritiker des Bildes und des Beitrags mit ihren krassen Bewertungen über die Stränge? Ich sehe das so, habe ich oben bereits beschrieben. Schaden die Kritiker des Bildes mit ihrer weltfernen Vorstellung dessen, was pornographisch ist, selbst und der Sache der katholischen Sexualmoral? Mit Sicherheit! Hat man das Bild womöglich als Provokation ausgewählt, in Erwartung des konservativen Shit-storms auf den man dann durch die Abwertung dieser Reaktionen verweisen kann? Nicht auszuschließen, Doppeldenk gibt es schließlich auf allen Seiten.
Ich selbst halte den Beitrag auf Radio Vatikan für unterirdisch so lange er nicht als Debattenbeitrag gekennzeichnet ist; das Bild ist unnötig aber auch keinen Skandal. Das jetzt aufgemachte Fass schadet aber nicht nur beiden Seiten, die hier emotional über die Stränge schlagen, es schadet vor allem der Evangelisierung, wenn die verfeindeten Parteien aufeinander losgehen und sich beschimpfen wie die Kesselflicker, sich in die Diskussionen verbeißen als ginge es bei der Frage dieses Bildes um den Kern unseres Glaubens. Das tut es nicht, darum können jetzt auch langsam mal wieder alle runter kommen!
Mann, ich bin froh und danke dem Herrn, katholisch zu sein, aber manchmal macht das wirklich keinen Spaß!
Heinz
Sie sind mittlerweile so abgestumpft, dass die überhaupt nicht klar sehen können, insbesondere wenn Ihnen das Lexikon den Bereich Pornographie klar stellen muss.
Wenn das Lexikon demnächst homosexuelle Handlungen als das Ewangelium deklariert, werden Sie es wahrscheinlich genauso einfach hinnehmen.
Irgendwann gab es den wichtigen Hinweis, der in Deutschland völlig vergessen wurde „Ja, ja, nein. nein“.
Jetzt brauchen völlig durch die Medien abgestumpften Theologen und Diskutanten das Lexikon…
Jürgen Hülf
Hallo Herr Honekamp,
vielen Dank für ihr neutrales, nüchternes Statement.
Eine Anmerkung habe ich jedoch dazu. Einen Teil der harten Reaktionen hat sich Pater Hagenkord nach seiner Stellungnahme, in welcher er sich doch deutlich im Ton vergriff, selbst zuzuschreiben. Das war eines Redaktionsleiters doch eher unwürdig.
Gruß Jürgen Hülf
Cinderella01
Verstehe die Aufregung auch nicht – mich hat das ganze eher amüsiert und besonders die Reaktionen aus dem Ausland waren doch sehr bezeichnend, so nach dem Motto: die Deutschen mal wieder…. Ist der Ruf erst ruiniert oder so. Besonders via twitter ging es da schon am Samstag rund und die Reaktionen kamen aus England, Italien und USA, wobei die Katholiken in USA verständlicherweise derzeit besonders sensibilisiert sind.
Das Aufeinanderdreschen beider Lager kann ich jetzt aber bei P. Hagenkord nicht nachvollziehen. Gut, ich war gestern mittag das einmal drauf und als ich gesehen habe, dass die einschlägigen „Autoren“ aus Schmidt-Salomons „Freigeisterhaus“ sich den Blog gekapert hatten, musste ich da nicht mehr mitlesen. Diese Truppe ordne ich aber nun nicht irgendeinem kirchlichen „Lager“, sondern dem kirchenfeindlichen Lager zu, die ihre Gelegenheit genutzt haben, mal ordentlich auf die ihnen verhassten Katholiken einzudreschen. Außer Pater Hagenkord haben das wohl auch alle gemerkt, dem aber schien es sogar zu gefallen.
Peter Friedrich
Hallo Cinderella!
Ich lese bei Ihnen: „Einschlägige“ „Autoren“? „Gekapert“?
Nun, ich muß erleben, daß ich oft keinerlei Antwort auf meine Argumente bekomme, in denen ich – für mich überaus wichtige – Anliegen vermittele. Hintergrund ist dabei auch meine eigene sehr leidvolle Kindheit und Jugend im kirchlich-familiären Umfeld und im katholischen Ordensgymnasium.
Ich darf behaupten, zu wissen, wovon ich rede, auch nach dem Austausch mit vielen anderen entsprechend Betroffenen.
Ich würde Ihnen meinen Beitrag aus Pater Hagenkords Blog hier noch einmal in voller Länge wiedergeben, Sie hätten dann die Gelegenheit, hier und heute Punkt für Punkt Stellung zu nehmen.
„Lieber Pater Hagenkord,
Das schöne Foto der beiden glücklich sich küssenden Frauen ist ganz und gar an der richtigen Stelle, ändern muß man gar nichts. Auch die eindeutige Haltung hier auf Ihrer Seite (samt der meisten Kommentare), die einer verschrobenen Menschenfeindlichkeit standhält, finde ich wunderbar.
Vergessen dürfen wir allerdings nicht, daß Menschen, die durch die kirchliche Sexual“moral“ geprägt sind und die entsprechenden kirchlichen Aussagen dazu eher wörtlich ernst nehmen, potentiell hochgradig psychopathologisch gefährdet sind. Eugen Drewermann beklagt in „Kleriker – Psychogramm eines Ideals“, daß Menschen durch eben diese kirchliche Lehre darin sabotiert werden, zu sich selbst zu finden, statt hilfreich dabei begleitet zu werden, ihrer jeweiligen Frage nach Zärtlichkeit Raum zu geben, insbesondere unabhängig davon, ob sich diese Zärtlichkeit nun hetero-, bi-, homo- oder sonstwie sexuell ausdrückt. Der religiöse Bezug darf uns die Kraft geben, einen Menschen vorbehaltlos zu fragen, wie es ihm geht, was für ein Mensch er eigentlich ist. Unterdrückt man diese Offenheit, sind alle schlimmen Folgen möglich, ja, folgerichtig, wie man sie auf diesen gewissen Internetportalen leidvoll erleben muß.
Die kirchliche Sexuallehre züchtet sich ihre Gemütskranken selbst. Man muß bald, man muß sehr bald etwas ändern.
Dieser Tage erinnerte ich mich einer grauenerregenden Erzählung von Ernest Hemingway, „Gott hab euch selig, ihr Herren“ aus den „Stories“, einer Sammlung mit dem Titel „Der Sieger geht leer aus“. Die schreckliche körperliche Selbstverstümmelung eines jungen Mannes, der nur für sich umsetzte, was er aus kirchlichen „Moral“lehren gewissermassen buchstäblich las – das ist nur eine der möglichen Manifestationen solcher Lehren.
Der Anspruch der kirchlichen Lehre, daß sich erotische Zärtlichkeit und Sexualität ausschließlich innerhalb einer Ehe ausdrücken dürfen, kastriert potentiell alle anderen Menschen in ihren individuellen Notwendigkeiten.
Ob ein Mensch dann sich selbst oder andere verstümmelt oder wunderlich, verschroben oder boshaft wird – die Folgen sind unabsehbar.
Freundliche Grüße
Peter Friedrich“
Es sei noch vermerkt, daß die angesprochene „Verstümmelung“ sich nicht nur körperlich manifestieren muß, beispielsweise können auch sonstige Selbstverletzungen, Zwangskrankheiten etc. die Teilnahme am Leben schlechthin „verstümmeln“.
Welchen Standpunkt nehmen Sie zu entsprechenden Krankheitsbildern ein, die im unmittelbaren Zusammenhang stehen mit der kirchlichen Sexualmoral?
Gruß
Peter Friedrich
akinom
Ich möchte mich nicht in ein „Lager“ stecken lassen, wie es Herr Honekamp ja auch nicht tut. Doch war ich – allein aufgrund des KATH.-Net-Berichtes – gestern- ja- wirklich auch erschüttert! Weniger des Fotos wegen als Pater Hagenkords wegen.
Wenn der Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Radio Vatikan seine Kritiker als „krank“ bezeichnet, geht das für mich einfach „unter die Gürtellinie“
und ist eben „wirklich ein Skandal“, der ganz gewiss mehr der Evangelisierung schadet als Anstoß nehmende unbekannte Kritiker ohne Aushängsschild „Radio Vatikan“.
thomas0469
Besonders amüsant finde ich, daß sich P. Hagenkord bei jeder Gelegenheit über den unchristlich-rauhen Ton innerhalb der kirchlichen „Lager“ beklagt, und anschließend selbst mit Vokablen wie „krank“ der Gegenseite ordentlich eins auf die Mütze gibt. Wie war das nochmal mit der Heuchelei?
Rudi
Viel Lärm um nichts! Ich mag küssende Frauen. Bei meinen französischen Freunden küssen wir uns auch immer zur Begrüßung, natürlich nicht auf den Mund. Hach….(lächel) Hagenkord offenbart mit seiner Reaktion eine empfindliche Stelle. Offensichtlich ist nicht nur die Hochschule in Baltimore fest in den Händen der Gaybewegung. http://www.tldm.org/News5/seminaries.htm
Da ist man als Jesuit bei so einer lauten Kritik leicht verunsichert.
Lieber Redakteur Hagencord, vielleicht sollten Sie einfach verbal ein wenig abrüsten. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit ..-.sagen wir mal ..-.faulen Eiern werfen…..könnte etwas übel riechen….Gruß rudi
Leser
Vielen Dank für Ihren klugen Kommentar!
Ich stimme Ihnen darin zu, dass der Inhalt des Artikels wichtiger als Bild ist.
Allerdings denke ich, dass das Bild weiter geht als der Inhalt, denn bei der Veröffentlichung eines solchen Bildes greift man der möglichen Diskussion voraus. Es ist nicht das gleiche zu behaupten, dass etwas getan werden sollte, als es gleich zu tun.
Der Artikel selbst ist wirklich unterirdisch, wie Sie schreiben. Das Bild ist meiner Ansicht nach aber ein noch weiterer Wurf. Die widerliche Art des Umgangs miteinander in Foren ist wiederum noch viel schlimmer…
Der Herr möge Seiner Kirche helfen! Er bewahre sie vor einer weiteren Spaltung und vor dem übermächtig auftretenden Zeitgeist!