Wer sich als Katholik mit Themen der Sexuallehre der Kirche befassen will, kommt an der Theologie des Leibes von Papst Johannes Paul II. nicht vorbei.
„Sex außerhalb der Ehe geht nicht! Verhütung geht nicht!“ Mit diesen beiden Sätzen lässt sich die katholische Sexuallehre scheinbar zusammenfassen, jedenfalls dann, wenn man ihren Kritikern glaubt oder denen aus dem katholischen Lager folgt, die sich zwar an Regeln halten, diese aber nicht unbedingt verstehen wollen. Ich will einen solchen Gehorsam nicht in Bausch und Bogen verurteilen, aber ein wesentlicher Baustein meiner „Bewusstwerdung“ als Katholik bestand vor allem darin zu erkennen, dass unser Glaube vernünftig ist. Gott verlangt also nicht irgendwas von uns, nur weil es ihm Spaß macht, uns den Spaß zu verderben: Die Gebote sind Leitplanken auf dem Weg zu ihm, und wie andere Leitplanken auch haben sie einen Sinn.
Um also die Sexuallehre der Kirche nicht einfach nur als ein Konglomerat von Verboten zu begreifen, ist es wichtig, sich mit den theologischen Hintergründen zu befassen. Die sind – entgegen dem, dass es sich um Theologie handelt – gar nicht kompliziert und sie wurden, in verschiedensten Katechesen, Betrachtungen und Texten von Papst Johannes Paul II. in seiner sogenannten „Theologie des Leibes“ dargelegt. Ein großartiger Fundus an lebens-, körper- und sexualitätsbejahenden Texten, allerdings auch so umfangreich, dass man sich als Laie dem wiederum nur sehr vorsichtig nähert. Daher ist die Theologie des Leibes und seine Verbreitung einer der Schwerpunkte des von den Legionären Christi betriebenen Zentrum Johannes Paul II.
In dessen Selbstbeschreibung heißt es:
Im Denken und in der Lehre von Johannes Paul II. verbinden sich Vernunft und Glaube, Leib und Geist, menschliche und spirituelle Werte, Lebensfreude und Frömmigkeit. Zudem öffnet er uns die Augen für die Verkörperung des Evangeliums in Gesellschaft, Kultur und allen Lebensbereichen.
Darum geht es auch beim entsprechenden Blog und im hier dargestellten Beitrag unter dem Titel „Einswerden – Körper, Freiheit und Gender“. Der Schwerpunkt liegt dabei darauf, dass man in der Liebe nicht sich selbst und die Erfüllung seiner Wünsche, sondern den anderen und dessen Glück sucht. Autor Pater George Elsbett LC macht das an einem Beispiel deutlich:
Stellen wir uns vor, Matthias und Hannah treffen sich am Flughafen nach Monaten des Getrenntseins wieder. Sie fallen sich in die Arme. Was ist der erste Gedanke von Matthias, von Hannah? Wahrscheinlich nicht: „Endlich habe ich wieder jemandem, mit dem ich schlafen kann“, sondern eher einfach die Freude über den anderen. Was im Vordergrund steht, ist der andere selbst, nicht was der andere schenkt – auch wenn das gegenseitige Geschenk (Blume, in die Arme fallen, Geste, Worte usw.) der einzige Weg ist, wie man einander die Wertschätzung ausdrücken kann. Das ist nicht eine Herabwürdigung des Geschenks, im Gegenteil. Es will zum Ausdruck bringen, dass es gerade diese Herzenshaltung ist („es geht mir um dich und nicht um mich, es geht mir ums Geben und nicht ums Nehmen“), die das Geschenk, und vor allem das Geschenk des eigenen Körpers, so umwerfend macht.
Als ich diese Gedanken – es geht nicht um mich sondern um den anderen – das erste mal zu verinnerlichen versucht habe, ist mir ein Stein vom Herzen gefallen. Eine gelingende Liebe hängt dann nämlich nicht mehr davon ab, ob der Andere alles richtig macht – worauf ich ja kaum Einfluss habe – sondern ob ich mich zu verschenken bereit bin, bereit, etwas für den anderen zu tun. Das ist natürlich nicht ohne Anspruch, aber ich kann es selbst – mit Gottes Hilfe – bewerkstelligen.
Trotzdem ist dazu natürlich ein gehöriges Maß an Vertrauen notwendig. Verschenke ich mich, gehe ich damit das Risiko ein, ausgenutzt oder auch nur abgelehnt zu werden. Darum ist zu dieser freiwilligen Hingabe an den anderen – geistlich wie körperlich – auch eine Verantwortung notwendig, die so beschrieben wird:
Wie Johannes Paul II. einmal in Erinnerung rief: „Menschliche Reife bedeutet den vollen Gebrauch des Geschenkes der Freiheit.“ Aber voller Gebrauch der Freiheit heißt, dass man wissen muss, auf was man sich einlässt, man muss wissen, wer der andere ist. Und das ist eben ein Weg der immer tieferen Erkenntnis des anderen und einer immer tieferen Entscheidung für den anderen, nicht nur ein Augenblick. […] Es fehlt an Freiheit, wenn man sich zu früh öffnet. Es fehlt an Freiheit, weil man sich dann nicht wirklich für etwas oder jemanden entscheidet, denn man kennt diesen ja noch gar nicht wirklich. Die Größe der Freiheit ist proportional zur Kenntnis, die man von demjenigen hat, für den man sich entscheidet. Je mehr man den anderen kennt, desto tiefer, bewusster, ehrlicher, reifer kann die Entscheidung für diesen Menschen sein.
Wenn also die kirchliche Lehre von der Sexualität außerhalb der Ehe warnt, tut sie das mit gutem Grund: Den eigenen Körper zu verschenken, das ist etwas, das wohlüberlegt sein will, die Kenntnis und Akzeptanz des Anderen voraussetzt; ansonsten sind Verletzungen vorprogrammiert! Damit ist also die Sexualität durchaus zu verstehen als der Gipfel einer Beziehung, nicht ein Baustein auf dem Weg dorthin. Darum erscheint die Forderung „Erst die Ehe, dann der Sex“ nicht nur moralisch richtig und im Interesse des Anderen, sondern auch persönlich vernünftig.
Wenn er sich als Mann der Eva schenkt, dann schenkt er damit nicht eine Banane oder ein Moment der Befriedigung oder emotionale Zuneigung, sondern er wirft sich selbst ins Boot, er schenkt ihr sich selbst hin. Zuerst äußerlich, dann immer intimer, gemäß dem Stand der Beziehung. Der nackte Körper der Frau erweckt im Adam nicht die Begierde, kein „An-sich-reißen-wollen“ sondern die Wahrnehmung einer tiefen Sehnsucht, sich ihr zu schenken, ein Geschenk als Mann für sie zu werden. Er entdeckt die Liebesfähigkeit, die im männlichen und weiblichen Körper steckt, die aber in kein Stein, Baum, Moskito oder Waschbär vorhanden ist, weil keiner dieser Wesen frei ist und deswegen auch gar nicht lieben kann. Er entdeckt die unfassbare Würde der menschlichen Sexualität, die atemberaubende Schönheit dessen, was es heißt, Mann zu sein, Frau zu sein.
So endet der großartige Beitrag, den ich nur ans Herz legen kann wie den ganzen Blog. Dieser letzte Abschnitt legt einen beispielhaften Schwerpunkt auf den Mann. Das Gesagte gilt dabei natürlich analog auch für die Frau, aber mir scheint – meine Herren – wir sind doch die, die zu dem Thema oft am meisten zu lernen haben. Darum kann ich nur – neben dem Blog – empfehlen, sich mit der Theolgie des Leibes auseinanderzusetzen: Sexualität ist eben deutlich mehr, als uns Umwelt und Medien einzureden versuchen. Es ist ein großartiges Geschenk Gottes, dass wir berufen sind, weiter zu geben. Dass zu verstehen – und sich immer wieder zu vergegenwärtigen – wird jeder Beziehung und jeder Ehe einen Turbo verpassen, den man sich ohne Gott gar nicht vorstellen kann.
Dazu noch zwei Literaturtipps:
Bettina Taubinger
Danke, für diesen Komentar und die Literaturtipps.
Turin Turambar
Lustig: von Pater George lese ich derzeit ,Sex&Soul‘ – nach einem flappsigen Anfang ging es ziemlich schnell zur Materie und in die Tiefe. Soweit empfehlenswert.
Grüßle