Ein Klassentreffen nach 25 Jahren bedeutet ein Update auf das eigene Leben und auf das der anderen.
25 Jahre … eine verdammt lange Zeit! Vor 25 Jahren war Wiedervereinigung, Deutschland ist Fußballweltmeister geworden. Und vor 25 Jahren wurde der Abiturjahrgang 1990 des Gymnasiums Mariengarden in Borken-Burlo ins Leben entlassen. Ein Grund, sich wieder zu treffen und zum Glück sind es immer noch die Gleichen, die früher schon gemeinsame Parties veranstaltet haben, die es auch jetzt in die Hand genommen haben, ein Klassentreffen zu organisieren. Vielen Dank dafür!
Ich gebe zu, ich war ein bisschen nervös: Es gab zwischenzeitlich bereits mehrere solcher Treffen, aber nach dem Zehnjährigen, also vor 15 Jahren, hatte ich an keinem mehr teilnehmen können. Wie mögen sie wohl alle geworden sein? Es gab auch den ein oder anderen unrühmlichen Kontaktabbruch, den ich mindestens mit-, wenn nicht in Gänze zu verantworten habe. Und kein Zweifel: Mein Leben hat in den vergangenen Jahren – vor allem glaubensseitig – Wendungen genommen, die wohl niemand der alten Schuldfreunde vorausgesehen hat. Würde das ein Thema sein? Nach ein paar Diskussionen, die ich auf Facebook hatte, war das eine ziemlich sichere Option. Werde ich die anderen, werden sie mich überhaupt wiedererkennen? Wie wird der Umgang sein? Ich bin niemand, war ich nie, der auf solche Treffen in voller Vorfreude zugeht. Wie mag der Tag, der Abend wohl laufen, wenn man sich nach all den ganzen Jahren wieder sieht?
Um es mal direkt zu sagen: Es war ein großartiger Tag und Abend … wenn ich auch am Tag drauf kaum sprechen konnte, weil ich mich von ca. acht Uhr Abends bis kurz nach zwei durch-unterhalten habe, immer im Kampf gegen die Spider-Murphy-Gang, die wie früher den Skandal um Rosie ausruft, oder Nena, die immer noch 99 Luftballone gegen den Krieg fliegen lässt. Und ja, es ging in meinen Gesprächen die meiste Zeit um Glaubensfragen: Nun gehört dieser Blog nicht gerade zu den Hauptmedien des Landes, darum hat es mich doch erstaunt, wie viele alte Kumpel ihn tatsächlich kennen, und sich an den Inhalten reiben.
Und „reiben“ trifft es wohl auch am besten: Auf den Satz „Ich sehe das ganz genau so wie Du“ habe ich den Abend über vergeblich gewartet, allerdings auch auf das befürchtete „Mit Dir will ich deswegen gar nicht mehr reden“. Bei denen, mit denen ich gesprochen habe war durchweg Interesse dar, das Gefühl, wissen zu wollen, wie und warum der Felix so tickt wie er jetzt tickt. Widerspruch? Ohja, und nicht zu knapp, aber immer mit Wertschätzung formuliert – was man heute auch nicht mehr bei allen Diskussionen voraussetzen kann. Da müssen unsere alten „Pauker“ was richtig gemacht haben, dass auch nach 25 Jahren noch alle in der Lage sind, sich gesittet zu benehmen und sich mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen.
Apropos Lehrer: Auch davon waren einige da, mit ein paar wenigen habe ich mich intensiver unterhalten können. Sie sind noch immer so wie sie schon damals waren (natürlich nicht exakt, auch Lehrer entwickeln sich weiter), aber ich nehme an, dass ich auch heute noch mit denen am besten zurecht kommen würde, die eine Ansage tätigen wo „vorne“ ist, als mit denen, die meinen, man müsse es eben selber wissen; besser mit denen, an deren Positionen ich mich selbst reiben kann als mit denen, deren Position ich gar nicht erkennen kann. Ich werde in diesem Beitrag keine Namen nennen, der eine oder andere wird sich wieder erkennen, oder hat sich vielleicht schon wieder erkannt, aber mein „alter“ Englischlehrer ist einer von einem solchen Kaliber, der – wohl eher unbewusst aber nicht unbeabsichtigt – in mir die Wurzel gelegt hat für ein Gespür für Einschränkungen von Freiheit. Und nach dem Gespräch mit ihm werde ich sicher noch einmal Lessings „Nathan der Weise“ lesen, dessen Geschichte und Verständnis – da waren wir uns einig – am meisten darunter leidet, dass man es in der Schule „durchnimmt“.
Nun ging es in einer Vielzahl meiner Gespräche zwar um Glaubensfragen – offenbar erzeugt ein Wandel, wie ich ihn gemacht habe, doch ausreichend Gesprächsbedarf – aber nicht nur. Spannend zu sehen war, dass es Lebensläufe gibt, die quasi mit dem Lineal gezogen erscheinen und solche, die man nicht hätte erwarten können. Und beide Optionen stehen dabei gleichberechtigt gegenüber, wenn auch die Lebensläufe mit „Brüchen“ manchmal interessanter wirken. Aber während ich noch vor Jahren den Kopf geschüttelt hätte über Freunde, deren heutige Lebenssituation man vor 25 Jahren schon hätte voraussagen können, bin ich heute eher beeindruckt über die Stabilität, die damit zum Ausdruck kommt, auch über die manchmal vorliegende Opferbereitschaft für die Familie, die hinter so etwas steht. Und vor allem: Alle mit denen ich gesprochen habe, vermittelten mir den Eindruck, mit der Situation durchaus glücklich und zufrieden zu sein. Auch das etwas, was nicht selbstverständlich ist.
Trotzdem: der Glauben, mein Glauben, stand in den Gesprächen, die ich geführt habe, immer wieder im Vordergrund. Dazu muss man wissen, dass ich zwar auf einer Klosterschule war, bei mir wie bei den meisten anderen der Sport aber darin bestand, unbemerkt der Schulmesse aus dem Weg zu gehen. Und wie die meisten anderen auch, hatte der Glaube in meinem Leben anschließend keine Bedeutung: Atheist war ich nie, aber Gott hat (vermeintlich) keine Rolle in meinem Leben gespielt. Und bei den meisten anderen hatte ich auch nicht den Eindruck, dass sie sich von Gott abgewendet hätten, aber ein Lebenslauf wie der, den man dann von mir gesehen hat, reizt offenbar zur Diskussion, sei es um die Frage der Fremdbetreuung kleiner Kinder, der „Papsttreue“ an sich (wobei die meisten eher Verständnis für die Treue zu Papst Franziskus, deutlich weniger für die Treue zu Papst Benedikt hatten) oder der Sexualmoral der Kirche – gerade letzteres ein Thema, das ich gar nicht so sehr im Vordergrund sehe, das sich aber immer wieder in den Vordergrund drängt. Und selbst wenn ich nicht dabei war: Wenn plötzlich jemand auf mich zukommt und berichtet, man habe sich gefragt, ob ich glaube, dass die Geschichte von Adam und Eva wie in der Bibel beschrieben stattgefunden habe, dann muss ich wohl davon ausgehen, dass auch in Abwesenheit darüber gesprochen wurde.
Natürlich war das Klassentreffen kein religiöser Gesprächskreis, wir haben viel gelacht, nicht wenig getrunken, einfach Spaß miteinander gehabt, und – Tanzen war wie schon früher nicht meine Lieblingsbeschäftigung – viel geredet. Aber dies ist ein katholischer Blog, darum steht das Thema hier im Mittelpunkt. Und ich frage mich – immer mal wieder aber nach einem solchen Abend erst Recht – nicht nur, ob ich mit dem, was ich schreibe und sage, eigentlich richtig liege, sondern vor allem, ob ich es richtig rüber bringe? Gerade bei den „Reizthemen“ der Kirche kann es ja schnell passieren, dass man mit einem unbedachten Wort eher abschreckend wirkt. Ich hoffe und bete also, dass ich mit dem, was ich an dem Abend gesagt habe, niemanden von der Kirche und unserem Glauben entfernt habe, nicht mehr Distanz geschaffen habe, als vielleicht vorher da war. Und ich hoffe und bete, dass die Vielen, von denen ich den Eindruck habe – teilweise haben sie das auch offen gesagt -, dass sie „auf der Suche“ sind, von mir und meinen Worten nicht auf die falsche Spur gebracht wurden.
Es war ein großartiger Tag und Abend, ich habe viel gelacht und geredet, viele der alten Schulfreunde werden ich vermutlich auch in den kommenden Jahren – bis zum nächsten Klassentreffen – nicht mehr sehen, bei anderen wird sich vielleicht mal die Möglichkeit zu weiteren „Bierchen“ ergeben. Ich gebe zu, es war auch nicht ganz einfach, den Glauben und das, was mir wichtig ist, immer wieder auf’s neue zu vermitteln, aber es hat erstens auch Spaß gemacht und mich vor allem gefreut, weil es das Interesse an dem Thema zeigt. Der Glaube lässt offenbar nur die wenigsten ganz kalt, auf der Suche ist am Ende sowieso – bewusst oder unbewusst – jeder, und keiner der Wege dieser alten Freunde, ist in dieser Hinsicht schon am Ende, auch meiner nicht. Ich habe jedenfalls viel aus den Gesprächen mitgenommen, und ich hoffe, den anderen geht es genau so.
akinom
Einfach verrückt! Auch zu diesem Thema habe ich etwas beizusteuern!
Wir hatten in diesem Jahr unser Klassentreffen „50 Jahre Zeugnis der Reife“. Es wurde uns ausgestellt in einer Klosterschule in Bonn. Ich stellte fest, dass wir alle so alt sind wie Pippi Langstrumpf, die beweist, das das Alter nicht am Geburtsdatum liegt.
Obwohl wir alle echte ’68er sind, unterscheidet wohl manches die beiden Ereignisse in Borken und Bonn, Herr Honekamp:
* Lehrer gab es bei unserem Treffen nicht mehr, wohl viele Erinnerungen an sie.
* Von 21 Klassenkameradinnen waren nur 3 geschieden und 2 davon wiederverheiratet.
* Das Thema Glauben spielte bei unserem Treffen nicht eine so dominierende Rolle, wie bei Ihrem. Ich scheue es auch ein wenig, weil ich in einer verbalen mündlichen Auseinandersetzung schnell „platt“ bin. Ich bin eher ein Mensch der Schreibe und nicht der Spreche. Ich muss an meinen Formulierungen feilen können.
* Gefreut hat mich die Frage einer „Ehemaligen“, ob ich Leserbriefe bei KOMMA geschrieben habe. Sie kannte meinen Namen nach meiner Heirat nicht…
* Auch wenn ich mich im Voraus auf das Treffen nicht gefreut hatte, habe ich doch „Blut geleckt“und möchte manche verloren gegangenen Kontakte gerne wieder aufleben lassen.
Claudia
Hallo Felix!
Zunächst einmal gehe ich davon aus, dass die alten Schuldfreunde auf einem Schreibfehler basieren und Du uns nicht durch die Blume etwas mitteilen möchtest.
Und dann möchte ich Dir sagen, dass wir definitiv nicht einer Meinung sind, was Glaubens- und Kinderbetreuungsfragen betrifft, es aber sehr schön war zu sehen, dass hinter dem Blog-Schreiber kein sturer, verbitterter Glaubens-Besserwisser steckt, sondern dass Du in Vielem – vor allem im „Lausbubgrinsen“ – noch der alte, humorvolle Felix bist.
Du hast mich an dem Abend zwar weder dem Glauben näher gebracht, noch hast Du mich davon entfernt, aber den Menschen Felix hast Du mir wesentlich sympathischer gemacht!
Ich kann mir gut vorstellen, dass niemand gesagt hat, er sehe es genauso wie Du, aber dafür bist Du für Deine Eloquenz und Deinen Schreibstil gelobt worden – ist doch auch schon mal was.
Viele Grüße, Deine alte Schuldfreundin ?
Papsttreuer
Hallo Claudia, vielen Dank für die kleine Einschätzung – tatsächlich möchte ich niemanden als „alt“ bezeichnet wissen, bin ich doch selbst nicht alt, jedenfalls hoffe ich das. Dass man hinter dem, was ich schreibe einen „sturen, verbitterten Glaubens-Besserwisser“ vermuten könnte, macht mich allerdings nachdenklich. Natürlich ist das hier eher ein „Sach-Blog“, aber das klingt ja geradezu erschreckend-abschreckend. Danke auch auch noch mal für das Kompliment der Eloquenz, die aber in dem Zusammenhang auch bedeuten kann, dass man „in Schönheit stirbt“. Da muss ich mal drüber nachdenken.
Liebe Grüße und Gottes Segen von einem mindestens so alten Schulfreund!
Claudia
Oh Felix – ich bezog es nicht auf „alt“, sondern auf „Schuld“ – Freunde! ?
Papsttreuer
Ups … und jetzt muss ich es auch noch so stehenlassen, sonst versteht diese Kommentare keiner … :-)