Es gibt gute Gründe für aber auch gegen einen deutschen Einsatz in Syrien. Aber einen ganz schlechten.

(Bild: Julian Nitzsche, CC-BY-SA 4.0)
Ist ein deutsches Militärengagement in Syrien sinnvoll? Kann man dem IS, der sich auch als Gegner des Terrorregimes des syrischen Präsidenten Assad versteht, überhaupt sinnvoll militärisch beikommen? Und wenn ja, unter welchen Bedingungen? Offenbar nicht nur aus der Luft, aber Bodentruppen bedeuten westliche Soldaten, die in schwarzen Plastiktüten zurück kommen – will man das? Klar ist auch jedem, dass eine „Exit-Strategie“ notwendig ist: Den IS zu zerschlagen, wenn es denn ginge, und sich dann einfach wieder zurückzuziehen, das hat schon zu oft in der Geschichte nicht funktioniert. Man kann sich auch fragen, ob ein militärisches Eingreifen, bei dem absehbar auch viele Zivilisten zu Schaden kommen werden, überhaupt moralisch zu verantworten? Und wieder: Wenn ja, unter welchen Bedingungen?
Über all das diskutierte gestern nicht nur der Bundestag sondern auch das britische Parlament. Man kann zu den obigen Fragen sehr unterschiedliche Ansichten haben, und ich gehe einfach mal davon aus, dass die Positionen durchaus auch Ergebnis einer Gewissenserforschung sind. Nehmen wir einfach Ernst, wenn Menschen Zweifel haben an einem militärischen Erfolg, sogar an der Berechtigung eines militärischen Einsatzes unter deutscher Beteiligung in Syrien oder auch in anderen Ländern, die vom IS heimgesucht werden und von wo aus Terror in die Welt getragen wird.
Ich habe in den Wiedergaben der Redebeiträge aber ein Argument nicht gehört, und ich bin in gewisser Weise froh, dass ich es dort nicht gehört habe. Ich musste es mir nämlich im Radio beim WDR anhören, wo dieses Argument als Einleitung eines entsprechenden Beitrags über die Debatte in Großbritannien herhalten musste. Und das Argument lautet: Rückt ein deutscher Militäreinsatz gegen den IS nicht unser Land in den Fokus der Terroristen? Erhöht sich nicht zumindest kurzfristig unsere eigene Gefährdungslage, wenn wir Tornados zum Fotografieren nach Syrien schicken?
Nicht, dass es nicht gut wäre, sich generell darüber Gedanken zu machen, schließlich ist die Einschätzung schwer von der Hand zu weisen, dass Frankreich auch deshalb eine Hauptzielscheibe des Terrors geworden ist, weil sich das Land militärisch gegen den IS engagiert. Da ist es besser, man ist vorbereitet, auch wenn die Antwort auf die Frage, um mal wieder unseren Innenminister zu zitieren, die Bevölkerung verunsichern kann. Sagen wir es doch ganz deutlich: Ja, durch eine deutsche Unterstützung eines militärischen Eingreifens gegen den IS erhöht sich auch hier die Terrorgefahr – Punkt. Anschläge wie die von Paris sind überall möglich; wenn wir keinen vollständigen Überwachungsstaat wollen, wird man dagegen nur wenig (aber auch nicht nichts) ausrichten können. Die Warnung gegen das Fußballländerspiel in Hannover war eindrucksvoll: So schnell kann es gehen, dass Terror Konsequenzen auf das tägliche Leben hat. Und so etwas würde durch einen deutschen Militäreinsatz sicher kurzfristig eher wahrscheinlicher.
Und jetzt? Kann diese Einschätzung eine Entscheidung über den deutschen Militäreinsatz beeinflussen, eine positive Entscheidung gar kippen? Mag sein, dass man in den Überlegungen zu dem Ergebnis kommt, dass ein militärisches Eingreifen keinen ausreichenden Nutzen haben wird. Dann muss man sich angesichts der sonstigen Folgen dagegen entscheiden. Mag sein, dass man feststellt, dass man den Kampf gegen den Terror militärisch nicht gewinnen kann. Dann muss man andere oder ergänzende Strategien hinzunehmen. Mag auch sein, dass man im Ganzen einen solchen Einsatz für moralisch nicht zu rechtfertigen hält. Dann muss man sich gegen eine deutsche Beteiligung einsetzen.
Was der WDR aber anregt, ist etwas ganz anderes: Aus Angst vor dem Terror will man den Terror vielleicht lieber doch nicht bekämpfen. Dafür, liebe WDR-Redaktion, gibt es ein Wort: Feigheit! Man muss eine erhöhte Terrorgefahr nicht heraufbeschwören durch Mittel, die man ohnehin für untauglich hält. Wer sich allerdings nur aus Sorge um die eigene Sicherheit aus derartigen Einsätzen heraushalten will, um sich anschließend unter die von den anderen geknüpfte Sicherheitsdecke zu kuscheln und womöglich Einsatzfehler und den Tod Unschuldiger zu beklagen, der sollte sich jedenfalls zukünftig mit Solidaritätsbekundungen in Richtung Paris oder anderswo zurück halten. Man mag sich lieber gar nicht vorstellen, wie eine solche Einstellung seine Wirkung entfaltet, wenn Deutschland tatsächlich mal ins direkte Fadenkreuz von Terroristen oder feindlich gesinnten anderen Regierungen gerät.
Ich halte mich nicht für einen besonders mutigen Menschen, ich würde mir vermutlich vor Angst in die Hosen machen, wenn ich den Job zu tun hätte, den Soldaten weltweit tun. Denen aber mit einer derartigen Argumentation auch noch in den Rücken zu fallen, so feige bin ich dann auch wieder nicht!
Marco Gallina
Rein rechtlich ist die Sache pikant, da Karlsruhe vor Jahren festgestellt hat, dass die Bundeswehr nur im Rahmen eines UN-Mandates und – mit ganz dicken Bauchschmerzen – im Rahmen eines Nato-Einsatzes überhaupt im Ausland aktiv werden darf. Aber derlei Einwände werden ja heute abgeschmettert. Ist ja nur Recht und Gesetz in Deutschland.
Auch aus praktischen Erwägungen geht mir nicht in den Schädel, warum man glaubt, mit Militär das regeln zu können, was in den letzten nahezu 20 Jahren immer danebengegangen ist. Plötzlich soll der Militäreinsatz ein Heilmittel sein. Tatsächlich? Schon beim 11. September war es die saudische Beteiligung, welche die maßgebliche war. Die radikalen Wahabiten bereiten das Fundament, ob nun in Form von finanziellen Mitteln oder auf der Ebene der ideologischen Schulung.
Ob das Schlachtfeld nun Irak, Syrien, Afghanistan oder Libanon heißt: völlig egal, solange die Saudis und die Golfstaaten unbehelligt bleiben. Ein völlig unsinniger Krieg, an dem Interessenten vielleicht verdienen, aber das Problem in keiner Hinsicht löst.
Warum ist man bei Russland sofort mit Sanktion zugange – aber nicht bei der Türkei, die nachweislich seit Jahren vom IS-Öl gut leben kann (aufgedeckt bereits 2013 von frz. Journalisten)? Warum wird Katar nicht einfach mal die WM entzogen, um ein Exempel zu statuieren? Wo bleiben die Sanktionen gegen die „Hüter der heiligen Stätten“?
Die Wurzel des Problems liegt nicht in Syrien. Hackt man hier die Äste ab, wachsen sie eben woanders nach. Objektiv betrachtet der vermutlich dümmste Einsatz seit Jahren. Syrien ist zudem immer noch ein souveränes Land, wer nicht die Zustimmung Assads einholt – die Russen haben die, im Gegensatz zum „Westen“ – der begeht im wahrsten Sinne des Wortes Bruch des Völkerrechts.
Aber all das interessiert die Medien nicht. Auch nicht, dass die Tornadostaffel schon bessere Zeiten gesehen hat. Und wozu Deutschland Marineschutz schickt, wenn die Terroristen keinerlei Bedrohung der Marine darstellen, das wissen nur die Amerikaner.
Andreas
Ich komme auch zu gänzlich anderen Schlussfolgerungen.
Zunächst bin ich der gleichen Meinung, wie ich Sie bei Michael Klonovsky gelesen habe: Sollen unsere Soldaten allen Ernstes riskieren, lebendigen Leibes in einem Käfig verbrannt zu werden, damit syrische Jungmänner hiesige Strassencafes bevölkern können? Die gehen laufen und Von der Leyens Schrottarmee geht hin zum abgeschlachtet werden ?
Es scheint ja auch keine einhellig schlechte Meinung in der deutschen Politik über den sog. Is zu herrschen, oder kann mir bitte sonst jemand erklären, warum rückkehrende Schlächter und Vergewaltiger nicht augenblicklich wg. der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verhaftet werden und stattdessen weiter einer fürsorglichen Alimentation des Kuffar-Staates teilhaftig werden?
Weiterhin scheint es mir überhaupt ungehörig zu sein, Attacken auf die Geschäftsfreunde von Herrn Erdogan zu unterstützen, denn der ist doch unser mit Milliarden unterstützter Freund? Düpieren wir also unsere Freunde, oder sind die gar nicht unsere Freunde, sondern eiskalte Verbrecher?
Welcher Logik nach, tun wir so als wüßten wir nicht, dass der IS von den Saudis und Katar unterstützt wird und das mit Waffen deutscher Hersteller und schicken dann unsere Soldaten? Gehen wir davon aus, dass man mit Gewehren von Heckler & Koch wirklich nur um die Ecke schießen kann, also keine Gefahr besteht?
Nein, hier wird erneut das Leben von Soldaten riskiert, für Schmutz und Dreck und sonst gar nichts und ein Haufen Drecksäcke lacht sich scheckig und stopft sich die Taschen voll.
Das ist es, was der Bundestag beschlossen hat.
reiner tiroch
wenn bei der BW nirgendwo was funktioniert, nehmen unsere Jungs dann die 30.000 angespitzten Besenstiele mit?
Papsttreuer
Natürlich kann ich die Hinweise und Widersprüche zu einem kriegerischen Einsatz durchaus verstehen; ich habe ja selbst einige Punkte aufgeführt, über die man stutzen kann, hier in den Kommentaren findet man nun noch weitere Argumente. Manche davon teile ich, manche nicht. Worum es mir ging ist die Frage, ob das Argumente des WDR eines sein kann? Und da komme ich – wie zu lesen – zu einem eindeutigen Schluss.
Gottes Segen Ihnen allen!
Marco Gallina
Herr Honekamp,
ich glaube nicht, dass die hiesigen Kommentare – zumindest zähle ich meinen dazu – gegen ihren Beitrag per se, als vielmehr prinzipiell gegen die „Situation an sich“ gerichtet ist. In den deutschen Medien herrscht auch bei diesem Thema eine abgeschlossene Alternativlosigkeit. Existieren „echte“ Diskussionen über die Sinnhaftigkeit dieses Einsatzes? Wenn, dann kommt nur moralinsaurer Saft pazifistischer Art, oder eben die von Ihnen angesprochene Feigheit.
Die Option, dass es andere Möglichkeiten gibt, oder eine Debatte über unsere „Freunde“ – allen voran die Türkei, die Saudis und die Golfstaaten, aber in zweiter Reihe auch die USA, deren zweifelhaftes Verhältnis zum IS und eigenen geopolitischen Ziele kaum hinterfragt werden – anzustoßen, findet gar nicht statt. Ich erinnere mich noch lebhaft an die Diskussionen und die mediale Kontrabewegung zum Irak-Krieg, einem Krieg, an dem Deutschland selbst theoretisch nur sehr gering beteiligt war.
Und heute? „Das Kabinett verabschiedet den Einsatz“, las ich in den letzten Tagen oder hörte es. Völliger Unfug! Wenn hier wer zu entscheiden hat, dann der Bundestag als Bürgervertretung. Legislative statt Exekutive. Doch an solchen Punkten sieht man, wie es mit der Gewaltenteilung steht: in einer Großen Koalition frisst das GroKo die Legislative mit, sie ist Exekutive und Legislative zugleich, und Opposition existiert nicht.
Dieses Gefühl der Demokratielosigkeit, der Diskurslosigkeit, vereint mit der geballten Medienmacht, die vorschreibt, was man zu denken hat – die lässt eben den WDR-Kommentar nur folgerichtig erscheinen, denn einige Journalisten scheinen außerhalb gewisser Sphären nicht einmal denken zu können. Das weit größere, „gefährlichere“ Terrain – abweichende Meinung zum Sinn des Einsatzes – wird aber gar nicht erst geschliffen, da viel zu kontrovers. Man will gar nicht erst den Gedanken an eine echte, konträre, argumentative Meinung zulassen und bedient Seitenfelder mit Seitenargumenten.
Ich denke, darum geht es auch den meisten Kommentatoren hier, und weniger den Einwand, das man ihre Meinung für unpassend hielte.
Um es vielleicht deutlicher zu machen: in einer Ein-Kind-Familie stirbt mit jedem Soldaten eine mögliche Generation, eine ganze Familie aus. Im syrisch-arabischen Kulturkreis hat man mehrere Söhne, da ist der Verlust demographisch gesehen nicht gleichermaßen drastisch. Insofern wirkt es noch heuchlerischer, „unsere Jungs“ in den Sand zu schicken, indes diejenigen, deren Vaterland „wir“ da befreien, hier sitzen.
Ich weiß, diese Meinung kann Kritik hervorrufen: aber ich stelle dem entgegen, dass der dafür kritisierte polnische Politiker einem Volk angehört, das selbst in einem oft besetzten und geteilten Land stets um das eigene Überleben kämpfen musste, und im Zweiten Weltkrieg eben eine solche Exilarmee aufbaute, die in ganz Europa gekämpft hat. Diese polnische Exilarmee hat dabei nicht nur in der eigenen Heimat gekämpft, sondern auch ohne zu Mucken im süditalienischen Montecassino, wo polnische Armeekorps von den Alliierten zu tausenden Mann verheizt wurden. Die Polen haben diesen Blutverlust wie so vieles ertragen, und wurden noch am Ende des Krieges von Churchill um die Ostgebiete betrogen.
Aber auch hier wollte der Medientenor alle niederbrüllen und es den Syrern gewissermaßen als unzumutbar unterstellen, was in der Geschichte geradewegs Normalität war. Wie diese mediale Idiotie im Ausland – besonders beim polnischen Nachbarn – ankam, können Sie sich denken.
Auch Ihnen Gottes Segen.