„Fiat Lux“ ist der Beweis für den Antichrist auf dem Stuhl Petri? Manchmal fällt einem zu solchem Unsinn nicht mehr viel ein.
„Der Affe Gottes“ – eine Bezeichnung des Teufels – „hat sich im Vatikan breit gemacht!“ Okay, das ist eine der drastischeren Aussagen, die ich in Kommentaren zur Aktion „Fiat Lux“ (Impressionen hier, ich verlinke mal ausnahmsweise katholisch.de) gelesen habe, daneben gab es auch noch „versöhnlichere“ Beiträge wie die, es sei ein Sakrileg, auf den Petersdom Tierbilder zu projizieren, ein Zeichen der abgeschlossenen Verweltlichung, wenn man Umweltschutz und Klimawandel in dieser Art thematisiert, noch dazu finanziert von der Weltbank … da ist dann ganz schnell auch wieder von der „Neuen Weltordnung“ die Rede, davon, dass der Vatikan am Ende doch mit irgendwelchen finsteren Logengestalten gemeinsame Sache macht … waren da nicht auch Verbindungen zwischen Geheimlogen und den Jesuiten, zu denen der Papst auch zählt …?Unklar ist dabei, ob die Aktion überhaupt von Papst Franziskus mitgetragen wurde; andererseits fehlt mir die Phantasie, dass man das komplett an ihm vorbei entschieden haben sollte. Zudem nimmt man seitens des Vatikans auch Bezug auf das Heilige Jahr der Barmherzigkeit, bei dem man auch den Umgang des Menschen mit der Umwelt in Betracht ziehen müsse. Nun ja, so naheliegend finde ich den Zusammenhang nicht, aber sei’s drum: Fiat Lux hat nicht ohne Zustimmung des Vatikans stattgefunden, und der Papst wird Kenntnis gehabt und vermutlich nicht widersprochen haben.
Nun empfinde ich persönlich die Darstellung wilder Tiere und Naturvölker auf einer Kirche generell als – sagen wir mal – unglücklich. Andererseits ist die Symbolik, Umweltschutz auf dem Felsen der Kirche, dem Grab des Petrus, zu thematisieren, auch nicht von der Hand zu weisen und selbst eine Präsentation auf Leinwänden auf dem Petersplatz wäre demgegenüber zurückgeblieben. Und will man die Bewahrung der Schöpfung priorisiert auf die Tagesordnung setzen, dann ist die jetzt gewählte Methode sicher eindrucksvoll. Ich selbst kann den Bildern – gerade auch auf dieser spezielle Kirche – auch eine gewisse Ästhetik nicht absprechen.
Was bleibt als Fazit? Ich hätte die Aktion nicht unterstützt, verstehe aber, warum man sie gemacht hat, und kann daran nicht wirklich Erschreckendes erkennen. Die Nutzung eines Kirchengebäudes, egal welches, zu solchen Aktionen sollte nie eine Selbstverständlichkeit werden. Es ist aber auch keine Blasphemie, die exponierte Stellung einer Kirche auch für Zwecke zu nutzen, die nur indirekt kirchlich sind – noch dazu, wenn es nicht zu einer Regelmäßigkeit kommt, sondern es sich um eine gewisse Aktualität handelt. Kein Beinbruch also.
Was mich aber zunehmend nervt, ist der Versuch einzelner katholischer Interessengruppen, über solche Diskussionen zu verbreiten, Franziskus sei der Falsche auf dem Stuhl Petri. Gerade jetzt zeige sich die Weltlichkeit, die Verbundenheit mit der Weltbank, mit ökozentristischen Bewegungen die eine eigene Religion darstellten. Kurz, der Papst sei nicht katholisch und man müsse dem Gedanken Raum geben, es säße der Antichrist im Vatikan. Ich kann ja verstehen, dass es dem einen oder anderen nach Beneditkt XVI. schwer fällt, einen so ganz anderen Charakter als Papst zu akzeptieren, aber das ist nicht das Problem des Papstes sondern dieser Katholiken. Seit kurz nach dem Amtsantritt „stänkern“ diese ehemals Papsttreuen gegen Franziskus, und scheinen sich gar nicht darüber im Klaren zu sein, dass sie damit das Wirken des Heiligen Geistes beim Konklave in Frage stellen.
Und das beste ist: Bislang fehlt jeder Nachweis, dass der Papst sich gegen die katholische Lehre wendet. Das wünschen sich auch viele Kräfte außerhalb der Kirche, in seltener Einmütigkeit mit innerkirchlichen Papstkritikern. Die würden solche Nachweise zwar anders bewerten, scheinen sie aber dennoch herbeizusehen, um endlich Recht gehabt zu haben. Der Papst hat an der Morallehre der Kirche keine Änderung vorgenommen, er hat keine Änderung an der Sakramentalität der Ehe vorgenommen, keine Änderung an der Eucharistielehre. Er setzt sicher andere Akzente als sein Vorgänger, in seinen Reden und Predigten genau so wie mit seinen personellen Vorlieben, aber das ist nicht antikatholisch, das ist nur anders, als manche Katholiken sich das wünschen.
Ich habe mich mehr als einmal gefragt, wie ich denn mit meiner Selbstzuschreibung als „Papsttreuer“ umgehe, wenn der Papst Entscheidungen treffen sollte, die ich nicht mittragen kann, die ich für nicht von der katholischen Lehre gedeckt halte. Und wissen Sie was: Ich mache mir darüber erst wieder Gedanken, wenn es so weit kommen sollte! Seit gut zweieinhalb Jahren ist nämlich in dieser Richtung nichts passiert, auch wenn manche etwas anderes in die Aussagen des Papstes hineinorakeln wollen. Bis dahin verschwende ich mit solchen Überlegungen nur meine Zeit. Und das tun die, die versuchen, dem Papst nachzuweisen, dass er nicht katholisch – oder gar schlimmeres – sei, auch.
Marco Gallina
Ich mag die Veranstaltung ebenfalls nicht als Grund dafür ansehen, dem Papst nunmehr vorzuwerfen, er habe die Tiere in die Kirche geholt und damit dem Antichristen den Weg bereitet (man bedenke, an wen Franziskus und Antonius einmal ihre Predigten richteten). Dennoch, etwas Kritik sollte erlaubt sein.
Den Beitrag hatte ich bereits bei elsas Nachtbrevier gepostet, komme aber nicht umhin, ihn hier zu wiederholen.
Ich habe vermutlich weniger als Katholik, als vielmehr als jemand, welcher der Kunst und Kultur – insbesondere meines Heimatlandes – zuneigt, ein deftiges Problem mit der Veranstaltung. Pinguine auf Michelangelos Marmor und zeitgeistige Botschaften auf den ewigen Statuen der Apostel sind für mich nur mit Magenschmerzen zu vertragen. Einige Projektionen rufen mir eher Knut den Eisbär in Erinnerung als die ewige Größe Roms, das im Papsttum und der katholischen Universalkirche fortbesteht.
Für Generationen, für Jahrhunderte haben fromme Pilger das Petrusgrab aufgesucht, sind auf Knien über die Straßen gen Sankt Peter gerutscht, haben sich in tiefstem Gebet geübt und Lasten und Leid auf sich getragen, um diesen Tempel des Herren zu besuchen, der mit all seiner Pracht ein Vorzeichen auf den Himmel darstellen sollte. Dieser heilige Ort, wo die frühen Christen ihre Toten in den Katakomben verscharrten, dieses Symbol der italienischen Kultur, an dem Bramante, Raffael, Michelangelo und Caravaggio wirkten. Dieser Puls der Ewigkeit, erhaben über jedwede zeitgeistige Wendung, die diese Kuppel, diesen Platz, diese Kolonnade nie erschüttern mochte.
Vielleicht sollte man es als Katholik nicht so ernst nehmen. Aber fürwahr: als Italiener, als Kunstkenner, als Liebhaber des Ewigen, das doch gerade „meine“ Kirche immer so eifrig verteidigt hat, diese Entehrung dieses Bodens – das treibt mir einen spitzen Pfahl ins Herz, der meine Seele bluten macht.
Orte haben eine Aura, eine Atmosphäre, eine Seele. Das ist der Grund, warum eine Kirche im Inneren sich anders anfühlt. Warum insbesondere Klöster auch still und besinnlich erscheinen, wenn niemand da ist. Warum in Kreuzgängen die Gelehrsamkeit aller Generationen fortlebt, die früher dort gegangen sind. Das ist der Unterschied zwischen Sakralität und Profanität. Das ist der Grund, warum wir uns in der Messe benehmen. Das ist der Grund, warum wir etwas in diesen Räumlichkeiten spüren, eine Reinheit, die unsere Vorfahren pflegten, und immer unverfälscht war.
Mich erschüttert es bis ins Mark, dass man nun mit „Bewahrung der Schöpfung“ argumentiert, sich dafür aber des Marmors und Stucks, der Statuen und der Kuppeln entkleidet, die doch selbst ein Teil jener kreativen menschlichen Schaffenskraft ist, die von Gott kommt, und die Gott uns gegeben hat, um ihn in diesen Symbolen zu preisen und zu ehren.
Es ist schlicht eine Entehrung, eine Beleidigung, eine Schändung zugunsten des Zeitgeistes. Das Jahr der Barmherzigkeit mag ich bei Hunden, Clownfischen und Pinguinen auf Michelangelos Kuppel nicht sehen. Zeigte man Michelangelo, zeigte man Zurbaran, zeigte man Raffael und ihre Madonnen auf der Kuppel und der Loggia, ich könnte damit leben.
Aber nein, so nicht. So nicht.
Theodred
Sig. Gallina,
ein sehr schöner und sehr treffender Beitrag.Zudem wunderbar formuliert.
Vielen Dank dafür.
Konrad Kugler
Außer „verscharren“ sehr gut!
Jürgen Dolderer
also, die hohe Kunst in allen Ehren und auch die Künstler, aber wenn Gott der Schöpfer ist aller Lebewesen und das glauben wir doch, dann können diese Bilder dem toten kalten Marmor nichts anhaben und schon gar nicht entweihen. Der Petersdom, so großartig er ist- der Kölner Dom ist für mich aber wesentlich echter und großartiger und gen Himmel weisender- ist immerhin durch Ablassgelder finanziert und hat zur Spaltung der Christenheit beigetragen.
Andreas
.Klar, der Grund ist eigentlich banal: Die Kirchen greifen auf dieselben Marketing-und Unternehmensberater zurūck und diese empfehlen halt eine Anbiederung an rotgrūnes zur Erhöhung der Mitgliederzahlen-was natūrlich nicht funktioniert. Irritierend finde ich dabei schon mit welcher Leichtigkeit alles ūbernommen wird, was Mcdingens und co vorschlagen. Die evgl. Kirche kommt z. B. im Wdr-Radio in weiten Teilen ohne Gottesbezug aus. Mal sehen wie weit die katholische hier einsteigt. Man könnte allerdings befuerchten, dass dieser Wettlauf tatsächlich nicht von gutem Wirken beeinflusst ist.
Claudia Sperlich
Wo bleibt denn der schrille Schrei der Wahrer von Kultur und Christentum, wenn ein Papst Michelangelos Fresken schamhaft übermalt, und zwar so, daß diese Verschandelung mehrere Jahrhunderte hält und dann sehr aufwendig und kostspielig wieder restauriert wird? Na, keiner?
OK, Pius IV. kann man jetzt nicht mehr an den Karren fahren. Dann nimmt man halt, was man kriegt, um herumzustänkern, weil man ja so viel katholischer ist als der Heilige Vater.
Mir gefällt die Aktion Fiat Lux gar nicht. Ich finde zwar die Aufnahmen sehr schön, finde aber auch, daß sie auf einem großartigen Gebäude wie dem Petersdom nichts zu suchen haben. Nur – sie bleiben da ja nicht. Sie hinterlassen keine Spuren. Kein Restaurator wird durch sie in Lohn und Brot kommen. Auch sind sie kein Dogma. Also, bewahrt einfach die Ruhe.
Marco Gallina
Der Umstand, dass Daniele da Volterra danach nur noch den Schimpfnamen Braghettone trug, scheint mir Hinweis genug zu sein, dass es den „Aufschrei“ dazumal gegeben hat. Allerdings konnte man den kaum gegen eine Konzilsentscheidung – der Papst handelte nach den Beschlüssen von Trient – geltend machen.
Ob zudem die Umänderung der Darstellung des Heiligen Blasius und der Heiligen Caterina eine Verschandelung, oder nicht vielmehr unumgänglich war – die nackte Caterina posierte vor dem gebückten Heiligen Blasius direkt über dem Altar in einer höchst zweideutigen Pose – mag ich hier wiederum nicht als Fass aufmachen.
Bernhard Martin
Ich sehe das Problem weniger in dem, was er sagt (obschon das zuweilen recht unglücklich ist, wie ich meine), sondern in dem, was er nicht sagt. Er macht keine klaren Ansagen zu den bekannten Streitthemen, sondern wurschtelt rum. Andererseits knallt er in der Weltöffentlichkeit der Kurie einen vor den Latz, dass es sich gewaschen hat. Ich finde ihn in seiner plakativen Demut sehr… nun ja, ich bleib mal bei „plakativ“.
Beurteilen kann und will ich das alles nicht, aber der klare Stil seiner Vorgänger hat mir tatsächlich wesentlich besser gefallen.
Aber vielleicht komme ich auch einfach nicht damit zurecht, dass er wohl der Wunschkandidat der Gruppe „St. Gallen“ war…