Ist überall Rassismus, wo es behauptet wird? Oder gibt es auch Empfindlichkeiten, über die man weg kommen muss? Mein Beitrag bei disputata
Gestern ist auf disputata meine Erwiederung zu einem Beitrag von Anna Diouf zum Thema Gauland, Boateng und was das noch alles impliziert, erschienen. Meinen Lesern gerne auch zur Lektüre empfohlen …
„Wo kommen Sie denn her?“ – Diese Frage war bis vor kurzem noch ein recht unverfänglicher Small-Talk-Einstieg. „Ach, aus Untertupfing, da hatte ich mal einen Onkel zu wohnen …“ Bei den Vertretern der Mikroaggression – also denen, die Mikroaggressionen immer und überall wittern – kann eine solche Frage aber schon eine Falle sein, nämlich dann, wenn Sie sie einem Menschen mit anderer Hautfarbe, Sprache oder Kleidung stellen. Dann unterstellen Sie nämlich vermutlich (!), dass es sich bei diesem Menschen um einen „Andersartigen“ handelt, was gleichzeitig vermutlich (!) eine gewisse Minderwertigkeit insinuiert – so jedenfalls die Theorie.
Siegfried Simperl
Der Sprachwandel, der sich immer mehr beschleunigt, besteht größtenteils in der Erfindung neuer Wörter und im Import von Wörtern z. B. aus bestimmten Fachjargons in die Umgangssprache. Die Motivation derer, die da vorausmarschieren, ist, sich größer zu machen, als sie sind – ob sie nun ohne Not Wörter aus Wissenschaftssprachen im Alltag benutzen oder Wörter angloamerikanischer Herkunft ins Deutsche einbauen. In letzterem Fall will man seinem Gegenüber zu verstehen geben, daß man doch nicht der Provinztrottel ist, der man, wie man glaubt, in den Augen des anderen ist, sondern ein Weltmensch. Selten ist der Grund ein anderer, weshalb man auch treffend von „Blähdeutsch“ spricht.
Es gibt keine allgemein akzeptierte Definition von Rassismus. Viele Kontroversen über die Bedeutung des Wortes «Rassismus» erklären sich daraus, dass eine enge und eine weite Bedeutung des Ausdrucks parallel genutzt werden. Viel Beachtung fand in der neueren Diskussion auch ein Definitionsvorschlag von Albert Memmi:
«Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen.» (Albert Memmi, Rassismus, Frankfurt a.M. 1987, S.164).
Wenn also Verfassungs- oder Gesetzestexten der Begriff «Rasse» vorkommt (wie zum Beispiel im StGB Art. 261bis), keine Klarheit schafft ist die Verwendung dieses Begriffs in vielem ein Widerspruch. Denn der Begriff «Rasse» wird unterdessen als ein rassistisches Konzept, das heisst als typisches Element von rassistischen Ideologien, aufgefasst. Die Auseinandersetzung mit dieser terminologischen Schwierigkeit hat im deutschsprachigen Raum erst begonnen.
P.S.: Wer Zahlen und Fakten zum Rassismus in Deutschland sucht, kann sich übrigens an die jährlich durchgeführten Studien zur „Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ halten, die der Bielefelder Wissenschaftler Wilhelm Heitmeyer seit 2002 herausgibt – oder an eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung von 2010, die Spiegel Online auch als Infografik aufgearbeitet hat.