Ist das Herz Jesu ein Organ? So kann nur einer fragen, der – wie ich – zu kompliziert denkt.
Jetzt muss ich mich mal als „Newbie“ outen: Die Anbetung des Heiligsten Herzens Jesu ist etwas, das mir noch immer Schwierigkeiten macht. Irgendwie hat sich mir dieses Fest – nach langer Abwesenheit vom Glaubensleben – in den vergangenen Jahren nie richtig erschlossen. Das mag damit zusammen hängen, dass ich die entsprechenden Bilder und Jesus-Figuren immer zu süßlich fand – Kitsch-as-Kitsch-can – oder moderne Künstler das Thema so verfremdet haben, dass ich damit fast noch weniger anfangen konnte. Irgendwie hatte ich auch immer eine gewisse Reliquienverehrung vor Augen, bei der vor entfernten Organen von Heiligen gebetet wird, manchmal nur ein Knochen, manchmal ein ganzer Kopf. Wem’s zum Glauben hilft, gerne – aber nicht meine Art von Spiritualität.Schaut man sich im Internet um, gibt es auch nur wenig erhellende Fundstellen dazu. Ist denn nun mit dem Herzen Jesu das Organ gemeint? Wieso sollte aber dieses menschliche Organ des Mensch gewordenen Gottes etwas besonders anbetungswürdiges sein – also anbetungswürdiger als sein Haupt oder sein Mund? Um diesen Muskel in seinem Brustkorb kann es also wohl kaum gehen. Nun gebe ich zu, und kann angesichts dessen was und in welcher Art ich hier schreibe kaum verhehlen, dass mein persönlicher „Zugang“ zum Glauben sehr rational geprägt ist. Und vielleicht steht mir ja diese Art in dieser Frage im Weg?
Fündig geworden bin ich nämlich heute Morgen doch noch: Auf der Informationsseite der Gemeinschaft vom Heiligen Josef habe ich einen wunderbaren Absatz gefunden, der sich auf einen Abschnitt im Katechismus der katholischen Kirche bezieht. Darin heißt es:
478 Jesus hat während seines Lebens, seiner Todesangst am Ölberg und seines Leidens uns alle und jeden einzelnen gekannt und geliebt und sich für jeden von uns hingegeben: Der ,,Sohn Gottes“ hat ,,mich geliebt und sich für mich hingegeben“ (Gal 2,20). Er hat uns alle mit einem menschlichen Herzen geliebt. Aus diesem Grund wird das heiligste Herz Jesu, das durch unsere Sünden und um unseres Heiles willen durchbohrt wurde [Vgl. Joh 19,34.], ,,als vorzügliches Kennzeichen und Symbol für jene …. Liebe angesehen, mit der der göttliche Erlöser den ewigen Vater und alle Menschen beständig liebt“ (Pius XII., Enz. ,,Haurietis aquas“: DS 3924) [Vgl. DS 3812.].
Da frage ich mich: Wie blöd kann ich sein, dass ich „Herz Jesu“ als Begriff wörtlich nehme? Es geht natürlich um die Liebe, um das Herz als das Symbol der Liebe, und um das Herz Jesu eben als Symbol der Liebe Jesu zu jedem Menschen und ganz persönlich zu mir. Viel schöner aber auch anspruchsvoller auf der eben zitierten Seite:
Mit dem Hinweis auf die Liebe mit einem menschlichen Herzen wird hier das Ursymbol des Herzens angesprochen. Das „Herz“ ist in diesem Sinn nicht bloßes Körperorgan, sondern Prinzip und „Organ“ des menschlichen Personlebens, der innere Konzentrationspunkt des Wesens und Wirkens des Menschen als geistiger Persönlichkeit und daher auch Quellort und Sitz des religiös-sittlichen Lebens. Herz ist der Inbegriff von Mut und Tapferkeit, von innerlicher Einsicht, von Planen und Wollen sowie der sittlichen Entscheidung des ganzen, ungeteilten Menschen. Es handelt sich um ein Zeichen, das in seiner Bedeutung kaum erschlossen zu werden braucht, sondern in den meisten Kulturen und Sprachen von vornherein präsent ist. Die biblische Anthropologie sowie die geistliche Tradition der Kirche sieht das Herz als „Wesensgrund“ oder „Inneres“ des Menschen an, worin sich die menschliche Person für oder gegen Gott entscheidet. Wenn der Sohn Gottes wirklich Mensch geworden ist, dann liebt er uns auch mit einem menschlichen Herzen!
(Hervorhebung durch mich)
Und das kann einen wie ein Hammer treffen: Jesus liebt mich, natürlich auch in einer göttlichen Weise. Aber wenn man versucht, sich das vorzustellen, nähert man sich gefährlich einer unpersönlichen Liebe, einer generellen Zuneigung zu den Menschen, die mich selbst zwar einschließt aber nicht persönlich meint. Das allerdings ist bei Jesus anders und man könnte ihn kaum mehr missverstehen als ihn einfach als netten Philantropen, als generellen Menschenfreund zu betrachten. Das ist er sicher auch, aber er ist viel mehr als das: Er liebt mich ganz persönlich, von Mensch gewordenem Gott zu Mensch. Ich liebe meine Frau, ich liebe meine Eltern, ich liebe (auch wenn ich den Begriff da weniger verwende) den einen oder anderen Freund, aber liebe ich wirklich den Kollegen nebenan, den Passanten auf der Straße … liebe ich wirklich meinen Nächsten? Jesus tut das, und darin wird vielleicht umso deutlicher, dass er uns auch (!) mit einem menschlichen Herzen liebt, aber als Gott dabei ein deutlich höheres – nämlich ein unendliches – Potenzial zur Liebe entwickelt, als es mir möglich ist.
Dabei ist der Anspruch – wie wir wissen – genau der: Liebe Deinen Nächsten wie dich selbst, sei barmherzig wie es der Vater im Himmel ist … wir sind aufgefordert und unser Lebensziel sollte es sein, uns Jesus anzugleichen. Und doch sind wir als Menschen „gebrochen“ durch die Sünde, die uns dieses unendliche Potenzial zur Liebe nimmt: Neid, Missgunst, Hass, Egoismus … letztlich alles ein Mangel an Liebe. Wie heißt es im 1. Korintherbrief 13 (der bei Hochzeiten meistzitierte und wenigstverstandene Bibelvers):
Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit. Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf. […] Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.
Das ist einerseits Anspruch an uns selbst, an dem wir zum Glück aufgrund der Barmherzigkeit Gottes auch mal scheitern dürfen, solange wir nicht aufgeben, uns zu bemühen. Es ist aber vor allem auch der Maßstab der Liebe Gottes zu uns: Nehmen wir doch einfach diese Beschreibung der Liebe ernst und beziehen sie auf die Liebe Jesu zu uns. Vielleicht kann man das entsprechend an ein paar wenigen Stellen umformulieren:
Seine Liebe ist langmütig, seine Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Seine Liebe handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Seine Liebe freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit. Seine Liebe erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Seine Liebe hört niemals auf. […] Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist seine Liebe.
Über diese Liebe nachzudenken, sie zu betrachten – sie anzubeten, darum geht es, so viel ist mir klar geworden, bei der Herz-Jesu-Verehrung. Der Volksglaube nutzt dabei die Bilder des echten Herzens, wie man das Herz eben als Symbol der Liebe benutzt. Komplizierter ist es nicht, und wer komplizierter denkt, wird es wohl nicht verstehen können. Jesus liebt uns, Jesus liebt mich ganz persönlich … und er liebt mich mit einer Liebe, die jedes mir bekannte Maß übersteigt! Deshalb ist er geboren, hat gelehrt, gelitten, sich ermorden lassen, ist gestorben und wiederauferstanden. Aus Liebe … zu mir! Eigentlich ganz einfach, oder? Und doch so schwer für mich zu akzeptieren, dass es eine derartige Liebe überhaupt gibt, schwer zu akzeptieren, dass ich sie nur annehmen, sie mir nicht verdienen kann. Wenn das alles kein Grund für ein Hochfest ist, dann weiß ich es auch nicht!
akinom
Vielen Dank Herr Honekamp für die Ergänzungen meiner spät erwachten Herz-Jesu-Frömmigkeit.1945 am Herz-Jesu-Fest geboren – auch das habe ich erst vor wenigen Jahren erfahren – bin ich mit der Aufbruchstimmung und mit dem Stil der 50er Jahre groß geworden. Und alles Verschnörkelte und (fast) alle Heiligenbildchen und Herz-Jesu-Figuren waren für mich einfach nur Kitsch. Auch mit der Jesus-Darstellung der Heiligen Schwester Faustyna tue ich mich bis heute schwer.
Nachdenklich gemacht hatte mich ein evangelischer Christ, der von seinem Organspendeausweis berichtete. Probleme habe er mit keiner Organspende, das Herz ausgenommen. Das Herz sei ein besonderes Organ. Es gebe z. B. keinen Herzkrebs.
Irgendwo las ich dann von einem Vater, der an „gebrochenem Herzen“ gestorben war, weil er den Lebenswandel seines Sohnes nicht hatte verkraften können. Da wurde mir bewusst, was das mit der Lanze FÜR UNS durchbohrte Herz bedeutet:
Wir brauchen, ja wir dürfen den Tod dieses Vaters nicht sterben. Mit Jesu Worten auf dem Kreuzweg „Weint über euch und eure Kinder“ ist uns die „Berufung zum Weinen“ geschenkt worden, mit der wir unser Kinder weinend in den Himmel beten können. Das Herzblut hat Jesus für uns und für sie vergossen. Kann es etwas menschlich Tröstlicheres, Hoffnungsvolleres und Liebevolleres geben, als dieses verehrungswürdige Herz, das sich blutig und nicht kitschig auf Schmerz reimt?
Stefan Wehmeier
(NHC III,5) Der Herr sagte: „Ihr habt alle Dinge verstanden, die ich euch gesagt habe, und ihr habt sie im Glauben angenommen. Wenn ihr sie erkannt habt, dann sind sie die Eurigen. Wenn nicht, dann sind sie nicht die Eurigen.“
Wir sollen Jesus also nicht anbeten, sondern ihn – bzw. seine Erkenntnis – verstehen: Wahre Nächstenliebe ist nicht irgendeine „Moral“, sondern das Prinzip Eigennutz = Gemeinnutz! Und „der Herr“ war Jesus für die Urchristen (Gnostiker = Wissende) nicht, weil er etwa aufgrund einer „höheren göttlichen Moral“ Macht über sie hatte (die Macht hatten Geisteszwerge, die sich „Römische Kaiser“ nannten), sondern weil er über ein einzigartiges Wissen verfügte, das einige Wenige in Ansätzen, aber noch niemand ganz verstehen konnte. Für Moralverkäufer ist wahre Nächstenliebe aber eine Horrorvorstellung, denn dann wird die „Moral“ so überflüssig wie eine Taschenlampe (damals noch eine Kerze) bei Sonnenschein. Also hatte die „heilige katholische Kirche“, die sich die „Bildzeitung der Antike“ (die vier biblischen Evangelien) zu ihrem „Neuen Testament“ erkoren und Jesus zum „Gottessohn“ gestempelt hatte, nachdem sie im Jahr 325 zur römischen Staatsreligion geworden war, erst einmal nichts anderes im Sinn, als die originale Heilige Schrift des Urchristentums (Gnosis = Wissen) zu verbrennen und alle Gelehrten, die die Schriften gelesen hatten, zu ermorden. Die römische Armee unterhielt eine Spezialeinheit, um diese „Häresie“ (Gotteslästerung) auszumerzen. Etwas in dieser Art kommt immer dabei heraus, wenn in den naiven Kategorien „gut“ und „böse“ gedacht, bzw. zu denken versucht wird.
Jesus von Nazareth war jener Prophet, der sich als erster Denker über Gott erheben konnte, und den der Philosoph Friedrich Nietzsche in seinem Epos „Also sprach Zarathustra“ erst wieder neu erfinden musste, weil die „Bildzeitung der Antike“ (die Bildzeitung möge mir verzeihen) nur noch Unsinn über ihn verbreitet. Das Genie, wenn auch zum „Gottessohn“ erhoben, wurde von der Kirche zu einem moralisierenden Wanderprediger degradiert. Denn die Kirchenväter suchten sich zielsicher jene Schriften heraus, die sich am besten zum Moralverkauf eigneten, und erklärten alles andere für „Häresie“. Der Katholizismus ist darum nichts weiter als ein Cargo-Kult, wobei es sich beim „Cargo“ noch nicht einmal um eine originale Heilige Schrift, sondern eben um die „Bildzeitung der Antike“ handelt, die nur noch gegenständlich-naive Fehlinterpretationen der originalen Gleichnisse sowie abstruse Dichtungen enthält. Alle, die sich heute „Christen“ nennen, leben in diesem Cargo-Kult – und haben somit kein Recht, sich über irgendwelche Buschmänner lustig zu machen, die eine aus einem Flugzeug gefallene Coca-Cola-Flasche für ein „Zeichen der Götter“ halten.
Die Erkenntnis des Jesus von Nazareth wäre für immer verloren gewesen, wären nicht durch einen glücklichen Zufall im Jahr 1945 die „Heiligen Schriften von Nag Hammadi“ (wieder)-gefunden worden, die im Nachhinein betrachtet darum als wertvollster archäologischer Fund aller Zeiten anzusehen sind, und in denen im Kodex III auch das obige Zitat im so genannten „Dialog des Erlösers“ zu finden ist. Wie das Prinzip Eigennutz = Gemeinnutz zu verwirklichen ist, findet sich im Kodex II in den 114 Logien des Thomas-Evangeliums, welches als einziges Evangelium – zu Recht – von sich behauptet, die authentischen Worte des berühmten Propheten zu beinhalten: „Dies sind die geheimen Worte, die der lebendige Jesus sagte; Didymos Judas Thomas hat sie aufgeschrieben.“ Dennoch hat es bis 2007 gedauert, die Logien (logische Gleichnisse) zu entschlüsseln. Das ist damit zu erklären, dass alle, die sich bis dahin „wissenschaftlich“ damit befasst hatten, voreingenommen waren, d. h., sie haben Jesus für einen moralisierenden Wanderprediger gehalten, sodass sie mit den Gleichnissen nichts anfangen konnten. Die echte Lösung der Sozialen Frage war diesen „Wissenschaftlern“ gänzlich unbekannt.
http://opium-des-volkes.blogspot.de/2013/10/glaube-aberglaube-unglaube.html