Ist es tatsächlich schon normal, in die Gräber gerade verstorbener Menschen wie Udo Ulfkotte zu spucken? Nein, es zeugt von niederster Gesinnung!
„De motuis nihil nisi bene“ so heißt ein Spruch, der weithin bekannt ist und gerne zitiert wird, wenn es darum geht, bei Grabreden über den einen oder anderen Ausrutscher des Verstorbenen den Mantel des Schweigens zu breiten. Dabei wird das „nihil nisi“ meist mit „nur“ übersetzt: Über die Toten nur Gutes! Das ist zwar nicht ganz falsch, aber was ist, wenn es einem nicht gelingt, dem Verstorbenen irgendeine gute Eigenschaft oder Tat zuzuordnen – nicht unbedingt, weil es die nicht gäbe, aber weil man ihn einfach so wenig mag? Gemeint sein kann dann wohl kaum, zu lügen. Aus dem notorischen Ehebrecher am Grab einen geschätzten und treuen Ehemann zu machen, wird weder der Frau noch der Sorge um das Seelenheil des Verstorbenen gerecht.Nichts, es sei denn etwas Gutes
Darum ist die eigentliche direkte Übersetzung auch viel stimmiger: „nichts, außer …“ oder „nicht, wenn nicht …“: Über die Toten, nicht außer Gutes – oder noch besser: Über die Toten nichts, es sei denn etwas Gutes! Das macht den Umgang mit der Leitlinie, die sich tief in die westliche Kultur über den Umgang mit Toten eingegraben hat – auch wenn es kein christlicher Spruch ist – wesentlich deutlicher. Wer nichts Gutes über einen Verstorbenen weiß oder sagen mag, der möge eben schweigen. Nachtreten gegen einen Toten, der sich nicht mehr wehren kann, dessen Angehörige in Trauer sind, ist – so sehen das wohl die meisten – ungehörig. Insbesondere in direktem zeitlichen Zusammenhang mit seinem Tod. Sowas – bislang Konsens – tut man nicht. Später kann man über ein geistliches, politisches oder persönliches Erbe noch mal diskutieren, aber wem beim Tod eines Menschen als erstes nichts besseres einfällt, als ihn zu feiern, dem fehlt offenbar ein Anstandsgen.
Das hat viele bereits beim Tod einiger Despoten in der Vergangenheit gestört: Ob Saddam Hussein den Tod verdient hat, darüber mag man streiten, seinen Tod zu feiern gehört sich nicht. Ich habe wenig übrig gehabt für Lobhudeleien über Fidel Castro – mich aber einfach zurück gehalten nach seinem Tod; mir ist einfach nichts Gutes eingefallen, da empfiehlt es sich zu schweigen. Eklig fand ich einige Katholiken, denen beim Tod eines Dirk Bach oder erst kürzlich bei George Michael nichts weiter einfiel, als dass sie es durch ihren homosexuellen Lebenswandel schwer haben werden, das Himmelreich zu erreichen. Mag schon sein, dass das so ist, aber ist es das, was einem als erstes einfallen sollte? Und jetzt Udo Ulfkotte, dessen Herzinfarkttod mit 56 Jahren den einen oder anderen in den sozialen Medien zu verbalen Freundensprüngen verleitet, die ich hier nicht wiedergeben möchte.
Was man sagen kann, und was nicht
Man kann über die journalistische Leistung des Herrn Ulfkotte geteilter Meinung sein. Ich selbst kann mir kaum eine Meinung bilden, weil ich seine Bücher nie gelesen habe, die kolportierten Thesen immer eher belächelt. Aber selbst mit dieser Skepsis könnte es einem doch möglich sein, zu schreiben, dass ihn die Sorge um dieses Land umgetrieben hat. Man könnte schreiben, dass ihn die Zustände, die er in seinem Umfeld wahrgenommen hat – ob zu Recht oder Unrecht – schier zur Verzweiflung gebracht haben. Man könnte über sein Leben schreiben, wie es Klaus Kelle in differenzierter Weise in der Online-Tageszeitung GermanZ getan hat: Ganz offensichtlich in dem Bemühen, Udo Ulfkotte nicht posthum herunter zu machen, ohne zu verschweigen, dass er tatsächlich zu den umstrittensten Vertretern der Journalistenzunft gehört. Das alles könnte man tun.
Und wenn einem denn tatsächlich nichts Gutes zu Herrn Ulfkotte einfällt, dann sollte man schweigen. Wer dazu nicht in der Lage ist, über den wird es mir vermutlich schwer fallen, nach seinem eigenen Tod etwas zu schreiben. Denn „De mortuis nihil nisi bene“!
dilettantus in interrete
Nisi bene ist aber nunmal Adverb, also sollte man übersetzten: „außer wohlformuliert!“, wobei dies eigentlich hier gelungen ist.