Koalitionsverhandlungen sind kein Spaziergang. Aber wenn man ein wenig Struktur reinbringt, erkannt man, wo der Hase lang läuft.
Nehmen wir mal an, es gäbe in einem Land drei Parteien, die zusammen im Parlament eine Mehrheit besitzen, sodass sie eine Regierung bilden wollen. Der Einfachheit halber nennen wir sie einfach – Achtung, jetzt ist ein bisschen Abstraktionsfähigkeit gefragt – die Parteien A, B und C. Diese Bezeichnungen sind auch deshalb praktisch, weil sie auch weitgehend den Markenkern dieser Parteien wiedergeben, die wir der Einfachheit halber also mal genauso mit A, B und C bezeichnen wollen (keine Sorge, es wird nicht mathematisch, dann wäre das so nicht machbar).
Konsensorientierte Verhandlungen
Die jeweils anderen Parteien haben zu diesen Markenkernen auch eine Einstellung, die aber nicht ihren Markenkern ausmacht. Also: Partei B hat zum Markenkern der Partei A durchaus auch eine Position, nennen wir sie mal Ba, aber diese Position liegt ihr nicht allzu sehr am Herzen. Selbst wenn also Ba sowas wie –A wäre, also das komplette Gegenteil, dann wäre Partei B immer noch ihr eigener Markenkern B deutlich wichtiger, als das Verhindern von A. Und gleiches gilt für das Verhältnis aller dieser drei Parteien untereinander. Klar soweit?
In dieser „Laborsituation“ könnten diese drei Parteien durchaus einen Konsens finden, einfach indem man in Partei B über den eigenen Schatten zur Einstellung Ba springt, die Position A in einem Koalitionsvertrag zustimmt, dafür aber natürlich die eigene Position B dort auch auftaucht, während die Partei C ihre Positionen Ca und Cb auf die Seite legt und lediglich darauf besteht, dass die Position C Inhalt des Koalitionsvertrags wird, womit die anderen Parteien mit ihren Positionen Ac und Bc auch ganz gut klarkommen. Immer noch klar?
Durchsetzungsorientierte Verhandlungen
Nun ist die Welt aber kein Labor … und Partei B stellt sich plötzlich auf die Hinterbeine und fordert, dass die Partei A von ihrem Markenkern Abstriche machen soll, damit man dieser abgespeckten Position, nennen wir sie mal a, im Koalitionsvertrag zustimmt. Gleiches macht übrigens auch Partei C. Partei A sieht die Regierungsbildung in Gefahr und stimmt dem zu, will aber natürlich nicht als Verliererin dastehen – Gesichtswahrung ist ein wesentlicher Teil solcher Verhandlungen – und fordert darauf hin, dass auch die Parteien B und C an ihren Positionen Abstriche machen. Das hätten aber diese Parteien untereinander sowieso gefordert, sodass sich also Partei B auf eine abgespeckte Position b und Partei C auf eine abgespeckte Position c zurückzieht. Anstelle von ABC beinhaltet der Koalitionsvertrag am Ende also die Positionen abc.
DAS wird dann als Ausweis der Konsensfähigkeit der Parteien bezeichnet; Kritiker dieses Vertrags werden darauf hingewiesen, dass das nun mal der Wählerwille gewesen sei, wenn nur die drei Parteien A, B und C zu einer Regierungsbildung in der Lage wären. Und der Wähler von A staunt, weil er nun nicht nur die Positionen b und c vertreten sieht, die er nicht gewählt hat, sondern auch noch die Position a, wo er doch eigentlich die Position A hätte umgesetzt sehen wollen. Mit b und c wäre er vielleicht genau so klar gekommen wie mit B und C, aber a? Das war nicht sein, des Wählers Wille, als er sein Kreuzchen bei A gemacht hat. Und gleiches gilt natürlich für die Wähler der Parteien B und C. Am Ende sollen alle mit dem Koalitionsvertrag abc leben, den aber keiner der Wähler gewollt hat … und die Parteien stellen sich hin mit dem Argument, das sei aber demokratisch entschieden worden.
Demokratische Legitimation?
Was ist schief gegangen – denn demokratisch legitimiert kann man ja nun abc wirklich nicht ansehen, hat ja schließlich so wirklich niemand gewählt (höchstens parlamentarisch legitimiert, was nicht das gleiche ist)? Ich habe zwei Theorien, die auch in Kombination gelten können. Es kann sein, dass man sich für die angebliche eigene Gesichtswahrung seinen Markenkern hat abkaufen lassen. Das ist kein Kompromiss sondern eine verlustreiche Verhandlungsschlacht, bei der keiner mit einem auch nur annähernd legitimen Ergebnis rauskommt – aber Hauptsache, der andere hat seinen Markenkern verlassen müssen!
Und die zweite Theorie, die ich für die wesentlichere halte, bringt eine neue Position ins Spiel: D! (das Rufzeichen gehört dazu). Über D! redet man allerdings nicht gerne, sieht sich lieber als „Opfer“ des Wahlergebnisses, aus dem man – leider, leider – nicht mehr hat machen können. Oder man bedauert, dass man im Konsens eben nicht mehr hat durchsetzen können gegen die Sturköpfe der anderen Parteien, weshalb man seiner Verantwortung nachgekommen sei, damit das Land am Ende nicht ohne funktionsfähige Regierung dasteht. Mehr war nicht zu erreichen. Über D! redet man deswegen nicht, weil die Wähler sich bei den nächsten Wahlen vielleicht für eine Partei Q entscheiden könnten, bei der man zwar nicht sicher ist, ob sie nicht vielleicht auch in diese Richtung „umfällt“, die das bislang aber noch nicht getan hat. Oder – horribile dictu – am Ende stellen die Wähler das ganze System in Frage!
D!
Bis dahin aber lachen sich alle drei Parteien abends ins Fäustchen, denn D! haben sie alle erreicht, D! stellt den eigentlichen „Kompromiss“ dar, wobei es dabei gar nicht um einen Kompromiss geht sondern um die gleichlautenden „Markenkerne“ aller Parteien, die sich nur dann widersprechen, wenn man zu viel Wert auf A, B oder C legt. Tut man aber nicht, darum sehen die Parteien das Erreichen von D! als Erfolg, da kommt man auch mit abc ganz gut hin (hätte auch xyz akzeptiert). Und was ist D!? Es gibt eine freundliche Formulierung dafür: Regierungsbeteiligung. Eine weniger schöne: Macht!
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Bild: By calflier001 (REICHTSTAG BERLIN GERMANY APRIL 2012) [CC BY-SA 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons
Konrad Kugler
Mit D! liegen Sie richtig.
Diese charakterlose Politkaste will nur die Pöstchen behalten. DE ist denen egal.
Der natürliche Partner in dieser Koalition wäre die AfD, ohne die Linken. Dann wäre eine Neubesinnung oder Neuorientierung denkbar. Welch katastrophale Entwicklungen wären denn von dieser Partei durchsetzbar? Nema nischta! Selbst wenn diese Partei die absolute Mehrheit erringen würde, wären Beamtenschaft und Behörden völlig unwillig, plötzlich „rechts“ zu regieren.
Es wäre die genau entgegengesetzte Situation von 1933.
Konrad Kugler
Hab ich vergessen:
Der Geist des Konzils und die 68er Trottel und das ZdK und die Sozialisten und die Liberalisten und der Lutherismus und die Medien und der Klerus und die Exegeten und und un…
Papsttreuer
… und ich hatte mich schon gewundert …
Anton Vogel
Nun ihre Ausführungen mit Ab, Aa, Ba, usw. erinnern mich an meine Schul- und Lehrzeit : Vererbungslehre !
Nur habe ich auch gelernt, das das zwar in der Theorie ganz gut aussieht, aber in der Praxis die Natur doch ein bisschen macht was ihr gefällt……
??
Bei Parteien dürfte das in noch größerem Maße zutreffen, Da diese ja dem Volkswillen unterworfen sind und nicht irgend welchen Gesetzen….?