Für wen ist Weihnachten? Um die Frage zu beantworten, stellt man besser eine andere: Für wen ist Jesus in die Welt gekommen?
Es weihnachtet sehr … das ist vielleicht eine Formulierung auf die sich alle Christen einigen können. Denn immer, wo dieser Tage die Formulierung der „Weihnachtszeit“ auftaucht, werden manche nicht müde zu korrigieren, dass wir uns im Advent und nicht in der Weihnachtszeit befinden. Das ist richtig, geht aber trotzdem am Kern vorbei: Für die meisten Menschen da draußen ist jetzt Weihnachtszeit, und spätestens ab dem 31. Dezember ist die auch schon wieder vorbei. Wir Christen können selbst stringent vom Advent sprechen, das ist gut so und wird kaum weiter auffallen, aber der erhobene Zeigefinger entlockt den Menschen da draußen höchstens ein müdes Lächeln, eher genervt hochgezogene Augenbrauen. Und anziehend – im Sinne der Evangelisierung – ist das schon gleich gar nicht.
Was nervt?
Dabei muss ich zugeben, dass ich selbst in dieser Hinsicht einen ziemlichen Wandel durchgemacht habe: Vom „religiös unmusikalischen“ säkular lebenden Hedonisten über den in den Schoß der Kirche zurückgekehrten „strunzkatholischen“ Christen zum zurzeit sehr entspannt seinen katholischen Glauben Lebenden. Der Weg ist sicher nicht zu Ende und wer weiß schon, wie ich das im kommenden Jahr sehen werde. Wenn man mich allerdings fragt, was mich heute an der Kirche „nervt“, dann müsste ich sagen: Nicht Lektoren und Pastoralreferenten, -assistenten und wie sie alle heißen, die ihre Privatliturgie durchzusetzen versuchen, nicht Organisten, die Neues Geistliches Liedgut für den Gipfel des modernen Christseins halten, nicht die Priester, die den Embolismus weglassen, nicht ein Kardinal, der sein Kreuz schamhaft versteckt, wenn es ihm opportun erscheint, ganz sicher nicht der Papst, der so gar nicht meinen eigenen Vorstellungen davon entspricht, wie sich ein Papst idealerweise verhalten sollte. Sehr wohl aber diejenigen, die so sind, wie ich es vor ein paar wenigen Jahren auch war! Dass ich auch so war, macht mich zwar ein wenig demütig, aber das Gefühl genervt zu sein lässt sich davon leider nicht beeinflussen.
Dabei kann ich die Sorge durchaus verstehen: Dem aus dem öffentlichen Bewusstsein herausdiffundierenden Glauben mit Lilalaune-Angeboten an die Gesellschaft zu begegnen ist wenig erfolgversprechend: Wer findet schon in die katholische Kirche zurück, weil da statt klassischer Orgelmusik „Lied, das die Welt umkreist“ gespielt wird? Wer findet schon zum Glauben, wenn die Hürden für ein gelungenes Leben mit Gott scheinbar immer niedriger gehängt werden, man Toleranz und Akzeptanz für alles und jedes zeigt? Wer findet eine katholische Messe „ästhetisch besser“, in der statt einer vorgesehenen Liturgie mit Tanz und Showeinlagen experimentiert und der Kern – die Eucharistie – an den Rand gedrängt wird? Ist es der Kirche und dem Glauben der Menschen zuträglich, wenn Priester auf der Straße nicht als solche zu erkennen sind (wie allerdings auch viele Laien nicht eben gerne zu erkennen geben, dass sie Christen sind)? Nein, schön ist das alles nicht, aber der Ton macht die Musik und die Art der Kritik macht, ob jemand konservativ-christliche Avantgarde oder nur ein verknöcherter Grantler ist. Um es auf den Punkt zu bringen: Viel Kritik hilft nicht viel!
Was zieht an?
Dabei gibt es doch Alternativen: Man schauen auf die vom Augsburger Gebetshaus initiierte MEHR-Konferenz – dem äußeren Anschein nach fast freikirchlich, innen aber strunzkatholisch. Und das nicht als Mogelpackung sondern offensiv. Gemeinsames Abendmahl? Macht man da nicht, aber eine Eucharistiefeier mit separater evangelischer Abendmahlverteilung, das geht schon … bevor man sich zum Lobpreis wieder zusammen findet. Oder das jährliche Prayer-Festival, bei dem Jugendliche in Zelten übernachten, sicher auch eher weltlichen Spaß bei Sport und Spielen haben, in dessen Hauptzelt aber einen Großteil des Tages das Allerheiligste ausgestellt ist, vor dem die gleichen Jugendlichen andächtig knien und beten. So geht das! So setzt man prägnante Zeichen für den Glauben, nicht dadurch, dass man jede kleine Abweichung von den Rubriken in der sonntäglichen Messe penibel notiert.
Die alljährliche Frage
Es weihnachtet also sehr und nun stellt sich für manchen Katholiken die Frage, wie er denn mit den Festtagstouristen in der Christmette umgehen will. Mit denen, die mit dem Handy den festlichen Einzug von Priestern und Messdienern filmen. Mit denen, die schon zeitig ein Handtuch, ups, einen Mantel auf einen Platz in den vorderen (nicht ganz vorne) Reihen legen, um auch ja alles mit zu bekommen, was da an Programm geboten wird. Soll ich mich, will ich mich über „die“ aufregen und über die Rücksichtnahme des Zelebranten, der eher eine Predigt „light“ denn das diese Menschen erwartende Höllenfeuer bietet? Will ich die „Fernstehenden“ abgeholt sehen wo sie stehen oder sehe ich sie doch lieber draußen, die mir da am Heiligen Abend den Sitzplatz in der Kirche streitig machen?
Bevor die Kritikaster gleich wieder aufheulen: Nein, das ist nicht die Kernfrage von Weihnachten, aber sie berührt den Kern dessen, was uns als Christen ausmacht. Warum ist Gott Mensch geworden? Für die „Guten“, für die, die schon eine enge Beziehung zu Gott haben? Ist Jesus Mensch geworden und gestorben für die „kleine Herde“ derjenigen, die schon wissen, wie es läuft? Oder ist er gekommen, die Kranken zu heilen? Zu finden, was verloren war und ist? Wenn ich mir so sicher sein sollte, auf der richtigen Seite zu stehen (ich hoffe, die meisten sind demütig genug, sich nicht allzu sicher dort zu verorten) oder mich zumindest auf der „richtigeren“ Seite sehe als „diese anderen“, was bringt mich dann zu der Überzeugung, Jesus sei eher für mich geboren und nicht für die, die höchstens einmal im Jahr eine Kirche besuchen, Weihnachten sei eher mein als deren Fest?
Meine Aufgabe und mein persönlicher Maßstab an mich selbst
Natürlich: Ich bin, wie jeder von uns, ein Sünder, und Jesus ist auch für mich gekommen, ist auch für mich am Kreuz gestorben und wieder auferstanden. Aber da kommen jetzt zu Weihnachten „verirrte Schafe“ in die Messe, die noch nicht mal eine Ahnung davon haben, dass ihnen der Hirte fehlt. Ich bin nicht blauäugig genug, um zu glauben, dass aus all denen glühende Gläubige und Nachfolger Jesu werden. Aber – und mindestens das ist meine Verantwortung – wenn sich nur einer von der Kirche Jesu Christi abgestoßen fühlt, weil er meine verdrehten Augen gesehen hat, als er mal kurz auf’s Handy geschaut hat, dann habe ich direkt Klärungsbedarf mit dem „Boss“ da oben. Das heißt den Blick auf’s Handy nicht gut, aber das ist etwas, das der andere irgendwann mit dem Schöpfer klären muss. Meine Aufgabe aber ist eine andere: Meine Aufgabe ist es, so jemanden zu animieren auch über’s Jahr mal wieder in die Messe zu gehen. Meine Aufgabe wäre es, ihm deutlich zu machen, dass er hier – in der Kirche, in der Gemeinde, unter den Gläubigen – eine Heimstatt finden kann, die ihn herzlich aufnehmen wird – keine Vorbedingung außer der, sich ernsthaft für Jesus zu interessieren.
Ich weiß jetzt schon, der gefallene Mensch in mir wird sich am Heiligen Abend wieder echauffieren über die schon sprichwörtliche Frau, die ihren Weihnachtsgeschenk-Pelzmantel in der Kirche zeigen will, über Erwachsene, die sich noch weniger als kleine Kinder in der Kirche zu benehmen wissen, über Menschen, die die Messe als Eventangebot der Kirche (schließlich zahlt man ja Kirchensteuer) ansehen. Und genau darum habe ich diesen Beitrag geschrieben: Um mich selbst daran messbar zu machen! Er ist nicht gedacht als Vorwurf an die, die das anders sehen, aber als Motivation für diejenigen, die auch und besonders am Heiligen Abend einen anderen Anspruch haben, als eine ungestörte Messe zu verbringen. Ich verstehe die Kritiken und ich teile sie in den meisten Fällen, aber wesentlich ist etwas anderes an diesem Abend: Im Mittelpunkt steht Gott, der seinen Thron verlassen hat, Jesus und der Grund, warum er als hilfloser kleiner Mensch auf die Welt gekommen ist: Jesus first!
In diesem Sinne wünsche ich allen meinen Lesern, vor allem denen, die mir das ganze Jahr über, auch durch Zeiten eher seltener und vielleicht manchmal nicht so sehr ansprechender Beiträge, die Treue gehalten haben, ein gesegnetes Weihnachtsfest und – da ich vorher vermutlich nicht mehr zum Schreiben kommen werde – einen guten Rutsch in ein ebenso gesegnetes und friedvolles neues Jahr 2018!
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Bild: By Photo: Andreas Praefcke (Self-photographed) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC BY 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons
Gero
Euch Katholiken fehlt einfach ein eigener Luther. ;)
Nebenbei; den Evangelen wünschte ich aktuell aber auch wieder einige vernagelte Türen.
Nötig wäre es bei den derzeitigen Personalien dort.
Es haben sich beiderseits wieder zu viele Geldwechsler im Tempel versammelt.
Dem Wunsch für ein besinnliches und friedliches Fest schließe ich mich hiermit an.
Andreas
Was zieht an ?
Gottes Stimme. Und dann Menschen die Dir helfen auf sie zu hören, die Dir helfen zu verstehen, was das bedeutet, die Dir zuhören, die da sind um Dir zu helfen Deinen Weg zu finden, den Gott Dir bestimmt hat.
Die da sind.
Oder nicht.
Anton Vogel
Den Kirchen beider Konfessioinen täte ein Rückbesinnung auf die Bedeutung der Geburt Jesu und auf christlich Werte sehr gut ! Im Moment hat man eher den Eindruck, da sind Manager in Roben, die ihr Produkt anpreisen und es den Merktgegebenheiten anzupassen versuchen…
Auch ihnen eine gesegnete Weihnacht und ein gutes neues Jahr werter Herr Honekamp !