Ich lade Sie ein, das Mission Manifest zu lesen und zu erfahren. Vielleicht lesen wir es einfach gemeinsam?
Das Orkantief Friederike hat bei mir zu einer ungeplanten Übernachtung auf dem Weg von Hamburg nach Hause in Hannover geführt. Ärgerlich zwar, aber ich habe den Abend genutzt, intensiver in die Lektüre des „Mission Manifest“ einzusteigen. Leser dieses Blogs haben vielleicht bereits festgestellt, dass Mission gerade in den letzten paar Wochen ein vorherrschendes Thema hier ist. Und ich gebe zu: Auslöser waren die Berichte über die MEHR-2018-Konferenz und die ersten Eindrücke über die Thesen des dort vorgestellten Mission Manifest. Und bei der Lektüre ist in mir der Gedanke gereift, Sie dabei einfach mitzunehmen. Idealerweise lesen wir dieses Buch einfach zusammen, aber es wäre auch ein Gewinn, wenn meine Kommentare dazu Sie anregen sollten, es später einmal selbst zu lesen. Wie dem auch sei, ich werde einfach eine kleine Serie daraus machen und die 10 Thesen (die Präambel werde ich an dieser Stelle überspringen) für mich selbst durchdenken. Regelmäßige PAPSTTREUERBLOG-Leser kennen das schon: „Woher soll ich wissen, was ich denke, bevor ich gelesen habe, was ich geschrieben habe?“
Uns bewegt die Sehnsucht, dass Menschen sich zu Jesus bekehren
So lautet die erste These des Mission Manifest. Und was so einfach klingt, ist es in Wahrheit gar nicht. Denn die Frage ist doch, ob ich wirklich eine „Sehnsucht“ in mir spüre, anderen Menschen Christus nahezubringen, mit dem Ziel, dass sie sich zu ihm bekehren? Denn wenn ich diese Sehnsucht in mir hätte, dann hätte ich doch vermutlich schon die eine oder andere Chance, Jesus zumindest zu erwähnen, nicht ungenutzt gelassen. Dann hätte mich die Sorge, ob ich mich dabei richtig ausdrücke, nicht eher verschrecke, genau so wenig davon abgehalten wie die Sorge, mich damit vielleicht zu blamieren oder in dem Umfeld unmöglich zu machen. Diese Sehnsucht muss also erst mal in mir selbst geweckt werden – und das ist auch schon der Kernpunkt des Kapitels – dessen Titel eben eine These und einen Anspruch darstellt, weniger eine Beschreibung des Ist-Zustandes.
Aber wie erwecke ich eine solche Sehnsucht in mir? Die Hinleitung im Buch möchte ich dazu gerne rückwärts denken: Ich muss selbst tief in meinem Herzen glauben, umgekehrt sein zu Jesus. „Werde ich von Christus sprechen oder nicht? Gehe ich das Risiko ein, dass sich eine Tür öffnet oder schließt? Deswegen ist die Frage nach der Mission zuerst keine Methodenfrage, sondern eine Bekehrungsfrage.“ – so beschreibt es Markus Wittal in dem von ihm geschriebenen Thesenkapitel. Genau das ist es: Es geht nicht (zuerst) darum, ob ich die richtigen Worte finde, ob ich den richtigen äußeren Rahmen herstellen kann – zuallererst geht es darum, dass ich selbst bekehrt und beseelt bin von Jesus.
Begegnung Teil 1
Das aber setzt meine eigene Begegnung mit Jesus voraus. Ihm muss ich begegnet sein, seine Liebe muss ich erfahren haben, damit ich mich richtig bekehren kann. Und meine Missionstätigkeit muss am Ende genauso darauf hinauslaufen, Menschen Begegnungen mit Jesus zu ermöglichen. Ein wirklich gutes Beispiel, wie Jesus selbst Mission betreibt – noch heute und unter Nutzung menschlich geschaffener Rahmenbedingungen – möchte ich hier wiedergeben. Es ist keine Erfahrung, die ich aus erster Hand berichte kann, aber gerade darum ist sie so sprechend. Monika Metternich berichtet in einem Artikel in „Die Tagespost“ mit dem Titel „Mission für Zaghafte“ von einer Beobachtung, die sie vor einigen Jahren bei einem Abend im Kölner Dom gemacht hat, bei dem Missionare zum Verweilen im Dom eingeladen haben. Eher zufällig war ihr dort ein stark tätowierter junger Mann aufgefallen, der sich offenbar unsicher war, wie er sich in einer Kirche, geschmückt mit Kerzen, untermalt mit leiser Musik und dem Allerheiligsten auf dem Altar – verhalten sollte. Sie berichtet, dass er eine ganze Zeit lang auf den Altar schaute.
Das nachfolgende Zitat aus dem Bericht lassen Sie bitte eine Weile wirken, bevor Sie weiterlesen:
Nach schier endloser Zeit des unbeweglichen Stehens ging er langsam nach vorne, sichtbar unsicher in dem für ihn wohl nicht familiären Raum. Schließlich blieb er mit verschränkten Armen vor dem Altar stehen. Eigentlich wollte ich schon längst wieder auf dem Heimweg sein, aber ich konnte mich von der Szene nicht abwenden. Es war, als ob ein unsichtbares Band den Mann mit der Hostie auf dem Altar verband. Er stand sicher eine ganze Stunde so unbeweglich und in sich versunken. Und dann, ganz plötzlich, kniete er nieder.
Begegnung Teil 2
Wenn es Ihnen geht wie mir, dann hat Sie diese Geschichte im Herzen berührt. Ich hatte jedenfalls beim letzten Satz ganz plötzlich Tränen in den Augen. Mein Gott, was muss dieser junge Mann gesehen oder gespürt haben? Offenbar ist ihm klar geworden, wer das das vorne ist: Kein Stück Brot sondern der Erlöser selbst, der sich in diesem Brot so klein macht, wie man es sich nur vorstellen kann. Der Herr selbst ist es, der sich aus Liebe für uns alle, für Sie, für mich und auch für diesen Mann hingegeben hat. Da hat Begegnung stattgefunden! Aber Monika Metternich trifft es noch besser, wenn sie beschreibt: „An diesem Abend hat eine Begegnung stattgefunden. Und ich spreche nicht (nur) über den tätowierten Mann, sondern von mir selbst. Ich habe an diesem Abend zum ersten Mal realisiert, dass das, was ich von Kindheit an theoretisch „wusste“ – dass in der gewandelten Hostie Jesus Christus persönlich anwesend ist – eine reale Erfahrung ist. Ich habe sie bei einem anderen beobachtet. Ein völlig unbekannter, von Kopf bis Fuß tätowierter Mann hatte mir – durch sich selbst – die geheimnisvolle Gegenwart Christi vermittelt. Ein Wendepunkt, ich gebe es unumwunden zu.“
Ich weiß schon jetzt, dass ich diese Geschichte im Herzen in die nächste Messe mitnehmen werde. Denn der Bericht über die Begegnung des Mannes mit Christus, die zu einer Begegnung Frau Metternichs mit Christus geführt hat, führt jetzt auch zu meiner eigenen Begegnung mit Christus (und hoffentlich der vieler anderer Tagespost-Leser). Und Sie, liebe Leserinnen und Leser, sind nun auch Teil dieser Geschichte und ich möchte beinahe wetten, dass sie beim nächsten Mal mit einer anderen inneren Anteilnahme vor dem Allerheiligsten knien werden – vielleicht dramatisch anders, vielleicht nur ein bisschen, aber anders.
Entscheidungen
All dem gehen allerdings Entscheidungen voraus. Manchmal nur kleine, aber sie wirken. Der junge Mann in dem Bericht hat sich „überreden“ lassen, den Dom zu betreten. Das war eine Entscheidung, und diese Entscheidung beruhte am Ende immer auf dem Ruf Jesu – vermittelt vielleicht durch einen der missionarischen Helfer auf der Domplatte, die ihn eingeladen haben, mit einer Kerze in den Dom zu gehen, sich vielleicht nur umzuschauen, vielleicht dort zu beten. Und er stand dort eine ganze Weile – auch eine Entscheidung – bis er auf die Knie ging – die vielleicht wichtigste Entscheidung. Nebenbei geht es bei diesem Kniefall nie um eine Unterwerfung sondern um das Anerkennen, wen man vor sich hat: Gott selbst, den Erlöser, die Liebe selbst. Was soll man tun, wenn man das im Herzen erkannt hat? Auf die Knie sinken scheint mir naheliegend, beinahe logisch (andere mögen anfangen zu tanzen oder singen, aber ich kann den jungen Mann nur zu gut verstehen).
Und ich entscheide mich auch, ja zu sagen zu Jesus. Ich entscheide mich, mich berühren zu lassen von Jesus. Ich entscheide mich, mich für ihn senden zu lassen. Und dabei wächst in meinem Herzen die Sehnsucht – das ist bewusst ein Vorgang, kein Zustand! – anderen Menschen die gleiche Erfahrung nahezubringen. Sie müssen auf meine Hinweise, wie immer sie aussehen, nur einen kleinen Schritt tun, damit Begegnung mit Jesus stattfinden kann (auch dann, wenn ich das als „Missionar“ vielleicht gar nicht merke).
Kreislauf von Entscheidung – Begegnung – Bekehrung – Sehnsucht
So ist es beinahe ein Kreislauf: Meine Entscheidung führt meiner Begegnung mit Christus, zu meiner Bekehrung – auch ein Vorgang, kein Zustand! – die in mir die Sehnsucht wachsen lässt, dass andere Jesus begegnen, sich bekehren und in ihnen die Sehnsucht wächst … Meine Aufgabe ist es jetzt eigentlich „nur“ noch, diese Schritte selbst bewusst zu erleben, sie in gewisser Weise zu „erschmecken“. Im Mission Manifest wird dabei auf die Tauferneuerung in der Osternacht verwiesen. Als Christen werden wir einmal im Leben getauft, meist als Kinder, und würden diesen bewussten Moment der Entscheidung doch so gerne wieder erleben. Aber mindestens in diesem Moment der Osternacht kann ich eine erneute Entscheidung treffen, ganz bewusst meine Taufe erneuern.
Aus dieser bewussten Entscheidung wird die Offenheit zur Begegnung mit Jesus, werden die weiteren Schritte zur Umkehr erwachsen und daraus die „Sehnsucht, dass Menschen sich zu Jesus bekehren“. Vielleicht mag man argwöhnen, dass das alles wenig operativ sei, keine Hinweise darauf liefert, wie ich denn nun genau auf andere Menschen zugehen kann. Aber erstens ist das hier ja nur eine kleine Betrachtung zum ersten Kapitel des Buches und zweitens ist hoffentlich deutlich geworden, dass der junge Mann aus dem Bericht sicher auch keine Ahnung hat, wie er einen Menschen zu Christus führt … und es trotzdem – mit den Lesern der Tagespost und jetzt auch Ihnen – schon tausendfach getan hat.
Anziehung
Es geht eben nicht um Methoden und sichere Argumente. Am Ende des Kapitels wird Papst Franziskus aus „Evangelii Gaudium“ mit wenigen Worten zitiert, die das deutlich machen:
Alle haben das Recht, das Evangelium zu empfangen. Die Christen haben die Pflicht, es ausnahmslos zu verkünden, nicht wie jemand, der eine neue Verpflichtung auferlegt, sondern wie jemand, der eine Freude teilt, einen schönen Horizont aufzeigt, ein erstrebenswertes Festmahl anbietet. Die Kirche wächst nicht durch Prosyletismus, sondern durch ‚Anziehung‘.
Ich danke dem unbekannten tätowierten Mann aus dem Kölner Dom für seine Mission und meine Begegnung.
Gerd
„Die Christen haben die Pflicht, es ausnahmslos zu verkünden“
Da wird schwierig, wenn es wie heutzutage üblich, eine ziemliche Verwirrung darüber herrscht, was ein Christ ausnahmslos verkünden soll. Der Vorsitzenden unseres Pfarrgemeinderates verkündigt einen lieben Jesus, der ganz sicher nicht die AFD wählen würde und auf keiner Pegida-Demonstration zu finden wäre. Unsere Pastoralreferentin will sich für die „Sache Jesu“ starkt machen und antwortet auf die Frage was denn die Sache Jesu ausmacht, dass Jesus alle Menschen gleich geliebt hätte und wir doch seinem Beispiel zu folgen haben.
Auch ich habe eine Begegnung mit dem Herrn gehabt, gerade eben noch in der Messe, allerdings ist die Sehnsucht nach einer Bekehrung für meine Mitmenschen nicht so ausgeprägt, wie bei den Verfassern des Manifestes. Das mag daran liegen, dass ich mit meiner eigenen Bekehrung nie fertig werde, (ist ja auch harte Arbeit an sich selber) aber auch weil ich die Voraussetzungen für eine Mission, so wie ich sie verstehe, in unserer Gesellschaft gar nicht vorfinde. Wenn ich in meiner eigenen Familie (sozusagen das erste Missionsgebiet) eine Rundschau halte, stelle ich fest, dass eine Bekehrung zu Jesus gar nicht erwünscht ist. Es interessiert z.B. meinen Schwager nicht, was Gott in seinem Leben wirken könnte. Geschweige denn was er in meinem Leben gewirkt hat. Das ist höchstens noch eine persönliche Schwärmerei meinerseits, über die er selber längst hinweg gekommen ist. Liegt es da nicht nahe, den Staub von den Füßen zu schütteln und da weiter zu machen, wo die Bereitschaft zur Umkehr vorhanden ist? Zumal dies eine Empfehlung des Herrn an seine Jünger ist?
Simperl Siegfried
Ein wichtiges Wort: zeitgemäß. Denn unseren Glauben sollen wir sowieso leben, sonst haben wir keinen, und ihn verkündigen ebenfalls, aber nicht wie der Pfarrer. Wir sollten unseren Glauben so leben, aber immer zeitgemäß leben. Und darüber soll es immer gehen. Zeitgemäß bedeutet: in der heutigen Kultur, also in der Moderne. Diese Kultur hat seit dem 18. Jahrhundert im Westen mehr und mehr die christliche Weltanschauung verdrängt. Die christliche Weltanschauung ist auf den Glauben an einen Gott-in-der-Höhe aufgebaut, einen Theos, das griechische Wort für Gott, der sich von dort mit dem Kosmos und ganz besonders mit der Menschheit beschäftigt, Darum ist es im Grunde unwichtig ob man fromm einen Gott-in-der-Höhe bekennt und verehrt oder ein bekennender Atheist ist. Was Paulus im Galaterbrief (5,6) beschreibt, gilt auch hier. Es zählt nur ob man von der uns innewohnenden Urliebe Gott sich bewegen lässt. Und darüber sollten wir sprechen. Und nur sie wird den eschatologischen Traum von Paulus wahr machen, dass die Urliebe Gott einmal alles in allem sein wird.
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