„Kirchenthemen will doch keiner mehr hören“ könnte man meinen. Aber das ist nur halb richtig – die Gelegenheit zur Mission ist immer da.
Vor einiger Zeit geisterte die selbst in Kirchenkreisen verbreitete These durch die Welt, dass Länder, in denen das Christentum wächst, eben aufgrund ihrer materiellen Not den Glauben nur als Rückzugsgebiet sähen. Wer nichts mehr hat, der hat dann wenigstens den Glauben. Mir blieb damals schon die Spucke weg bei einer derartigen Arroganz – nicht weit entfernt von den „armen Negerlein“, die man an die Hand nehmen müsse, damit aus ihnen noch mal was wird.
Not lehrt beten
Wahr ist allerdings eines daran: Not – so eine viel treffendere Weisheit – lehrt beten. Im Hinterkopf hat man dabei materielle oder körperliche Not. Wer Hunger leidet und aus dem Hunger keinen Ausweg sieht, der ist zurückgeworfen auf die brutale Wahrheit, dass er sich selbst nicht „leben machen“ kann. Lebenskrisen sind es, oft verbunden mit materieller Not oder Krankheit, die einem die Begrenztheit eigener Handlungsmöglichkeiten aufzeigen und den Blick auf den Mann am Kreuz richten lassen, der Not auf sich genommen hat – für uns. Das ist übrigens etwas ganz anderes als die Vertröstung auf das Jenseits, es ist eher die Erkenntnis, dass das Jenseits schon jetzt ausstrahlt, dass das Jenseits mit dem Jetzt zu tun hat.
Heißt das aber, dass die mangelnde Not bei uns, in Westeuropa, notwendigerweise zu einem Mangel an Gebet und zu einem Mangel an Glauben führen muss? Macht Wohlstand atheistisch? Ist das eine zwingende Entwicklung, der wir als Christen nur wehmütig zusehen können, kleine Missionserfolge haben werden, aber den Trend des Niedergangs der Kirchen nicht werden aufhalten können? Bereits in den Thesen 1 und 2 des Mission Manifest klang die Überzeugung durch, dass der tatsächlich zu beobachtende quantitative Niedergang der Kirche keine gesetzte Größe ist, man sinkende Mitgliederzahlen nicht einfach in die Zukunft fortschreiben muss.
Geistliche Not
Allerdings weist Sophia Kuby im Kapitel 3 noch auf einen anderen Zusammenhang hin, den die meisten gar nicht so sehr im Kopf haben: Es ist doch nicht so, als ob es bei uns keine Not gäbe, sogar flächendeckende Not, aber eine, die nicht so offensichtlich ist wie die Bilder hungernder Kinder oder krankheitsgeplagter Menschen aus der dritten Welt. Und diese Not, die wir als Christen in den Blick nehmen müssen, ist womöglich viel existenzieller, weil sie eben auf das Jenseits ausstrahlt. Bezeichnet werden sie als Wunden – als Wunden des Verlusts der Gemeinschaft und des Verlusts er Identität. Perfide an dieser Not ist, dass sie als Fortschritt eingestuft wird: ein ausufernder Sozialstaat, ein Zurückdrängen „veralteter“ Lebenskonzepte der Form Vater-Mutter-Kinder, die Libertinage in der Sexualität, die angebliche Offenheit der eigenen Identität für jede selbstgewählte Veränderung … das sind Themen, die Hardcore-Katholiken selten bedrohen, wenn sie ihre Wurzeln im Glauben haben, aber es sind trotzdem Nöte, die die Menschen um uns herum belasten, wenn auch immer noch vorgegaukelt wird, dieser angebliche Zugewinn an Freiheit sei doch ein positiver Wandel.
Statistiken zu Depressionserkrankungen oder Selbstmordraten sprechen eine andere Sprache. Und selbst das machen die Ideologen der Selbstbestimmung (und ich betrachte mich selbst als Libertären, aber das hier ist etwas ganz anderes) zu ihrem Geschäftsmodell, in dem sie die Entscheidung, aus dem Leben zu scheiden als den ultimativen Beweis der Freiheit feiern. Der Mensch in psychischer Not wird mit diesen „Einsichten“ sich selbst überlassen … denn die Entscheidung muss er als freier Mensch schon alleine treffen. In solchen Momenten steigt der Bedarf, die Sehnsucht nach echter Liebe. Aber was bietet die Welt? Keine echte Hilfe, kein Anker, kein Rückzugsort, nirgends. Wo früher eine Familie aufgefangen hat, ist es heute oft nur noch ein Therapeut, der persönliche Hinwendung hoffentlich als Berufung sieht, der das eben aber auch beruflich tut. Echte Liebe – aus der Familie oder von Freunden – ist das alles nicht, die müsste anders aussehen.
Die Gelegenheit nutzen?
Wenn ich im Beitragstitel den Begriff „Gelegenheit“ benutzt habe, könnte der jetzt einen falschen Zungenschlag bekommen: Sollen wir diese Art der Not als „Gelegenheit“ zur Mission begreifen, als Kirche quasi von der Not der Menschen profitieren? Fast wäre ich geneigt, zu antworten „Was denn sonst?“, aber das wäre zu platt. Nur kann uns die Not der Menschen doch auch nicht egal sein. Wir können ja nicht so tun, als ginge uns die Not des anderen nur deshalb nichts an, weil sie keine materielle Not ist, sie vielleicht aus eigenen Lebensentscheidungen selbst verschuldet ist oder die Betroffenen diese Not selbst verdrängen. Wenn wir andererseits ehrlich sind, können wir die Not dieser Menschen nur mit einem Mittel wirklich fundamental lindern: Nicht mit Therapieangeboten oder Selbsthilfegruppen, nicht mit psychologischen oder psychotherapeutischen Mitteln, nicht mit sachlichen Argumenten gegen die Fehlentwicklungen in der Welt – das alles kann unterstützen, aber die Lösung liegt in einer anderen Person – in Jesus Christus. Zu ihm müssen wir die Menschen führen, wenn wir in uns die Sehnsucht spüren, die Not dieser Menschen wirklich zu lindern.
Das allerdings ist für mich die Kurzdefinition von Mission: Menschen zu Christus führen! Und das betrifft vor allem (wenn auch nicht nur) diejenigen, die von ihm noch nichts oder lange nichts mehr gehört haben (oder haben hören wollen). Und das ist die Aufgabe, das ist der Zweck der Kirche: Mission! Kuby schreibt am Ende des Kapitels zur dritten These des Manifests: „Wer, wenn nicht die Kirche, kann den Weg zur Quelle dieses lebendigen Wassers weisen?“ WerSollen wir also die Gelegenheit der Not nutzen, um Menschen zu Christus zu führen? Darum: „Was denn sonst!“ – Oder als Gegenfrage: Will ich Menschen in dieser Not tatsächlich ohne Jesus zurücklassen, oder versuchen, ihnen ohne Jesus zu helfen? Es ist nicht die bewusst etwas polemisch gestellte Frage, ob ich eine günstige Gelegenheit zur Mission nutzen (oder „ausnutzen“) „will“ – ich muss! Wir müssen! Jedenfalls dann, wenn wir uns als Christen begreifen.
Große Ränder
An die Ränder gehen, dazu fordert uns Papst Franziskus immer wieder auf. Wenn ich das ernst nehme, dann sind das in unseren Breiten nicht nur Obdachlosenheime und der Bettler auf der Straße, dann ist das mein Kollege, eine Freundin, ein Verwandter … alle, die keine Beziehung zu Christus haben, von ihm vielleicht außer ein paar halb vergessener Brocken aus der Schule auch gar nichts mehr wissen. Dieser Rand ist riesengroß – „aber es gibt nur wenig Arbeiter.“ (vgl. Lukas 10,2) – Will ich nicht einer davon sein?
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Bild: Bernd Kasper – www.pixelio.de
Andreas
Nehmen wir mal an, jemand würde sich für veganes Essen interessieren.
Einfach einem Impuls folgend.
Er geht zu einer nahen Vereinigung die damit wirbt, alles darüber zu wissen und dem Suchenden zu helfen.
Er nimmt an mehreren, freundlich gestalteten „Meetings“ Teil, in denen der Leiter aber nur über Methoden erzählt, Esswettbewerbe zu gewinnen und wie ein gutes Spanferkel gelingen könnte. Außerdem möchte er über schnelle Motorräder und die Integration nicht veganer Grillfeste in die Vereinstreffen sprechen.
In der Pause laufen alle zu einem amerikanischen Schnellimbiss und nehmen den Tripplehamburger.
Mit verschwörerischer Stimme bekommt unser Interessent zugeraunt, dass man an diesen veganen Quatsch sowieso nicht glaubt.
Nach ein paar Treffen hat er die Nase voll und- da der Impuls auch nicht so groß war beschließt er, wie bisher zu leben.
Wer mag, kann Parallelen finden.
Lehrer Lämpel
@Andreas
Vielleicht käme der Veganinteressierte in Ihrem Beispiel aber zumindest nach einiger Zeit des Abstands von seiner ernüchternden Begegnung mit den „Scheinveganern“ zu der Erkenntnis, dass es doch vielleicht zu pauschal gedacht ist allen sich zu veganer Lebensweise Bekennenden pauschal Scheinheiligkeit und Lüge zu unterstellen und er unternimmt nochmals neue Versuche bei anderen Veganergruppen, deren praktische Lebensweise zu studieren und kennenzulernen.
Wir erlebten heute eine hl. Messe in einem Altenheim mit nur insgesamt 6 Teilnehmern – alles sog. fromme „hardcore Katholiken“, wie sie Herr Honekamp vielleicht nennen würde.
Ausgehend vom Evangelium über die Heilung der von Dämonen besessenen Tochter der Syrophönezierin im Evangelium sprach der Priester von seinen persönlichen Erfahrungen/Begegnungen mit dämonischer Besessenheit heutzutage (inkl. der klaren Unterscheidung solcher Phänomene von psychischen Erkrankungen) und über einen ihm persönlich bekannten Exorzisten, dem er zeitweilig geholfen hat.
U.a. sagte er, dass er so offen in einem normalen Sonntagsgottesdienst nicht (mehr) hierzulande sprechen könne, da es dann Unverständnis und Angriffe bzw. Spott gäbe.
Gerd
>>…..da es dann Unverständnis und Angriffe bzw. Spott gäbe.<<
Es gibt da eine besondere Stelle im Evangelium, als die Jünger Jesu darüber stritten wer den von ihnen wohl der größte sei. Jesus hat sie wohl dabei belauscht und etwas später, abseits der Menge, folgende Frage gestellt: "Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde?" Als diese das unisono bejahten, wird er sie wohl verständnisvoll angeschaut haben, allein schon ihre Bereitschaft das zu tun, war ihm wohl genug. Und er schaute in die Zukunft als er darauf antwortete: "Ihr werdet den Kelch trinken, wer aber von euch welchen Platz einnimmt im Himmelreich, darüber bestimmt nur der Vater."
Worauf ich hinaus will ist folgendes: Wenn ein Priester meint in einem Sonntagsgottesdienst nicht mehr die Verkündigung vornehmen zu können, weil ihm dann Spott und Unverständnis entgegen schlägt, ist der Sinn jeder Mission schon zum Scheitern verurteilt. Gerade Spott oder Hohn und Angriffe, sind bei der Verkündigung des Evangeliums Grundvoraussetzungen, die dem Herrn und allen die ihm nachfolgen auferlegt werden. Ich kenne einige Priester die gemobt, ignoriert, ausgegrenzt und aus den Gemeinden gejagt wurden. Allen ist eines gleich: Sie tun es für ihren Meister und Herrn, der vor ihnen gemobt, ignoriert, ausgegrenzt und aus der Welt gejagt wurde.
Lehrer Lämpel
@Gerd
Nun, das Evangelium hört JEDER im Gottesdienst – auch wenn es um Dämonenaustreibung geht.
Was der Einzelne davon annimmt und glaubt, liegt bei ihm selbst.
Viele heute halten sich für sehr viel aufgeklärter und geistig überlegener gegenüber Menschen früherer Zeiten etc.
Sie halten solche Evangelienberichte daher entweder für erdichtet, erfunden, übertrieben o.ä. und erklären in überlegener Attitüde angebliche Besessenheit mit psychischen Erkrankungen oder mit anderer Erkrankung.
Es gibt auch das Wort des Herrn, das einem selbst Wertvoll-heilige nicht wie kostbare Perlen vor die Säue zu werfen, denn diese zerreißen und zertrampeln es, ohne der Wahrheit und den Wert zu erkennen.
Gerd
Missionsgebiet Freundeskreis undFamilie:
„Das homosexuelle Paare den Segen verweigert bekommen ist doch rassistisch.“
„Katholische Priester brauchen eine Frau, dann hört das auch mit dem Missbrauch an Messdiener auf!“
„Warum rennst du noch zur Kirche?“
„Gerd du musst mit der Zeit gehen, Homos sind ganz normale Menschen!“
„Der Papst ist cool, der fährt Fiat!“
„Abtreibung muss jede Frau selber entscheiden!“
„Ob jemand leben will oder nicht muss jeder selber entscheiden!“
„Wenn ich mal alt bin, und ich nur noch sabbere, dann lieber die Spritze!“
„Ich weiß gar nicht was du gegen Flüchtlinge hast, du bist doch Katholik, schon mal was von Nächstenliebe gehört?“
Andreas
@Lehrer Lämpel, ja da gebe ich Ihnen vollkommen Recht. Letztlich bleibt es für “Nichthardcorekatholiken“ aber schwierig, die Nadel im Heuhaufen zu finden.