Schubladen gibt es nicht nur für Socken sondern auch für Menschen. Und unter ihnen sind die Mütterschubladen noch mal besonders heiß umkämpft.
Ich mag Schubladen nicht! Wenn ich versuche, z.B. Wäsche in Schubladen zu sortieren, dann gibt es immer irgendwelche Teile, die nicht reinpassen. Z.B. die Sockenschublade: hier finden sich Socken, Söckchen, Strumpfhosen und Leggings. Sind das nicht unterschiedliche Kleidungsstücke? Am Ende ist die Schublade auch meistens zu klein, so dass ich mir etwas Neues ausdenken muss.
Mütterschubladen
So ähnlich geht es mir, wenn ich an die Schubladen denke, in die z.B. Mütter so gerne „einsortiert“ werden. Da sind natürlich die Vollzeitmamas, die Teilzeitmamas, die Helikoptermamas, die Mamas, die Vollzeit arbeiten gehen, die Alleinerziehenden, die Fremdbetreuer, die Selbstbetreuer, usw. Aber auch andere Menschen werden in Schubladen einsortiert. Kinderlose Frauen sind z.B. schnell Karrierefrauen, die keine Kinder wollen usw.
Interessant ist, dass man sehr schnell dabei ist, jemanden in eine Schublade zu packen, ohne wirklich etwas über die individuelle Situation des Anderen zu wissen. Ich habe das selber oft genug gemacht.
Schublade „kinderlose Doppelverdiener“
Ich hatte viele Jahre überhaupt keine Ambitionen, Mutter zu werden oder eine eigene Familie zu haben. Ich habe viel und gerne und mit Herzblut gearbeitet. Auch als ich mit Ende 20 Felix kennengelernt habe und wir schnell entschieden haben, unser Leben zusammen zu verbringen war Familie gar kein Thema. Wir waren klassische kinderlose Doppelverdiener, haben die Wochenenden auf dem Golfplatz verbracht, sind viel verreist und dachten, dass das ausreicht. Mit Kindern hatten wir gar keine Erfahrung.
Ich habe dann auch erlebt, dass viele meiner Freundinnen langsam aber sicher Kinder bekommen haben und auf einmal ihr Leben komplett umgestellt haben. Sie haben gekündigt oder ihre Arbeitszeit reduziert und die Themen haben sich komplett geändert. Ich dachte immer, dass Kinder doch sehr belastend sind. Also war für mich klar, wie ich das machen würde. Ich würde nur kurz zu Hause bleiben und das Kind müsste schnell in eine KITA kommen. Ich konnte mir nicht vorstellen, auf meinen Job, den Verdienst und die Anerkennung zu verzichten, nur weil ein Kind da ist.
Schublade „Vollzeitmama“
Familientechnisch sind wir ja echte Spätstarter. Viel zu lange haben wir damit gewartet, das Abenteuer Familie zu wagen. Als wir uns dann entschieden hatten, es zu versuchen, hat es lange nicht geklappt. Es sah sogar so aus, dass wir keine Kinder haben können. Und dann hat es doch geklappt. Ich war 38 Jahre alt, als unser Sohn geboren wurde. Mit 40 Jahren kam dann unsere Tochter. Was für ein Wunder! Am Anfang der Schwangerschaft mit Paulus (wir hatten vorher schon zwei Fehlgeburten gehabt) war ich noch überzeugt, Karriere und Familie zusammen hinzubekommen. Im Verlauf der Schwangerschaft habe ich immer mehr gespürt, dass ich das gar nicht möchte.
Wir haben dann irgendwann zum Ende der Schwangerschaft eine Kalkulation ohne mein Einkommen vorgenommen, haben einige Veränderungen in die Wege geleitet (Umzug, Änderung des Konsumverhaltens, neuer Job für Felix, etc.) und dann entschieden, dass ich den Job aufgeben werde und erst einmal komplett für das Kind da sein werde. Das ist bis heute der Fall. Gott sei Dank kommen wir mit einem Einkommen sehr gut zurecht. Ich weiß, dass diese Option für viele Familien nicht in Frage kommt, obwohl sie es gerne genauso machen würden.
Offen bleiben!
Mir fällt immer wieder auf, dass es gut ist, das eigene Familienmodell genau zu beleuchten und immer wieder zu schauen, ob es den Kindern auch wirklich gut geht. Dabei sollte man grundsätzlich offen sein, aus Erfahrungen lernen, vielleicht neue Entscheidungen treffen und auf das Bauchgefühl hören. Wichtig ist, dass man nicht zu sehr in Schubladen denkt, denn damit engt man sich ein und verliert den Blick auf die vielen Möglichkeiten, die es noch gibt. Und man sollte nicht zu sehr darauf schauen, was alle anderen machen, denn was für die anderen Familien stimmen mag, ist für die eigene Familie oder die eigenen Kinder nicht unbedingt das Beste.
Ich versuche mit vielen Menschen in meinem Umfeld ins Gespräch zu kommen. Dadurch lerne ich andere Familien und deren Beweggründe besser kennen und ich kann von unserem Familienmodell erzählen. Und dabei erwische ich mich immer wieder dabei, jemanden doch wieder in eine Schublade gesteckt zu haben, in die diese Person gar nicht hineingehört.
Kämpfen wir für mehr Möglichkeiten in unserer Gesellschaft, den individuellen Weg, den man gehen möchte, auch umsetzen zu können. Dabei sollte das Wohl der Familie mit allen Familienmitgliedern einen hohen Stellenwert haben.
Muttertage – die Serie auf dem PAPSTTREUENBLOG: Ein bisschen Glauben, ein bisschen Politik, vor allem aber ganz viel Familie und Muttersein – Beiträge geschrieben von meiner lieben Ehefrau und der Mutter unserer beiden Kinder! Alle Beiträge sind zu finden in der Kategorie „Muttertage„
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Bild: Gabi Schoenemann – www.pixelio.de
Gero
Hallo,
ich möchte einmal eine Lanze für die Schubladen brechen.
Auch gerne und falsch „Vorurteile“ genannt.
Lebewesen haben in Jahrmillionen gelernt, aus vergangenen Erfahrungen auf die Zukunft zu schließen.
Rascheln im Gras….man sieht aber nichts? Gefahr!
Obwohl es vielleicht nur ein dicker Käfer ist.
Jemand, der anders aussieht als man selbst? Anderer Stamm!
Könnte Freund sein oder werden, kann aber auch den Schädel einschlagen wollen.
Besser vorsichtig sein, weil im Fall „2“ irreversibel.
Lassen Sie uns die Schubladen und Vorurteile doch einfach umbenennen.
Denn sie sind in Wirklichkeit eigentlich selbst erfahrene oder von den Eltern übermittelte Handlungsmuster, die zur spontanen Schnellentscheidung und damit zum Überleben auch in zivilisatorisch hochgestellten Gesellschaften nötig sind.
Jeder Personalchef, der seine Sache ernst nimmt, hat von Ihnen, 10 Sekunden nachdem Sie den Raum betreten haben, einen Eindruck, der mehr wiegt als alle Zeugnisse, die Sie mitbringen.
Er sieht an Ihrer Körperhaltung, dem offenen (oder ausweichenden) Blick, dem Händedruck und der Art, wie Sie Sich setzen, welcher Typ Persönlichkeit Sie sind.
Und ob Sie z.B. für administrative Arbeiten die Richtige sind, weil Sie Autorität mitbringen.
Da spielen dann das vielleicht nur geliehene Kleid oder das Büttenpapier unter dem Lebenslauf nur eine geringe Rolle.
Bei einem Kandidaten dagegen, der sich auf eine Stelle als Staplerfahrer bewirbt, wird er von vorneherein andere Kriterien gelten lassen und berücksichtigen.
Ein Bekannter, den ich wegen seiner Bildung und seiner Lebenserfahrung sehr schätzte (er war Chefarzt einer großen Klinik; ein Mann, den ich eher zufällig von seiner privaten Seite her kennenlernen durfte), sagte mir, daß er sehr viel auf den ersten Eindruck hielte.
Und das er sich mit dieser Einstellung nur wenige Male getäuscht, sie ihm dafür aber beruflich und privat viel Unbill habe vermeiden lassen.
Und als Sie Ihren Mann das erste Mal gesehen haben, war es vielleicht nicht sofort der Blitz aus heiterem Himmel, aber ganz sicher auch kein Gefühl der Abneigung. Sondern vermutlich eher Interesse, gemischt mit Sympathie, der Sie durch weitere Begegnung nachspüren wollten.
Benennen wir die Schubladen also um in das, was auch vor deutschen Gerichten Aussagekraft hat, nämlich in die dort so genannte „allgemeine Lebenserfahrung“.
Sie ist nützlich und dient als Entscheidungshilfe in Situationen, in denen man keine Zeit zum Philosophieren hat, sondern sofort und aus dem Bauch heraus entscheiden muß.
Der eigentliche Trick (und ich vermute auch, daß es das ist, worauf Sie mit Ihrem Beitrag hinaus wollten) ist, daß wir solche Schubladen nicht starr verwalten, sondern bereit sind, einzelne Dinge daraus zu entnehmen und in besser passende Fächer einzusortieren. Immer wieder und mitunter mehrfach mit den gleichen Dingen.
Damit es wieder passt.
Gerade sortiere ich 92er Bodies in den Sack mit der Aufschrift „Dachboden 92er Bodies“, obwohl die lange ganz oben in der Schublade lagen.
Und das mit Berechtigung.
Thekla
Lieber Gero,
ich weiß nicht, ob Sie den Sinn des Artikels richtig verstanden haben. Petra hat es nicht explizit geschrieben, aber ich glaube, es ging ihr darum, dass wir dazu neigen, Menschen in Schubladen zu stecken und zu bewerten.
So nach dem Motto: Diese Frau ist allein erziehend, nicht berufstätig und schickt ihr einziges Kind den ganzen Tag in die Kita, ergo: Sie hat ihr Leben nicht im Griff.
Oder: Diese Frau ist verheiratet, hat zwei Kinder, die sie ab dem Alter von 1 Jahr vormittags in die Kita gegeben hat, geht arbeiten und verbringt ihre Nachmittage mit ihren Kindern. Ergo: Sie ist der klassische Mainstream und macht es in den Augen der Leute richtig.
Ich mag den indianischen Spruch mit den Mokassins. Wir wissen nicht, welche Geschichte der Andere hat, welche Probleme er mit sich herumschleppt, welche Vorstellungen vom Leben er hat und warum er so handelt, wie er handelt.
Was Sie von Ihrer Erfahrung des Personalchefs erzählen, geht in eine andere Richtung. Natürlich sind Menschen unterschiedlich, und man kann sie tatsächlich
bis zu einem gewissen Grad in bestimmte „Typen“ einteilen, z. B. die vier Temperamente. Mit einer gewissen Lebenserfahrung merkt man sehr schnell, wie ein Mensch tickt. Solange das wertfrei geschieht, ist das auch vollkommen in Ordnung und sogar nützlich, weil man dem Menschen eine Aufgabe geben kann, die zu ihm passt.
Ich bin Petra sehr dankbar für ihren Artikel. Als Christ beschäftigt man sich automatisch mit der Frage: Was ist richtig, was ist falsch? Und da passiert es leicht, dass man das Verhalten anderer bewertet. Und von der Bewertung des Verhaltens der anderen Person ist es nicht mehr weit bis zur Bewertung der Person selbst.