Der Kampf um das Thema Abtreibung und den §219a StGB wird hart geführt. Allerdings in manchen Situationen auch mit einer erschreckenden Erbarmungslosigkeit auf beiden Seiten.
Die Wogen haben sich jetzt ein bisschen geglättet, und wie ich finde ist das dem Thema auch angemessen. Lebensrecht ist nämlich eines, in dem es sehr schnell sehr laut wird und man Schwierigkeiten bekommt, die Zwischentöne noch zu hören. Kein Wunder, wenn die Positionen nur unterscheiden zwischen „Abtreibung ist Mord“ und „Abtreibung ist Frauenrecht“. Wer will sich da schon – gerade in der Politik – zwischen die Fronten begeben und riskieren, bei der eigenen Klientel durchzufallen?
Politik mit dem Thema Abtreibung
Die SPD wird so derzeit aus dem linken Lager kritisiert, weil sie ihren Vorschlag zur Streichung des § 219a StGB, der das Bewerben von Abtreibungen unter Strafe stellt, wieder zurückgezogen hat; die CDU wird kritisiert, weil sie dieses Thema aus dem Koalitionsvertrag ausgeklammert hat, wohlwissend, dass ein entsprechender Gesetzentwurf mit den Stimmen von SPD, Grünen, Linken und Teilen von FDP und auch der CDU im Bundestag eine Mehrheit haben wird. Politisches Kalkül wird beiden – und das wohl nicht zu Unrecht – unterstellt, bei einem Thema, das viele, aus ganz unterschiedlichen Perspektiven umtreibt.
Schrille Töne werden da besonders wahrgenommen, wie der von Eva Högl, SPD-Fraktionsvorsitzende, die mit einem Tweet Aufmerksamkeit erregte. Nach Kritik an der SPD und ihrem Rückzieher in Sachen §129a twitterte sie „Wie wär’s damit die widerlichen ‚Lebensschützer*innen‘ in Union in den Blick zu nehmen und zu kritisieren.“ Kurz darauf löschte sie den Tweet wieder mit der Entschuldigung, niemanden pauschal beleidigen zu wollen. Aber da war das Thema schon rum und der Streit eskalierte umso mehr. Wer sich wie ich als Lebensschützer sieht, der fragt sich bei einem solchen Text schon, wie jemand darauf kommen kann, dass Lebensschützer widerlich seien, Abtreibungsärzte, die mit dem Töten ungeborener Kinder Geld verdienen und das bewerben wollen aber nicht. Mit anderen Worten: Wenn eine SPD-Bundestagsabgeordnete sich in dieser Weise äußert, dann schwillt nicht nur mir der Kamm.
Zwischentöne
Aber dann hört man eben auch nicht mehr die Zwischentöne, und in diesem Fall war es meine Frau, die mich darauf aufmerksam machte. Kann es sein, so ihre These, dass diejenigen, die am meisten auf die Lebensschützer fluchen, die am lautesten nach einem Recht auf Abtreibung brüllen, die – neutral formuliert – am meisten darauf pochen, dass eine Abtreibung ermöglicht werden muss, auf die eine oder andere Art und Weise betroffen sind? Und kann es dann weiter sein, dass man diesen Zusammenhang nur allzu leicht vergisst, selbst wenn einem als Christen und Lebensschützer durchaus schon aufgegangen ist, dass die betroffenen Frauen in den allermeisten Fällen wohl eher so etwas wie „Opfer“ einer Abtreibung sind, und nicht so sehr Täter, wie ein schwarz/weiß-Schema das nahelegen würde?
Von Lebensschutzorganisationen wie 1000plus weiß ich, dass Frauen, die sich dort melden, und die sich mit dem Gedanken an eine Abtreibung beschäftigen, in Not sind. Es mag durchaus Frauen geben, die so abgestumpft sind, dass sie ein Kind tatsächlich einfach „wegmachen“ wollen (wobei sich legitimer Weise auch dann die Frage stellt, wie sich eine solche Einstellung entwickelt hat), aber die allermeisten stecken in einem mehrfachen Dilemma aus finanziellen, beruflichen und vor allem familiären Zwängen einerseits und der Einsicht, dass da in ihrem Körper ein Mensch heranwächst andererseits. Wenn richtig festgestellt wird, dass nur 2-4 % aller Abtreibungen aufgrund einer medizinischen (Gefahr für das Leben der Mutter) oder einer kriminologischen (Schwangerschaft durch eine Vergewaltigung) Indikation vorgenommen werden, so heißt das doch nicht, dass 96 % aller Abtreibungen auf die leichte Schulter genommen werden.
Liberalisierungsforderungen als Symptom
Dass Abtreibungen darüber hinaus bei den betroffenen Frauen psychische Probleme verursachen, bekannt als PAS – Post Abortion Syndrom – ist insbesondere für Lebensschützer nicht neu. Und wenn es nun bei den heftigsten Befürwortern einer „liberalen“ Abtreibungspolitik darum geht, eigenes Verhalten im Nachhinein zu rechtfertigen? Wenn der Furor, den insbesondere manche Frauen ganz offensichtlich bei dem Thema umtreibt eher ein Symptom ist denn eine Argumentation? Nehmen wir doch einfach mal die These an, dass betroffenen Frauen mindestens im Unterbewusstsein klar ist, dass das, was sie mal gemacht haben, falsch war: Das Töten des eigenen Kindes im Mutterleib. Und wenn so jemand, den letzten Rückhalt, den Christen kennen, nicht findet, dann ist die Suche nach Vergebung aussichtslos: Wer sollte vergeben können? Das getötete Kind?
Also muss es die Gesellschaft tun. Die Forderung nach einem Recht auf Abtreibung und allem, was dazu gehört, wäre nichts anderes als die nach einer gesellschaftliche „Absolution“. Die wird am Ende bei realer Schuld nicht helfen, aber dem einen oder anderen vielleicht das Gefühl vermitteln, das eigene Schuldgefühl sei doch nur pathologisch, und man müsse sich keine Vorwürfe machen. Ich kenne Eva Högl nicht persönlich, so wie ich auch sonst in meiner persönlichen „Filterblase“ kaum Frauen kenne, die sich für ein Recht auf Abtreibung einsetzen. Aber vielleicht ist der Shitstorm, der gegen sie aufgrund ihres Tweets entbrannt ist, mit Blick auf das oben gesagte, nicht angemessen und eines Christen nicht würdig. Ich stelle mich damit selbst in Frage, denn auch ich habe anders reagiert und war wütend auf diese Frau.
Kompromisslos aber nicht erbarmungslos
Aber was, wenn wir unsere Wut relativieren müssten, wenn wir den ganzen Hintergrund kennen würden? Eines sollte einem bei diesem Gedankengang immer klar bleiben und der Unterschied ist wesentlich: Der Kampf gegen die Geißel der Abtreibung muss kompromisslos geführt werden … aber nicht erbarmungslos! Vor allem nicht gegen Frauen, die womöglich betroffen sein könnten und – auch wenn sie es nicht wissen und nicht wahrhaben wollen – Hilfe brauchen.
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Bild: Arzt – www.pixelio.de
Matthias Schrader
Lieber Herr Honekamp, bei dem Thema Lebensrecht werden Sie immer besonders gut. Vielen Dank für Ihre weisen Worte und vor allen Dingen die Weisheit Ihrer Frau!
Besonders gut empfand ich die Aussage: Der Kampf (für bzw. gegen) muss konpromiss- aber nicht erbarmungslos geführt werden. Genau das ist es! So geht auch Gott selbst mit uns und unserer Sünde um: Kompromisslos (ggü. Der Sünde) aber nicht erbarmungslos (ggü. Dem Sünder). Mit diesem „Motto“ ziehe ich gern in den Kampf für das Leben, weil ich weiß, dass vielleicht einige meiner „Gegner“ (ich schreibe bewusst nicht Feinde) vielleicht selbst Opfer und Betroffene sind.
Einen gesegneten Arbeits-Ferien und/ oder Urlaubstag in der Passionszeit wünscht aus dem kalten Norddeutschland.
Ihr
M. Schrader
Gerd
Wut und Zorn zu empfinden ist erst mal nichts unmenschliches. War Jesus wütend, als er die Geldwechsler aus dem Tempel getrieben hat? Er, wenn nicht er, kannte er all die Menschen, die er aus dem Haus seines Vaters geprügelt hat. Es gibt wohl so etwas wie einen „heiligen“ Zorn. Eine Antriebsfeder die für unsere Gegner wohl widerlich ist.
Konrad Kugler
Natürlich hat Ihre Frau Recht, Herr Honekamp. Aber das ist nur der geringste Teil des Problems.
Die eigentliche Ursache ist die Gottvergessenheit, die jede Ideologie prägt. Ganz spitz gesagt ist jede Ideologie eine Einflüsterung Satans. Keine bringt den Menschen das vorgespiegelte Große, weil jede menschenfeindlich ist.
Den ersten Erfolg erzielte Satan bei Eva. Er sagte: Ihr werdet nicht sterben. Der Kommunismus sagt: Wir schaffen das Paradies auf Erden. Die Sozialisten versprechen Gleichheit auch bei Ungleichheit. Der Feminismus betrügt die Frauen um ihr Weibsein, um Mutterschaft und die wunderbaren Fähigkeiten zu leben, die ihnen Gott mitgegeben hat .
Jede (!) Frau müßte 2,14 Kinder haben, um die Ordnung zu stabilisieren. (Äh, hat nicht Gott den Auftrag gegeben, zu wachsen und sich zu mehren. Warum müssen dann Geschäfte für Kinderwagen usw. schließen?)
Damit dürfte jedem einsichtig sein, daß eine Familie aus 3 bis 5 Kindern bestehen sollte. Bei Akademikerinnen müßten es eigentlich 6 sein, weil 40 % kinderlos bleiben.Der Irrsinn der Jetztzeit beschert ihnen Einsamkeit und Altersarmut.
Tatsächlich sind zu viele Frauen am Arbeitsmarkt, die übergroße Zahl der Bewerberinnen wegen Kindermangel bringt vielen nur Halbtagsjobs und die Folgen siehe oben.
Unser Klerus, seit dem „Geist des Konzils“ mit Roßtäuscherei beschäftigt, hat in allen anderen Bereichen versagt. Ach ja, wie sollen aus zeitlebens verhütend verübten Sexualakten mehr Priesterberufungen hervorgehen, wenn schon die Kinderzahl nicht ausreicht´.
Stefan Schmidt
„Den ersten Erfolg erzielte Satan bei Eva. Er sagte: Ihr werdet nicht sterben. “
Ich denke, dass Sie hier auf die sog. Sündenfallgeschichte im biblichen Buch Genesis anspielen.
Ich habe diese jetzt nochmal einige tausend Mal gelesen, aber nirgendwo Satan gefunden.
Können Sie mir freundlicherweise mitteilen wo dieser in der Geschichte zu finden ist?
Gerd
@Stefan Schmidt
Es ist schon eine beachtliche Leistung die Sünden-bzw Schöpfungsgeschichte einige tausend Mal gelesen zu haben. Wenn dem so ist, dann nützen Erklärungen in ihre Richtung allerdings nichts mehr.
Gerd
„Also muss es die Gesellschaft tun.“
Genau hier sind wir beim Kern des Problems. Die Gesellschaft wird und kann es nicht mehr tun. Diese Gewissheit sollten wir schon haben, wenn wir gegen die Tötung des ungeborenen Lebens protestieren. In unserer Gesellschaft ist z.B. Bankraub mit Geiselnahme eine Straftat die unbarmherzig, nach erwiesener Schuld in den Knast führt. Da kann der Täter noch so auf seine persönliche Situation aufmerksam machen, dass er in Geldnot gewesen wäre, oder er die Medizin für seine kranke Tochter dringend benötigt hätte, die er ohne den Bankraub nicht hätte bezahlen können. Dieses Verhalten der Justiz, (Bankraub) wird in der Gesellschaft zu Recht akzeptiert. Bei der Straftat „Abtreibung“ hingegen ist das nicht mehr der Fall. Das führt natürlich zur Verhärtung der Fronten. Dass ich als Abtreibungsgegner die Gefühlsduselei nicht mittrage, ist eine logische Konsequenz aus der Gefühlsduselei die zur massenhaften Tötung ungeborenen Lebens geführt hat.
Klaus Ebner
Sie tragen die Gefühlsduselei vor allem deshalb nicht mit, weil Sie ein Mann sind und es sie ohnehin nicht treffen kann. Sie reihen sich damit in die scheinheilige Front jener „Lebensschützer“ ein, deren primäres Anliegen es ist, dass andere Menschen für andere Menschen Opfer bringen. Eine billigere Eintrittskarte in den Himmel kann ich mir kaum vorstellen. .
Konrad Kugler
@ Stefan Schmidt
Sie kennen sicher die Rede: „Listig wie eine Schlange; die falsche Schlange“. Wie kommt die Schlange zu diesem Renommee?
Satan hat im Paradies die Schlange benutzt und aus ihr gesprochen. Und dieses überlieferte Ereignis prägt also das Denken.
Stefan Schmidt
Mir ist klar, dass die Schlange in vielen Kulturen für List steht.
So wie es z.B. dem Fuchs bei uns nachgesagt wird.
Ich kenne auch die Geschichte, ich weiß allerdings nicht wo Sie dort eine Person namens Satan sehen die irgendwem etwas einflüstert.
Jedenfalls kommt es so rüber, als ob Sie hier eine Person am Werk sehen!
Gerd
Satan kann natürlich auch eine Person sein. Er führte Jesus auf einen hohen Berg.
Jorge
Also ich finde „Lebensschützer“ auch abstoßend. „Widerlich“ ist mir zu viel unnötige Polemik, aber abstoßend auf jeden Fall. Und das, obwohl ich sehr gegen Abtreibungen bin und jeder davon abraten und niemals dafür werben würde.
Solange sich die „Lebensschützer“ nicht selber fragen oder nicht selber darauf kommen, wie sehr sie ihren Mitmenschen mit ihrem selbstgerechten Gutmenschentum und Fanatismus auf den Sack gehen, verstehe ich aber auch, dass die aus allen Wolken fallen und gar nicht begreifen, was denn an ihnen so schlimm sein soll. Das ist offenbar eine der ältesten „Filterblasen“, die wir haben.
Gerd
Ach Jorge, solange sie „sehr“ gegen Abtreibungen sind und „jeder“ davon abraten und niemals dafür werben wollen, sind sie ein selbstgerechter Gutmensch, der allen nur auf den Sack geht.
Stefan Schmidt
FROHE OSTERN! :-)
Christus ist auferstanden! :-)
Klaus Ebner
Was bei dem Thema um den Paragrafen 219a am meisten stört ist die Heuchelei beider Koalitionsparteien. Beiden ist es klar, dass das Urteil gegen Dr. Hänel mit großer Sicherheit vom BGH aufgehoben wird (da muss man sich nur die politische Zusammensetzung des Gerichts ansehen). Und damit ist für beide die Sache vom Tisch. Nachdem Anklage in diesen Causen statistisch gesehen alle 10 Jahre erhoben wird, kann man das gemütlich „aussitzen“. Es stört auch nicht, denn ob Werbeverbot ja oder nein ändert die Geburtenrate nicht um einen einzigen Punkt. Und solange es nicht eine einzige Firma in Deutschland gibt, die einer Berufseinsteigerin im qualifizierten Bereich einen Halbtagsjob gibt (den sie etwa braucht weil sie kurz vor Studienabschluß ungeplant Mutter wurde) ist das ganze Gerede um 219a reine Heuchelei.