Der Papst spricht über den Teufel … und erläutert indirekt über die „10 Gebote“ seine Aussagen zu Eucharistie, Homosexualität und Abtreibung.

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„Die Welt braucht keinen Legalismus sondern Fürsorge“, das ist ein Fazit aus der Katechese des Papstes vom Mittwoch zu den 10. Geboten. Nun mögen sich wieder viele fragen, ob er damit nicht auf schwammige Art und Weise die deutlichen Aussagen der vergangenen Wochen – zur Eucharistie für evangelische Ehegatten, zur Familie aus Mann und Frau und zur Abtreibung – relativiere. Wer allerdings so denkt, der kann die wahre Bedeutung des christlichen Glaubens nicht voll erfasst. Er kann sie nicht erfasst haben, denn sonst käme man nicht auf die Idee, ein Konstrukt von Regeln aufzustellen, die Barmherzigkeit vermissen lassen.
10 Worte
Als solche Regeln könnte man auch die 10 Gebote verstehen. Was sonst sollen denn Gebote sein, wenn nicht Vorschriften, die Gott uns erteilt hat, und die wir einzuhalten haben, wenn wir ihm gefallen wollen? So drastisch ausgedrückt wird direkt deutlich, dass das wohl nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann. Und so startet der Papst seine Katechese auch direkt mit einer Art „Relativierung“, die doch eigentlich eine Konkretisierung ist. Denn im Originaltext spricht die Bibel nicht von „Geboten“ sondern von „Worten“. Der Papst differenziert hier (Zitate hier wie im Folgenden von Die Tagespost):
Welcher Unterschied besteht zwischen einem Gebot und einem Wort? Das Gebot ist eine Mitteilung, die keinen Dialog erfordert. Das Wort hingegen ist das wesentliche Mittel der Beziehung als Dialog. Gott, der Vater, erschafft durch sein Wort, und sein Sohn ist das Wort, das Fleisch geworden ist. Die Liebe wird durch Worte genährt, und das gilt auch für die Erziehung oder das Zusammenwirken.
Beziehung und Dialog
Zwei Dinge sind daran wesentlich, zwei Begriffe, die unser Verhältnis zu Gott ausdrücken: Beziehung (in einem positiven Sinn des Wortes) und Dialog. Wir sind als Menschen nicht einfach nur Geschöpfe, die Gott auf die Erde entlassen und dann sich selbst überlassen hat, wir sind auch nicht Knechte des Herrn (auch wenn manch andere Bibelstellen und Gebete in diese unzulässige Richtung interpretiert werden). In Jesus nennt Gott uns eben nicht mehr Knechte sondern Freunde und als solche stehen wir in einer besonderen Beziehung zu Gott. Der ist insofern auch weniger Herr als vielmehr Vater, wir sind Erben des Reiches Gottes. Das ist etwas ganz anderes, als es manchmal dargestellt wird, leider nicht selten auch von Christen.
Und zu dieser freundschaftlich-väterlich-liebevollen Beziehung gehört auch ein Dialog. Die Beziehung zu Gott besteht eben nicht aus Befehl (Gebot) und Gehorsam sondern aus Wort und Ant-Wort. Gott spricht uns an und er wartet auf unsere Antwort, die wir noch dazu in aller Freiheit geben. Und auf diese Arte sind auch die 10 „Gebote“ zu verstehen. Nicht als donnernder Befehl im Unteroffizierston („DU SOLLST KEINE ANDEREN GÖTTER NEBEN MIR HABEN!“) sondern als Bitte, deren Folgeleistung zu einem gelungenen Leben führt – nicht um Gott zu gefallen, sondern um ihn lieben zu lernen, was wir nötiger haben als er.
Fürsorge eines Vaters
Leider werden solche Einsichten allerdings schnell verschüttet, wozu die Wortwahl „Gebot“ einen kleinen Anteil leistet. Viel gefährlicher ist aber der in dieser Interpretation versteckte Verdacht, der Grundzweifel, der den Menschen gegenüber Gott distanziert:
Die herausfordernde Frage ist gerade folgende: ist die erste Regel, die Gott dem Menschen gegeben hat, die Auflage eines Despoten, der verbietet und zu etwas zwingt, oder ist sie die Fürsorge eines Vaters, der sich um seine Kleinen kümmert und sie vor der Selbstzerstörung beschützt? Handelt es sich um ein Wort oder um ein Gebot? Die tragischste der verschiedenen Lügen, die die Schlange Eva erzählt, ist, dass sie ihr den Eindruck einer neidischen Gottheit vermittelt – „Aber nein, Gott ist neidisch auf euch“ -, einer besitzergreifenden Gottheit – „Gott will nicht, dass ihr frei seid“. Die Tatsachen bezeugen auf dramatische Weise, dass die Schlange gelogen hat (vgl. Gen 2.16-17; 3,4-5), sie hat den Glauben vermittelt, dass ein Wort der Liebe eine Gebot sei.
Die Rolle des Teufels
Da ist er wieder, der Teufel, den der Papst immer wieder in seinen Katechesen thematisiert und der von vielen Gläubigen, bis hin zu Priestern und Theologen, so gerne ausgeklammert wird. Aber, wie ich es mal gehört und für mich verinnerlicht habe: „Man sollte dem Teufel nicht Wichtigkeit einräumen als er hat, aber wer glaubt, dass es ihn nicht gäbe, versteht nur die Hälfte von dem, was auf der Welt geschieht.“ Aber egal, ob man den Teufel im Hintergrund vermutet oder die eigene Schwäche: Die Entscheidung, wie ich meine Beziehung zu Gott begreife, muss ich selbst jeden Tag auf’s neue treffen:
Sind wir Untertanen oder Söhne und Töchter? Dieser Kampf, der innerhalb und außerhalb von uns stattfindet, zeigt sich ständig: tausende von Malen müssen wir uns zwischen der Mentalität eines Sklaven und der Mentalität eines Sohnes oder einer Tochter entscheiden. Das Gebot kommt von einem Herrn, das Wort von einem Vater.
Evangelisierung der Kinder Gottes
Was für ein Unterschied, der sich natürlich auch in der Evangelisierung bemerkbar macht: Argumentiere ich als Sklave und drohe mit den Konsequenzen, oder kann ich mit der Liebe Gottes werben? Sehe ich den Anderen am Abgrund (und hoffe womöglich im Unterbewusstsein, dass der „schlechte Mensch“ hinunterstürzt), weil er sich nicht an Gottes Gebote hält, oder wünsche ich ihm die Erkenntnis, dass Gott auch ihn liebt und seine Übertretungen diesem Menschen schaden und nicht Gott? Glaube ich, ein Knecht Gottes zu sein und versuche, den Anderen auch in eine solche Knechtschaft zu führen, oder sehe ich, dass Gott mich frei geschaffen hat und mich von meinen Zwängen zu befreien versucht, und versuche, dem Anderen diesen Blick auf die Freiheit zu verschaffen?
Jesus ist das Wort des Vaters, er ist nicht die Verurteilung des Vaters. Jesus ist gekommen, um zu erlösen mit seinem Wort, nicht, um uns zu verurteilen. […] Die Gebote sind der Weg zur Freiheit, weil sie das Wort des Vaters sind, der uns auf diesem Weg frei macht.
Gott befreit
Gott knechtet nicht, er befreit. Kürzlich las ich in einer Meditation einen Satz, der mir seither nicht mehr aus dem Kopf geht: „Gott lässt sich eher an das Kreuz der von uns in Freiheit begangenen Sünden schlagen, als uns diese Freiheit zu nehmen.“ – DAS ist unser Gott, kein Despot, kein Gewaltherrscher und Diktator. Vermutlich wird auch kein Christ Gott so bezeichnen, das heißt aber nicht, dass dieses Bild nicht tief in uns vergraben ist, laufend genährt durch die Zweifel, die der Teufel streut, und die in unsere Vorstellung vom Umgang mit Menschen, die kein „christliches Leben“ führen Eingang findet.
„Die Welt braucht keinen Legalismus, sondern Fürsorge. Sie braucht Christen mit einem kindhaften Herzen“ sagt Papst Franziskus und beschreibt dadurch das wohlbekannte „et-et“, das „sowohl-als auch“ unseres Glaubens und der Kirche. Deutliche Worte sind manchmal notwendig, aber als Christen dürfen wir nicht dabei stehen bleiben. Legalismus abzulehnen bedeutet nicht, die Gebote Gottes, die ein Liebesangebot enthalten, abzulehnen. Sie müssen aber durch die Fürsorge ergänzt werden, damit sie nicht zu einem Zwangsinstrument werden. Wir haben einen großartigen Gott und eine großartige Botschaft zu verkünden. Und bei aller Kritik, die man manchmal an Stil, Wort- und Themenwahl haben kann: Wir haben einen tollen Papst, der uns diese Herausforderung immer wieder vor Augen führt.
akinom
Großartig finde ich die letzten beiden Sätze, das Fazit diese Kommentars!
Ergänzen möchte ich noch einige Gedanken.
1. „Himmlischer Vater, während dieser weltweiten Krisenzeit lasse alle Seelen ihren Frieden und ihre Sicherheit in Deinem Göttlichen Willen finden.Gib jeder Seele die Gnade zu verstehen, dass Dein Wille Heilige Liebe im gegenwärtigen Augenblick bedeutet.“ Daran erinnert mich oft ein Gebetszettel im Gebetbuch.
2. „Bedenke, dass der Teufel nur eine Tür zum Eintritt in unsere Seele hat: Den Willen. Geheime und verborgene Türen gibt es nicht.“ So ermutigt uns der Heilige Pater Pio, der 50 Jahre die Wundmale Jesu getragen hat.
3. Widersacher des Heiligen Geistes ist der Unheilige Geist, Luzifer!
Gerd
Laut Duden bedeutet Legalismus die „strikte Befolgung des Gesetzes, starres Festhalten an Paragrafen und Vorschriften“.
Wenn ein Gesetz strikt befolgt dann doch wohl nur, weil es den Menschen vor Schaden schützen soll. Sozusagen vorauseilende Fürsorge. Vielleicht die Fürsorge für einen Fußgänger, der nicht von einem Autofahrer umgefahren wird, weil der sich nicht an das strikte Verbot gehalten hat, an der Ampel bei Rot zu halten. Der Legalismus und die Fürsorge sollen sich ergänzen. Insofern ist der Satz, dass wir keinen Legalismus sondern Fürsorge brauchen, höchstens eine Teilwahrheit und kann auch anders gelesen werden. Wenn der Vater seinem Kind strikt verbietet, die heiße Herdplatte anzufassen, betreibt er praktischen Legalismus, er will halt nicht dass sein Kind sich die Flossen verbrennt. Das wiederum ist die praktischen Fürsorge, eben seinem Kind unnötige Schmerzen zu ersparen.