Wim Wenders hat mit „Ein Mann seines Wortes“ eine Dokumentation über Papst Franziskus gedreht. Das Ergebnis ist sehenswert, auch für Nichtkatholiken.

Bild: Vor dem Filmplakat „Ein Mann seines Wortes“ (Felix Honekamp)
Wenn die Honekamps schon mal einen freien Abend haben, dann nutzen sie ihn auch. Sommerwetter hin, WM her … wir gehen ins Kino, „in den Papstfilm“. Das hatte am vergangenen Samstag den Vorteil, dass wir den Kinosaal tatsächlich ganz für uns hatten (und es sah nicht so aus, als ob die anderen Filme deutlich besser besucht gewesen wären). Andererseits ist das natürlich auch schade, denn man würde dem Film eine größere Verbreitung wünschen.
Weltliche Perspektive
Es ist dabei nicht so, dass es sich um eine Lobhudelei auf die Kirche oder den Papst handelt, allerdings merkt man Wim Wenders, der auch Sprecher dieser Dokumentation ist, dass er ein Fan des Papstes ist. Dabei enthält er sich jeder theologischen Wertung, jeder Glaubensaussage, beschreibt lediglich, was der Papst tut und wie er das selbst – aus einer rein weltlichen Perspektive – wahrnimmt. Wenders‘ Teil dieser Dokumentation ist also eher der politische: Wie gehen wir mit Armut um, wie mit Konflikten, wie mit der Umwelt … die immer durchscheinende leicht linke Weltsicht kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier Themen sind, die einer Betrachtung bedürfen, und denen sich insbesondere Christen nicht entziehen können.
Nicht Schuld aber Verantwortung
Und das, so wird in den einzelnen Themenabschnitten deutlich, ist auch die Sicht des Papstes: Es kann uns – ob wir eine persönliche Schuld tragen oder nicht – nicht egal sein, wenn auf der Welt Menschen vor Krieg, Verfolgung, Hunger oder auch „nur“ prekären wirtschaftlichen Verhältnissen fliehen. Es kann uns auch ebenso wenig egal sein, dass Menschen in der „dritten“ Welt im Wohlstandsmüll der „ersten“ nach Verwertbarem suchen, wie es uns egal sein kann, dass aus der ersten Welt Waffen in die dritte verkauft werden oder das jeden Tag Tierarten aussterben. Interessanterweise kommt der Papst in seinen Redebeiträgen ganz ohne Schuldzuweisungen aus – aber nicht ohne den dringenden Hinweis auf Verantwortung.
Ich selbst gehöre nicht zu denen, die meinen, der Papst habe eine besonders gute Sicht auf die Weltwirtschaft, sein „Kokettieren“ mit dem Sozialismus erfüllt mich mit Sorge. Aber seine Forderung, dass die Welt – mindestens die katholische – intelligente Lösungen finden muss, um Hunger, Ausbeutung und Umweltverschmutzung Einhalt zu gebieten, kann ich nachvollziehen und sollten wir annehmen. Wenn der Papst sagt, dass „diese Wirtschaft tötet“, dann haben er und ich sicher ganz unterschiedliche Bilder davon, wie eine Lösung aussehen könnte, dass aber „diese Wirtschaft tötet“, die Wirtschaft, wie wir sie auf der Welt sehen, verseucht durch Korporatismus und Korruption, kann man wohl kaum bestreiten.
Ganz nah am Papst
Neben den Themenfeldern, die der Film „Ein Mann seines Wortes“ anschneidet, ist es aber auch ein Portrait des Papstes, ganz aus der Nähe, man möchte sagen „hautnah“. Denn neben Einspielungen offizieller Anlässe, vom ersten Auftritt des Papstes auf dem Balkon des Petersdoms bis zum Auftritt vor der UN oder dem US-Kongress, sind es die eigentlichen Interviewteile, die den Film so eindrücklich machen. Die Fragen sind herausgeschnitten, zu sehen ist nur der Papst, leinwandausfüllend, auf einem Stuhl teilweise in einem Büro oder in einem Garten sitzend. Hier wirken nur Worte (die im Untertitel übersetzt werden) und Mimik, die einen nachdenklichen, in vielen Themen aber auch deutlichen Papst zeigen.
Man – jedenfalls meine Frau und ich – nimmt dem Papst ab, dass ihn die Sorge um die Welt, insbesondere um die Armen, umtreibt. Man nimmt ihm aber auch ab, dass er niemanden verurteilt; gerade seine Worte zur Liebe Gottes zu den Menschen sind von einer Eindringlichkeit, die einem die Tränen in die Augen treiben kann. Es geht ihm ganz offensichtlich nicht darum, mit dem Finger auf die Verursacher von weltweiten Problemen zu zeigen, sondern auf die erwähnte Verantwortung zu pochen, die wir als Menschen, als geliebte Kinder Gottes, die er in Freiheit geschaffen hat – so frei, dass wir ihn sogar nicht lieben können – haben, ob es uns nun gefällt oder nicht.
Kritisches und Kritikloses
Sicher wird der eine oder andere auch Kritikpunkte an Einzelaussagen finden: Seine Forderung beispielswiese, im Dialog mit anderen Religionen nicht bekehren zu wollen (wer genau hinhört, erkennt, dass der Papst im Gesprochenen das Wort „Proselytismus“ verwendet, was etwas anderes bedeutet als Bekehrung oder Mission) oder die Sequenz aus dem Interview, in dem er zur Frage der Homosexualität das zwischenzeitlich oft zitierte „Who am I to judge“ antwortet. Ungewöhnlich deutlich auch seine inzwischen ebenfalls bekannten Worte an die römische Kurie, der er geistliche Krankheiten vorwirft. Nach wie vor, nach dem Film noch mehr als vorher, bin ich der Überzeugung, dass man hier den Gesamtzusammenhang „mithören“ muss und dem Papst und seinen Anliegen bei selektiver Wahrnehmung dieser Themen Unrecht tut.
Man hört in dem Film kein kritisches Wort über den Papst; allerdings erscheinen die Bilder und Worte auch nicht so überschwänglich, dass man von einer unzulässigen Propaganda sprechen müsste. Der Film gibt einem die Möglichkeit, den Papst aus der Nähe (inhaltlich wie optisch) kennenzulernen. Ob man ihm die Wahrhaftigkeit seiner Worte abnimmt, ist dem Zuschauer überlassen. Die einzige Wertung der Filmemacher liegt denn auch in dessen Titel: „Ein Mann seines Wortes“ – das ist es, was ich jedenfalls dem Papst abnehme. Und insofern ist es auch ein Film, der auch für Nichtkatholiken interessant sein wird: Der Papst ist ja nicht irgendwer, sein Wort hat Gewicht in Kirche und Welt. Da wird es selbst für einen Atheisten gut sein, sich ein Bild zu verschaffen und – dafür werbe ich – ihm unvoreingenommen gegenüberzutreten.
Die Liebe zum Papst
Und für Katholiken selbst: Unsere Aufgabe ist auch die Liebe zum Papst. Die bedeutet nicht, nichts hinterfragen zu dürfen, nicht kritisieren zu dürfen. Es heißt aber doch, ihm mit der Annahme gegenüberzutreten, dass er es gut meint, von dem, was er für richtig hält, überzeugt ist, und ihm auch abzunehmen, dass er selbst die Kirche, die Gläubigen und die Menschen liebt, wie das einem Menschen eben möglich ist. Den Papst zu lieben – das ist etwas, was einem als Katholiken, besonders einem, der ihm auch mal kritisch gegenüber steht, nach dem Film vielleicht ein klein wenig leichter fallen wird, in dem man ihn ein bisschen besser kennengelernt hat.
akinom
“ Es geht ihm (- dem Papst und offensichtlich auch Wim Wenders -) ganz offensichtlich nicht darum, mit dem Finger auf die Verursacher von weltweiten Problemen zu zeigen, sondern auf die erwähnte Verantwortung zu pochen, die wir als Menschen, als geliebte Kinder Gottes, die er in Freiheit geschaffen hat – so frei, dass wir ihn sogar nicht lieben können – haben, ob es uns nun gefällt oder nicht.“ Diese Haltung wünsche ich einem jeden von uns und nicht zuletzt – wie im letzten Blog-Beitrag aufgezeigt – Journalisten jeglicher Couleur: Der Zeigefinger verhindert das Mea-culpa.
gerd
Ich habe den Film noch nicht gesehen.
Das hier ist die erste Rezension die ich lese.
Wim Wenders ist, nach eigenen Angaben vor Jahren aus der katholischen Kirche ausgetreten und in den Neunzigern (Johannes Paul II.) zum Protestantismus konvertiert. Er bezeichnet sich selber als ökumenischen Christen und möchte nicht mit dem Etikett katholisch oder protestantisch bezeichnet werden, was durch seinen Übertritt in eine presbyterianische Gemeinde allerdings schwer nachzuvollziehen ist.
Es ist schon erstaunlich, dass dieser Regisseur offensichtlich ein Fan des Papstes ist. Zumal er ja als Protestant nicht der „Pflicht“ unterworfen ist, den Papst zu lieben, wie das sinngemäß(!) von den Katholiken erwartet wird. Das nämlich geht weit über die Beziehung eines Fans zu seinem Idol hinaus. Warum also dann dieser Film? Damit Atheisten Rotz und Wasser heulen? Damit wir Katholiken den Papst etwas mehr lieben? Oder einfach nur ein Portrait eines Mannes dessen Wort Gewicht hat? Das kann durchaus sehenswert sein. An meiner Liebe zum Papst allerdings ändert das nichts und ich habe einige Päpste erlebt.