Ist Horst Seehofer verantwortlich zu machen für den Tod eines abgeschobenen 23-jährigen Afghanen? Das ist er natürlich nicht – und die Forderungen danach sind niedriger Gesinnung zuzuschreiben.
Etwas vom Unlustigsten, was es derzeit in der Politik gibt ist wohl das Thema Abschiebung. Egal aus welchem Grund jemand nach Deutschland gekommen ist, als tatsächlich politisch oder religiös Verfolgter, auf der Flucht vor Krieg und Terror oder nur, weil er sich hier ein besseres Leben als in seinem – wie treffend dieser Begriff hier ist und wie sehr ihm wohl Betroffene zustimmen dürften – angestammten „shithole-country“ erhofft hat: die Abschiebung eines Menschen geht immer mit dem Zerbrechen eines Traumes einher. Darum musste ich auch die Luft anhalten, als Horst Seehofer den Zufall der Zahlengleichheit von 69 Abschiebungen an seinem 69. Geburtstag süffisant als „von ihm nicht bestellt“ kommentierte. Nein, Abschiebungen sind kein Spaß, und Späße darüber sollten sich für jeden verbieten.
Keine leichte Entscheidung
Zumal eine Abschiebung im Grunde nur das Ende eines juristischen Weges darstellt, auf dem Fehler gemacht werden können. Darum ist es grundsätzlich gut begründet, dass sich deutsche Behörden mit Abschiebungen nicht eben leicht tun, selbst dann nicht, wenn offenbar kein Asylgrund oder andere Gründe für ein Bleiberecht bestehen und Volkes Stimme schon lange den Flug zurück nach Kabul oder Damaskus gebucht hätte. Für so manche unterlassene Abschiebung fehlt einem denn auch jedes Verständnis und man fragt sich, warum man manche Gestalten in Deutschland duldet, die den Behörden auf der Nase herumtanzen.
Jamal M.
„Nihil nisi bene“ Über die Toten nichts Schlechtes … so will es unsere Kultur, aber wenn man einen Todesfall zu einem Politikum macht, muss schon auch ein Blick hinter die Kulissen erlaubt sein. Denn der Afghane Jamal M., der sich am Dienstag oder Mittwoch in Kabul umgebracht hat, gehört zu genau der Kategorie von angeblichen Flüchtlingen, die zu der Ausnahme gehören, bei der selbst deutsche Behörden irgendwann die Geduld verlieren. 2011 ist er in Deutschland eingereist, sein Asylantrag wurde bereits 2012 abgelehnt. Die dagegen eingereichte Klage war nach fünf Jahren, 2017 zurückgezogen worden.
Der Mann lebte in Hamburg und die dortigen Behörden bestätigen, dass sie nur Straftäter und Gefährder nach Afghanistan abschieben ließen, sowie Menschen, die sich einer Identitätsfeststellung verweigerten. Jamal M. hatte sich in seinen Jahren in Deutschland zu einem Intensivtäter gemausert: Rechtskräftig verurteilt wegen Diebstahls, versuchter gefährlicher Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz. Weitere vorliegende Strafanzeigen wegen Raubes und gefährlicher Körperverletzung.
Die Frage nach dem Warum
Fragen wir mal ganz offen und – von mir aus – ganz populistisch: Verhält sich so jemand, dem in einem anderen Land Aufenthalt gewährt wird? Ist es so abwegig, von einem Menschen, der keinen Asylgrund hat und trotzdem hier in Deutschland acht Jahre lang geduldet wird, wenigstens gesetzeskonformes Verhalten wenn nicht eigentlich Dankbarkeit der aufnehmenden Gesellschaft gegenüber erwartet? Da sehen selbst Hamburger Behörden so und lassen sich nicht durch möglicherweise erschreckende Zustände in dessen Heimatland erpressen. Wer so handelt, wird abgeschoben.
Warum sich Jamal M. selbst getötet hat? Darüber wird in den deutschen Medien nicht mal gemutmaßt: Scheinbar ist klar, dass die Belastung der Rückkehr in das Land, das er vor acht Jahren, im Alter von 15 Jahren verlassen hat, ursächlich dafür wäre. Vielleicht war er aber auch depressiv, vielleicht haben ihn dort andere Rückkehrer unter Druck gesetzt. Wir wissen es schlicht nicht. Mit seinem Selbstmord hat aber die politische Linke und die Anti-Abschiebungs-Industrie eine Art „Märtyrer“, den sie so schnell nicht wieder aus den Händen geben wird. Die Parolen lauten entsprechend „Abschiebung ist Mord“ oder „Abschiebung ist Folter“.
Der Innenminister?
Und nur zu gerne schiebt man die Schuld für Jamal M.s Tod dem deutschen Innenminister in die Schuhe, einem Mann der persönlich mit dieser konkreten Abschiebung nichts zu tun hat. Die Entscheidung über die Abschiebung hat nämlich, einem Rechtsstaat angemessen, nicht er als Minister sondern die Justiz getroffen; Hamburger Behörden waren es, die das Innenministerium dann zur Abschiebung einschalteten. Nur weil Horst Seehofer bei seinem missglückten 69-Scherz der Anstand kurzzeitig verlassen hat, ist er nicht verantwortlich zu machen für den Tod des jungen Mannes (und kann man ihm auch nicht, wie es die ehemalige Familienministerin Renate Schmidt gerade in einem offenen Wutbrief in der FAZ, tat, die „Ehre“ absprechen).
War nun also die Abschiebung Jamal M.s richtig? Diese Frage muss man wohl ein bisschen differenzieren. Juristisch war sie ganz offenbar nicht nur angeraten sondern eigentlich unvermeidbar. Unsere Gesellschaft kann sich nicht zwingen lassen, jemanden zu dulden, der diese Duldung durch die Zustände in seinem Heimatland oder durch einen möglicherweise angedeuteten Selbstmord zu erpressen versucht („Nachahmungstäter“, die für den Fall einer Abschiebung mit Selbstmord drohen, werden die politischen Diskussionen zu dem Fall sicher interessiert beobachten). Unsere Gesellschaft muss auch in der Lage sein, darauf zu reagieren, wenn jemand, den man unter anderen Umständen nicht abschieben würde, die gesellschaftlichen und gesetzlichen Regeln konsequent missachtet. Eine Abschiebung in ein Land, in dem dem Betroffenen Folter oder Mord drohen, ist auszuschließen, aber das ist hier nicht der Fall gewesen.
Wer traf die Entscheidung?
Bleibt aber die Frage einer moralischen Bewertung. Ich gebe zu, in dieser Hinsicht zu zögern, aber eines muss auch klar sein: Die Entscheidung zu einem Selbstmord, so tragisch sie ist – auch und vor allem auch aus christlicher Sicht, stellt doch für uns der Selbstmord die fundamentale Ablehnung Gottes und seines Geschenks des Lebens an den Menschen dar -, trifft der Betroffene immer noch selber. Eine diagnostizierte psychische Erkrankung müsste man sicher in ein solches „moralisches Kalkül“ mit einbeziehen, aber auch die hat hier offenbar nicht vorgelegen.
Die Schuldfrage
Ein Mensch ist gestorben, er hat sich selbst umgebracht. Das ist tragisch und gerade in der Konstellation sucht die Gesellschaft nach einem Schuldigen. In diesem konkreten Fall kann man von der Migrationspolitik eines Horst Seehofer halten was man will – er ist nicht verantwortlich. Genau so wenig sind es Gerichte oder Behörden, auch nicht die Beamten, die die Abschiebung durchgeführt haben.
Es mag in den Ohren einiger grausam klingen, aber die Verantwortung für diesen Selbstmord liegt – nach allem, was wir zu dem Fall wissen – bei Jamal M. Für seine Seele zu beten kann man als Akt christlicher Barmherzigkeit fordern. Den Rücktritt eines Ministers dafür zu fordern, zeugt dagegen von der niedrigen Gesinnung seiner politischen Gegner, die Tragödie Jamal M.s verzwecken. Mir würden schon Gründe einfallen, warum ich Horst Seehofer nicht in gleicher Weise für die Idealbesetzung als Innenminister halte, wie das einiger konservative Freunde tun. Der Tod von Jamal M. gehört nicht dazu.
gerd
Wenn jetzt noch auf das fehlende Mitleid, in Bezug auf die Abschiebung von Straftätern gepocht wird, ist die Posse perfekt. Wir sind in Absurdistan angekommen.
akinom
Ich bewundere Ihre sensible Gabe der Scheidung der Geister! Nur passt meines Erachtens die niedliche kleine Putte nicht dazu. Ich wünsche mir für den Kampf gegen den großen Verwirrer und Schührer von Flügelkämpfen und „Ungeist der Kritik“ St. Michael und seine Legionen und appelliere an den Schutzengel des Selbstmörders. Das beschränkt sich natürlich nicht nur auf den letzten Beitrag.
Anton Vogel
Leider wird nur großes Geschrei um den angeblichen Selbstmord gemacht (es gibt wohl noch Zweifel ob es tatsächlich so ist) ohne die hinteregründe und die Vergangenheit des des „armen Opfers“ zu beleuchten. Leute die so oberflächich und Sensationsbezogen zu einem Ereignis Stellung beziehen machen sich eigentlich mit schuldig………………
Dieter Schrader
Danke für diesen ausgewogenen Kommentar. In diesem Zusammenhang möchte ich auf einen Artikel in der renommierten Wochenzeitung die „Zeit“ hinweisen.
Es hat mich erschreckt, wie ein dort ein „Alphabet“ der Asylgegner zusammengestellt wurde. Allen, die berechtigt kritische Fragen zur Asylpraxis in unserem Land stellen, werden unisono in einer Weise verunglimpft, die mich sprachlos macht. Helmut Schmidt würde sich als ehemaliger Herausgeber im Grabe umdrehen. Auch die von den evangelischen Bischöfen angeschlagene Tonart mißfällt mir sehr, da ich die notwendige Ausgewogenheit vermisse. Der Ungeist des „Wir schaffen das“ ist leider immer noch präsent.
Hans
Nachdem Herr Seehofer ja kürzlich schon mal vom Rücktritt zurückgetreten ist, ist es natürlich Quatsch, würde er jetzt zurücktreten, wo er doch einen so schönen 69.Gebutstag hatte: 69 Abschiebungen! Welche Freude! Und dass Depressive wie dieser Afgane „Jamal M.“ sich mal umbringen, das hat nichts mit Abschiebung zu tun, und somit auch nicht mit Herrn Seehofer. Im Gegenteil: Dieser „Jamal M.“ (der nicht wert ist, mit seinem ganzen Namen genannt zu werden) gehörte, lebte es noch, angezeigt, hat er doch den Geburtstag des Innenministers seines Aufnahmelandes im Nachhinein noch verdorben. Des Aufnahmelandes Deutschland, dem er so vieles zu verdanken hatte, wie Sicherheit und jahrelanges Durchfüttern. So handelt man nicht gegenüber den Vertretern dieses Staates, keinerlei Dankbarkeit, nicht mal einen Ansatz davon läßt sein Verhalten erkennen. Bringt sich einfach um….Da hat die Integration wieder jämmerlich versagt. Und dies alles wollen in phantastischer Umkehr aller Fakten nun die linksgrün gelenkten Idioten dem Innerminister anhängen.