Fasten und Gebet sind angesagt im Missbrauchsskandal Aber auch ganz praktische Dinge sind es, die dem Teufel die Türen öffnen.

Da regen sich viele darüber auf, dass der Papst die Gläubigen zu Gebet und Fasten im Angesicht des Missbrauchsskandals aufruft: Die Gläubigen seien ja schließlich nicht die Schuldigen. Das stimmt, trotzdem hoffe ich mit meinem vorherigen Beitrag deutlich gemacht zu haben, warum Gebet und Fasten eben doch für jeden von uns angeraten ist, in einer Situation in der der Satan in die Kirche eingedrungen ist – egal, wer ihm die Tür geöffnet und ihn hereingebeten hat (siehe mein Beitrag hier).
Trotzdem ist nicht zu übersehen, dass den kirchlichen Verantwortungsträgern, die jetzt aufgescheucht umherlaufen, nach Umkehr rufen oder auch – besonders perfide – versuchen, die Geschehnisse herunterzuspielen, jeder Ansatz zu einer Verbesserung – über die Bestrafung der Täter hinaus – fehlt. Dabei gibt es so viele Dinge, die in der Kirche im Argen liegen, die für sich genommen vielleicht jeweils Kleinigkeiten darstellen, in Summe aber das Bild verunklaren, was Kirche eigentlich sein soll. Hier ein Versuch, wo es hakt, und was die Konsequenzen sein müssen.
Lied, das die Welt umkreist
Meine Kinder wissen es schon, wer mich kennt, kann es wissen: Ich hasse dieses Lilalaune-Kirchenlied, das es tatsächlich ins neue Gotteslob geschafft hat und dort von Rentnern, die meinen, „Neues Geistliches Liedgut“ sei immer noch neu, immer wieder hervorgekramt wird. Dieses Lied steht stellvertretend für eine Liturgie, die nicht mehr feierlich sein will sondern sich den Menschen anbiedert. Dabei ist die Messe aber nicht nur für die Menschen da: Es ist Gottesdienst, in dem Sinne, dass Gott uns mit der Schrift, vor allem aber mit der Eucharistie „dient“ und wir Gott durch unser Gebet, unseren Lobpreis und unsere Ausrichtung auf ihn „dienen“.
Da haben Belanglosigkeiten keinen Platz, auch und vor allem nicht in Familien- und Kindermessen, mit denen man schon der Jugend das Interesse am Glauben austreibt. Priester allerdings, die derartiges zulassen oder gar befördern müssen sich fragen lassen, wo sie eigentlich selbst im Glauben stehen. Ist eine Messe im Piep-piep-piep-Stil nicht eher ein Beweis der mangelnden eigenen Verankerung in Jesus? Wie will jemand Hirte sein, der den Hirtenstab gar nicht in die Hand nehmen und der Herde – fordernd und fördernd – voraus gehen will?
Die Menschen abholen
Natürlich, ich kann Mission nicht betreiben, indem ich einfach nur die Tür des Kirchengebäudes öffne und darauf hoffe, dass die Menschen schon kommen werden (in manchen Gemeinden mag eine offene Tür aber mindestens ein Anfang sein). Also müssen wir alle dahin, wo der Glaube fehlt, wir alle müssen die Ungläubigen und getauften Heiden da abholen, wo sie sind. Aber: Dabei darf es nicht bleiben. Die Entscheidung für Jesus stellt eine Umkehr dar, das alte Leben müssen wir aufgeben und den neuen Menschen anziehen. Jemanden durch allerlei Events in die Kirche zu holen, ihn aber ansonsten sein Leben einfach weiterführen zu lassen, ist nicht nur nicht erfolgversprechend, es ist den Menschen gegenüber geradezu verantwortungslos.
Und wieder stellt sich die Frage, warum in vielen Predigten und Katechesen den Menschen Honig ums Maul geschmiert statt reiner Wein eingeschenkt wird. Womöglich liegt es daran, dass es mit der eigenen Umkehr auch nicht so weit her ist (was ich verstehen könnte), und man sich das lieber nicht als Spiegel vorhalten lassen möchte (wofür ich schon deutlich weniger Verständnis habe). Vielleicht ist es ja nicht so abwegig, dass die Weigerung, das ganze Evangelium zu verkünden nicht nur eine Frucht dessen ist, nicht ganz dahinter zu stehen (Zweifel seien auch Priestern erlaubt) sondern diese Weigerung auch dazu führt, dass man am Ende nicht mehr dahinter steht. Man verliert den Glauben, den man nicht mehr verkündet weil man ihn nicht mehr verkündet.
Geld und Macht
Wer sich mit Priestern unterhält, der bekommt eine Ahnung davon, womit die sich den lieben langen Tag beschäftigen. Und das ist nicht, stundenlang im Beichtstuhl zu sitzen, zu beten oder geistliche Gespräche mit Gläubigen und Ungläubigen zu führen. Verantwortlicher Priester zu sein ist – zumindest in unseren Breiten – ein Verwaltungsjob: Schulen, Altenheime, Krankenhäuser, Kindergärten, Caritas … wer solche Organisationen „am Bein hat“, kann (!) gar nicht mehr ein geistlicher Hirte seiner Herde sein.
Ich höre schon die Frage: Ja wollen wir uns denn daraus zurückziehen? Und meine – in ihrer Pauschalität vielleicht das Kind mit dem Bade ausschüttende – Antwort lautet: Ja sicher! Denn die Frage muss sich jeder gefallen lassen, inwieweit man mit diesen Organisationen noch Menschen zu Christus führt? Früher gab es für die Armen keine Krankenhäuser und Schulen, die soziale Unterstützung war mangelhaft, Menschen in materieller Not wurden nicht aufgefangen … und jetzt suchen wir mal einen Priester oder Gläubigen, der diese Zeiten noch aktiv miterlebt hat. Die Wahrheit ist: Die meisten sogenannten karitativen Organisationen der Kirche sind heute einfach überflüssig – vor allem dann, wenn sie dem Anspruch, kirchlich zu sein, nicht mehr gerecht werden (können), den man an sie stellen müsste.
Bedeutung statt Legitimation
Warum also nicht aussteigen? Der Grund dürfte einfach sein: Mit der Aufgabe solcher Einrichtung ist ein Bedeutungsverlust verbunden. Und das gilt – damit ich nicht missverstanden werde – nicht nur auf der Ebene der Priester: Der Zusammenhang wird mit zunehmender Hierarchiehöhe dramatisch! Es wird jedenfalls offenbar, dass man die Kirche für solche Aktivitäten nicht braucht. Im selben Augenblick stellt sich dann von außen aber die Frage der eigentlichen Legitimation von Kirche. Wozu braucht die Welt eine Kirche, die keine Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser etc. betreibt und die sich aus der Sozialarbeit bis auf Ausnahmen zurückzieht? Wer auf diese Frage keine Antwort geben kann, hat die Kirche schon jetzt aufgegeben, er weiß es nur noch nicht.
Wohlfühlkirche
Kann schon sein, dass man den Menschen den Gedanken an die Notwendigkeit der Beichte nur noch schwer nahebringen kann. Kann auch sein, dass es nicht gerade geschickt ist, den am Glauben Interessierten erstmal einen Katechismus in die Hand zu drücken. Sicher ist es einfach, denen, die am Sonntag zur Kirche gehen, zu bestätigen, dass sie zu den Guten gehören, und die, die das nicht tun, mit den Worten zu beruhigen, so schlimm sei das auch wieder nicht. Nur: So einfach wie es ist, es spiegelt nicht die Wahrheit Gottes wieder! Es IST ein Problem, wenn man die Glaubensinhalte nicht mehr kennt, die Sünde IST ein Problem, und wird es spätestens zum Lebensende in ganz dramatischer Weise werden. Und es IST ein Problem, wenn man die Sonntagspflicht verletzt … und vor allem IST es ein Problem, wenn man als Priester oder auch als Laie das nicht mehr zu sagen in der Lage ist. Ja, Jesu Botschaft ist eine Botschaft der Erlösung, aber das heißt nicht, dass der Pfad in den Himmel breit wäre!
Und vermutlich gilt auch hier: Wer das nicht mehr sagt, nicht mehr predigt, den Menschen nicht mehr vermittelt, der glaubt am Ende vermutlich selbst an seine abgespeckte Version des Evangeliums, hat sich seinen eigenen Katechismus im Kopf geschrieben … und folgt dem dann natürlich. Wie geht denn ein Priester mit seinen eigenen Sünden um, wenn er meine gebeichteten mit den Worten quittiert, ich solle nicht so streng mit mir ein? Ein bisschen Sünde geht schon … wir sind ja schließlich nicht Mutter Theresa *zwinkerzwinker* und am Ende kommen wir ja alle, alle, alle in den Himmel? So wird das Gewissen von innen ausgehöhlt und der Schutz, den es vor Angriffen bietet, bricht früher oder später in sich zusammen.
Der Pakt mit der Welt
Alles oben Beschriebene ist am Ende auch ein Zeichen dafür, welche Prioritäten man in der Kirche setzt: Nicht anecken, niemanden verschrecken, Macht ausbauen … und sich bei alldem möglichst nicht in die Karten gucken lassen. Als Gläubige sind wir – und Priester, Bischöfe und Kardinäle sind es besonders – in dieser Welt aber nicht von dieser Welt. Im Bestreben, ja nicht in den Fokus von kritischer Politik oder Medien zu geraten, beschränkt man sich aber meistens auf den ersten Halbsatz. Wir sind in der Welt, also müssen wir auch in ihr agieren. In der Tat wäre es töricht, die Welt und ihre Mechanismen nicht zu kennen. Aber schon bei der Nutzung dieser Mechanismen, bei internen Machtkämpfen und politischen Ränkespielen muss das Gewissen aufheulen … wenn es denn nicht schon komplett betäubt ist.
Weicht man davon ab, ist die Logik, Skandale nur ja nicht nach außen dringen zu lassen, da das der Position der Kirche schaden könnte, beinahe zwingend. Eine Weile kann man sich vielleicht noch selbst einreden, dass man damit gar nicht die Machtposition der Kirche meint sondern die der moralischen Instanz, die natürlich durch einen Missbrauchsskandal in Frage gestellt wird. Wer aber – noch – so denkt, dem wird aufgehen können, dass durch Lügen keine Lügen geheilt werden. Machen wir uns also nichts vor: Wer Skandale vertuscht tut das einzig und allein aus dem Grund des eigenen Positions- und Machterhalts. Denn solange man „nach außen“ sauber dasteht, wird der Pakt mit der Welt auch von dieser nicht angezweifelt. Die politische und mediale Welt wendet sich aber direkt ab, wenn offenbar wird, dass es auf dem Kleid der Kirche dunkle Flecken gibt.
Das weltliche Gewissen statt Weltgewissen
Das Gewissen dieser Würdenträger orientiert sich spätestens dann an der Welt, für die der schöne Schein ausreicht, und in deren Licht man sich sonnen kann. Die Stimme Gottes geht dabei im eigenen Herzen verloren … man hört auf, Hirte zu sein, erteilt sich selbst die Absolution für Fehlverhalten und – wie jetzt von einem mexikanischen Kardinal offenbar geäußert – weist Missbrauchsopfer an, doch lieber nach den Leichen im eigenen Keller zu suchen. Höllenhunde habe ich solche Kleriker genannt, und das sind sie. Und niemand, kein Priester, kein Bischof, kein Kardinal, auch nicht der Papst (aber auch kein Laie) ist davor gefeit, diesen Pfad zu betreten.
It’s a slow fade
Hat der PAPSTTREUE jetzt tatsächlich eine Linie vom „Lied, das die Welt umkreist“ zum Missbrauchsskandal in Pennsylvania gezogen? Ja, hat er, weil es sie gibt. Die amerikanische christliche Band „Casting Crowns“ hat das sehr schön in einem Lied zum Ausdruck gebracht, das mir gerade in diesen Tagen wieder einfiel:
It’s a slow fade when you give yourself away
It’s a slow fade when black and white are turned to gray
And thoughts invade, choices are made, a price will be paid
When you give yourself away
People never crumble in a day
It’s a slow fade, it’s a slow fade
Am Ende heißt es dann noch:
People never crumble in a day
Daddies never crumble in a day
Families never crumble in a day
Man mag ergänzen: „The church doesn’t crumble in a day!“
Alte Fälle?
Man muss nun schon auch darauf hinweisen, dass der jetzt veröffentlichte Bericht aus den USA Fälle behandelt, die teilweise schon Jahrzehnte zurückliegen, in vielen Fällen auch bereits bekannt waren. Man kann wohl auch weder der amerikanischen noch der deutschen Kirche vorwerfen, mit Blick auf die Skandale untätig geblieben zu sein. Und trotzdem zeigen die teilweise abwiegelnden, teilweise trotzigen Reaktionen, dass wir mit diesem Prozess noch lange nicht am Ende sind. Im Moment fallen also, um im Bild des Liedes zu bleiben, noch alte Brocken von der Fassade. Das heißt aber nicht, dass darunter ein gesundes Bauwerk zum Vorschein kommt.
Nachtrag
Möglicherweise erscheint dieser Beitrag zu abgeklärt, zu neutral im Angsicht dessen, was in diesen Tagen alles ans Licht kommt. Und vielleicht erscheint er manchem zu wenig emotional im Angesicht eines Themas, dass die Herzen und Seelen berühren MUSS. Wen dieses Thema als Katholik – auch und insbesondere als Nichtbetroffener – nicht umtreibt, der muss sein Katholischsein lange schon abgelegt haben. Ich sehe mich aber nicht in der Lage, dies auf eine Art und Weise zu formulieren, die dem Thema gerecht wird. Zum Glück konnte das aber jemand anderes und so mache ich mir den Beitrag von Peter Winnemöller zu eigen, den er auf seinem Blog veröffentlicht hat:
katholon: Nur raus hier – media septimana
Das Dorf hat keinen Pfarrer mehr. Jean-Baptiste Marie Vianney hatte Recht, sie beginnen schon die Tiere anzubeten.
(Zitat aus dem Beitrag)
akinom
Ein ganz großes JA zur Fasten und Gebet! Doch muss ich leider bekennen, dass ich es selber nie geschafft habe, zu fasten.
Ich wünsche mir weit offene Türen zum Tabernakel, aber auch Schlangen vor den Beichtstühlen.
Schuster bleib bei Deinen Leisten! Ihr Priester, lasst euch entlasten von allen Diensten, die mit eurem Amt und der Weihe nichts zu tun haben. Scheut euch nicht – ungeachtet der Skandale – einzuladen und zu werben für das Sakrament der Versöhnung! Lasst euch nicht entmutigen, wenn ihr zunächst lange auf das erste „ego te absolvo“ warten müsst! Euch selber wünsche ich gute Hirten. Offenbar gibt es leider viele „Hirten, die keinen Hirten haben“. (Das übrigens nicht nur in der Kirche.)
Gerd Franken
Ich kann Peter Winnemöller auf emotionaler Ebene ja verstehen aber raus hier zu rufen ist der falsche Ansatz. Ein Gärtner der das Unkraut sieht kann nicht einfach abhauen wenn er einen gepflegten Garten haben will. Aus der Kirche der Häretiker, kann ich persönlich gar nicht raus wollen, weil ich nie drin war. Es sollen die raus, die nichts darin zu suchen haben. Siehe Paulus. Wir haben noch nicht genug Dreck gefressen. Um es mal ganz sarkastisch polemisch zu sagen: Eine Gesellschaft die achselzuckend die Tötung ihrer ungeborenen Kinder hinnimmt, hat jedes Recht verwirkt sich über den Missbrauch von Kinder aufzuregen. Bischöfe die offen darüber nachgedacht haben, Tötungslizenzen auszustellen, hätten heraus gejagt werden sollen. Sehen wir wirklich nicht den Zusammenhang oder wollen wir ihn nicht sehen? Kinder töten und Kinder missbrauchen ist ein und dieselbe Kiste. Das eine gebiert das andere und umgekehrt. Wir müssen aus dieser Welt raus. Wir müssen aus unseren Sünden raus. Wir müssen unsere Kreuze offen tragen nicht nur am Tempelberg in Jerusalem. Wir müssen die Wahrheit knallhart in die Welt rufen. Wir werden es nicht tun. Wir werden palavern, emotional entsetzt sein, nach Vergeltung rufen und nach was weiß ich noch alles. Das wird nichts nützen wenn der Übeltäter nicht aus unserer Mitte entfernt wird. Wir werden allerdings so lange warten bis Gott das selber übernimmt. Das ist meine Befürchtung. Dann wird das Wort Jesu uns mit Zittern und Zagen treffen: „Weint nicht über mich, weint über euch und eure Kinder!“
Theo Arntz
Schön geschrieben Gerd,
das größte Problem ist aber das es heute niemanden mehr interessiert was in der Kirche vor sich geht. Der Prozentsatz der Katholiken, der sonntäglich die Heilige Messe besucht ist marginal (viele tun es auch nur aus alter Gewohnheit oder um ihr Gewissen zu beruhigen), alle anderen haben mit der katholischen Kirche nichts mehr am Hut. „Hauptsache ihr habt Spaß !!“ Man möchte in die Welt hineinschreien „stürmt die Kirchen und betet den Rosenkranz“, oder, wie du es formulierst „die Wahrheit knallhart in die Welt rufen“, aber da kommt einem nur aus der großen, leeren Weite nur das eigene Echo entgegen. Früher gab es auch solche Zeiten, es war aber im Gegensatz zu heute im „einfachen“ Volk immer der Glauben verwurzelt, wenn auch vielfach aus Angst vor der Hölle.
Konrad Kugler
Wer glaubt denn sowas heute noch?
@Theo Arntz,
meine Tochter hat mir vor ein paar Stunden genau das beschrieben. Die Menschen sind unfähig gemacht worden, rational zu denken.
Das gilt für den Glauben ebenso wie für die irre Politik.