Es ist kein Geheimnis, auch wenn Stefan Kretzschmar gerade wieder zurück rudert: Mit der Freiheit ist es in unserem Land nicht so besonders weit her. Aber was tun?
Es gibt drei Auslöser für diesen Blogbeitrag: Erstens ein Gespräch mit meiner Frau über die Frage, wie man denn eigentlich damit umgehen kann, wenn beispielsweise das deutsche Schulsystem uns zwingt, unsere Kinder Einflüssen auszusetzen, die wir vermeiden wollen. Zweitens ein Gastbeitrag des geschätzten Bloggerkollegen Tobias Klein auf Rod Drehers (der mit der Benedikt-Option) „The American Conservative“ zu der Frage, wie eigentlich Deutschland hinsichtlich der frühen Fremdbetreuung gestrickt ist, und welche Alternativen es zu staatlichen Schulen gibt. Und drittens die Mini-Diskussion um Stefan Kretzschmars Interview mit T-Online und der BILD zu der Frage, inwieweit in Deutschland eigentlich noch faktisch Meinungsfreiheit besteht, wenn man als Sportler um seine Werbeverträge fürchten muss für den Fall, dass man beispielsweise die Flüchtlingspolitik der Regierung kritisiert (wobei er –Obacht alle „Rechten“, die ihn schon für sich vereinnahmen wollen – darauf hinweist, dass er das gar nicht tut).
Optionen für die Freiheit in einem unfreien Land
Was also tun, wenn die Freiheit vor die Hunde geht, sei es faktisch durch gesellschaftliches „Commitment“, in dem das Aussprechen abweichender Meinungen sanktioniert wird, sei es gesetzlich, wenn bestimmte Freiheitsrechte, wie die Erziehung der Kinder durch die Eltern, immer weiter eingeschränkt werden? Gerade um letzteres geht es mir besonders, da wir zwei Kinder haben, die mittlerweile zur Schule gehen, und Tendenzen hinsichtlich der Beeinflussung der Meinungsbildung durchaus absehbar sind (manche davon sogar durchaus in unserem Sinne, aber da geht es ums Prinzip). Und bei diesem Thema gibt es letztlich – deutsche Rechtslage mal als unveränderlich vorausgesetzt – nur drei Optionen. Die gelten übrigens auch in anderen Ländern, die die Freiheit der Bürger mehr oder weniger einschränken, aber hier soll es zunächst mal nur um Deutschland gehen.
Stärken
Die erste wäre, die Kinder so stark zu machen, ihnen zu Hause einen sicheren Hafen zu bieten, sodass sie sich bei Fragen der Meinungsbildung nicht auf die Lehrer verlassen sondern einen eigenen Kopf bewahren, den sie an ihren Eltern „verproben“ können. Das bedeutet natürlich auch, dass Kinder am Ende des Prozesses zu einer anderen Einschätzung als die Eltern kommen können; dies aber nicht aufgrund einer äußeren Indoktrination sondern durch Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Positionen, Gewichtung und Infragestellung von Argumenten und letztlich durch einen eigenen, sich entwickelnden ethischen Kompass.
Wenn man in deutschen Schulen also auf Sicht nicht daran vorbei kommt, dass die Kinder sich mit Genderquatsch, politisch-korrekten Gesellschaftsthesen und geschichtsfälschender Religionskritik auseinandersetzen müssen, dann ist es Aufgabe von uns Eltern, sie vorher zu stärken. Stärken, um eine eigene Meinung zu bilden, stärken aber auch, um die eigene Meinung auch mutig zu vertreten (wobei dazugehört, ihnen zu vermitteln, welche Konsequenzen das haben kann).
Ausweichen oder „Fliehen“
Und wenn das nicht geht? Wenn die Indoktrination oder auch andere Freiheitsbeschränkungen ein Maß überschreiten, dass man als Eltern zu tolerieren bereit ist? Grundsätzlich gibt es dann als legalem Weg nur den, das Land zu verlassen. Dabei muss es gar kein Homeschooling sein, das man anstrebt. Es würde schon ein plurales Schulsystem ausreichen, in dem man sich tatsächlich weltanschaulich nicht allzu starken Kompromissen hingeben muss. Grundsätzlich muss man dabei vermutlich zur Vorsicht mahnen, um die Kinder nicht einer Filterblase auszusetzen, in der sich ein eigener ethischer oder moralischer Kompass auch wieder nicht entwickeln kann. Deutsche schulische Indoktrination soll ja nicht ersetzt werden durch eine andere, selbst wenn diese den Eltern eher entspricht. Der Idealtyp der Schule ist der, der tatsächlich eine allgemeine „Reife“ vermittelt, wie es Gymnasien in früheren Jahrzehnten zumindest versucht haben.
Derartige Angebote – zumal in vermutlich privater Trägerschaft auch noch bezahlbar – kenne ich leider in Deutschland nicht; da wären Alternativen im Ausland ohne Schulpflicht (also abgesehen von Deutschland und Nordkorea so ziemlich überall) naheliegend. Freunde haben sich bereits nach Österreich verabschiedet um dort zumindest frei sondieren zu können, welche Optionen es gibt. Ein solcher Schritt ist aber ein großer, vor allem, wenn man damit Wurzeln zu Familie und Freunden kappen muss.
Regeln brechen
Bliebe als dritte Methode noch eine ungesetzliche: Die Kinder von allen Inhalten, die man nicht zu tolerieren bereit ist, in Deutschland fernzuhalten, bedeutet einen Verstoß gegen die Schulpflicht. Das kann in Deutschland durchaus harte Konsequenzen nach sich ziehen. Wer wissen will, wie frei er in diesem Land ist, kann ja mal versuchen, sich gegen diejenigen Gesetze aufzulehnen, die ihm freiheitseinschränkend oder moralisch fragwürdig erscheinen. Auslöser des oben verlinkten Beitrags von Tobias Klein war ja gerade ein verlorener Prozess von Eltern, denen aufgrund der Verletzung der Schulpflicht Gefängnisstrafen drohen.
Man ist also in Deutschland nicht frei, seine Kinder in der Weise zu erziehen und ihnen eine entsprechende Schulbildung zukommen zu lassen, wie man das für richtig hält, selbst wenn man sich regulären Bildungsstandards unterwerfen möchte. Dazu kommt noch, dass man in diesem Land sicher auch nicht mit der Unterstützung von Medien und Gesellschaft rechnen darf, die Kritiker der Schulpflicht im Normalfall nicht als Freiheitsfreunde sondern als Staatsfeinde einordnen (was ja auch nicht vollständig falsch aber auch nicht ganz richtig ist).
Graswurzelbewegung
Okay, wollen wir nicht verschweigen, dass es noch eine weitere Option gibt, die parallel zu allen anderen angewandt werden kann, die aber auch die schwierigste darstellt. Diese besteht in der Veränderung der gesellschaftlichen Einstellung bis hin zur Gesetzgebung in Deutschland. Wenn es Gesetze gibt – und diese auch noch weiter entwickelt werden – die die Freiheit der Menschen über die Gestaltung eines konstruktiven Miteinanders hinaus einschränken, dann ist es an der Zeit, das zu thematisieren. Es wird darum gehen müssen, insbesondere denjenigen, die beispielsweise die Schulpflicht für eine moderne Errungenschaft halten, zu verdeutlichen, worin der Fehler im System liegt.
Ein alter Sponti-Spruch lautet „Wer sich nicht bewegt, der spürt auch seine Ketten nicht!“ – das ist exakt das, was in Deutschland und – soweit ist das beurteilen kann – in vielen anderen entwickelten Nationen passiert. Der Nanny-Staat nimmt einem – im Gegenzug zu Geld und Freiheit – Risiken und Verantwortung ab, und der Michel meint, das habe so schon seine Richtigkeit. Für die meisten freiheitseinschränkenden Gesetze gab es mal einen guten Grund, der nur – leider, leider – durch die gesetzesimmanente Standardisierung vollkommen pervertiert wurde. Aber wer will schon, dass Eltern ihre Kinder zu Hause dumm halten? Wer will schon, dass Islamisten zu Hause kleine Bombenleger erziehen? Das zur Vermeidung solcher Extrema eine ganze Nation, ganze Generationen in Geiselhaft genommen werden, ist den meisten nicht mehr bewusst oder scheint ihnen sogar legitim. Es steht also jedem Freiheitsfreund ein hartes Stück Arbeit bevor, wenn er das Bewusstsein einer ganzen Nation befreien möchte.
Und jetzt?
Alles gut und schön, mögen Sie jetzt sagen, aber was macht man mit diesen Erkenntnissen? Und ich gebe zu: Ich muss eine Antwort schuldig bleiben. Jede der vorgestellten Alternativen (und dazwischen wird es auch noch Mischkonstruktionen geben) haben schließlich Konsequenzen.
Konsequenzen
Man mag sich als Freiheitsfreund gerne wie William Wallace aus Braveheart fühlen wollen, der vor seinem Foltertod noch laut „Freedom“ brüllt … aber in unseren Tagen ist ein Gesetzesbruch weit weniger ehrenhaft: Wer aufgrund der Verweigerung der Schulpflicht für die Kinder rechtsbrüchig wird, muss mit einer Gefängnisstrafe rechnen, er wird seinen Kindern noch weniger zur Seite stehen können und am Ende müssen sie doch zur Schule. Fatalistisch? Aber auch realistisch. Da mag es besser sein, das Land zu verlassen und sich andernorts niederzulassen, wo es noch (!) ein bisschen (!) besser ist als hier. Aber dafür persönliche Wurzeln kappen, die Heimat aufgeben? Und ist es einem Patrioten, der sein Land liebt, eigentlich angemessen, es sich selbst zu überlassen?
Da ist die Stärkung der Persönlichkeit der eigenen Kinder vielleicht naheliegender. Aber damit setzt man diese wiederum womöglich einem Kampf aus, den man selbst nicht zu führen hat. Machen wir uns nichts vor: Die echten Querulanten (was etwas anderes ist als Klassenclowns und Pubertierenden Siebengescheite) unter den Schülern waren noch nie besonders beliebt; nicht bei den Lehrern aber auch nicht bei den Mitschülern. Bliebe noch die Ochsentour der Graswurzelbewegung, die mir einerseits besonders gut gefällt – kommt sie doch dem Gedanken am nächsten, die Menschen von den Vorzügen der Freiheit zu überzeugen und sie vom Etatismus zu heilen – die aber andererseits auf die kommenden, sagen wir 20 Jahre keine Gesetzesänderung wie die Abschaffung der Schulpflicht zeitigen wird.
Was bleibt?
Das oben Gesagte zeigt: Es gibt keinen Königsweg, und der Umgang mit solchen Entscheidungen basiert auf sehr persönlichen Einschätzungen und Bewertungen. Es wäre allerdings – im Sinne der Graswurzelbewegung – schon viel gewonnen, wenn die bestehende Problematik an sich transparent geworden ist und immer transparenter wird. Denn was exemplarisch für das Schulwesen gilt, gilt in ähnlicher Weise für die meisten anderen Aspekte der persönlichen Lebensgestaltung, in die sich der Staat einmischt, von Pflichtversicherungen bis Müllentsorgung, von der Wiege bis zur Bahre gibt es kaum einen Lebensaspekt, in dem man nicht von staatlicher Gängelung beeinflusst wäre.
Der Ausweg unterscheidet sich je nach persönlicher Lebenssituation, Risikoneigung und Problembewusstsein. Nur eines wird mir immer klarer: Das Problem zu ignorieren ist keine Option, wenn mich nicht eines Tages meine Kinder, um die es hier Wesentlich geht, fragen sollen, warum ich eigentlich zu meiner Zeit nichts gegen die staatliche „Freiheitsberaubung“ unternommen habe.
gerd
Wenn sie da von ausgehen, dass ihre Kinder sie später fragen, warum im Staat etwas schief gelaufen ist, dann haben sie schon vieles richtig gemacht.
akinom
Kinder in Gefahr! Und da geht es längst nicht mehr „nur“ um die „Oberhoheit des Staates über die Kinderbetten“! Ich bin dankbar, dass ich jetzt nur noch schulpflichtige Enkelkinder habe und mich für das Thema „Freiheit in einem unfreien Land“ nur noch bezüglich einer Gebetsoffensive zuständig fühle. Mutige vor: „staatliche Freiheitsberaubung“ gehört ans Licht der Öffentlichkeit! Möge dieser Blogbeitrag, den allzu viele Bauleute schon verworfen haben, zum Eckstein werden!
Günter Tschauner
Es gibt eine Freiheitsberaubung in diesem Land ohne Grund (aus reiner
Willkür) und Anwendung von Zwang im kommunalen Raum. Auch der
Gewalt gegen Kinder (die Lehrer schauen weg) muß ein Ende gesetzt
werden auf dem Schulhof und im Außengelände.
Mein jüngster Sohn hat diese Gewalt erlebt und über Monate erfahren
und geschwiegen.
Günter
Konrad Kugler
Robert Spaemann hat seine Kinder vom staatlichen Religionsunterricht abgemeldet. Deshalb sind sie noch gläubig. (PUR 1/19)
Die größte Gefahr für vernünftiges Denken sehe ich im Evolutionismus. Damit wird die Basis zerstört.
tkloefer
Ich verstehe ehrlich gesagt nicht wo die Freiheitsberaubung in der Schule stattfinden soll? Wie Sie selber schreiben liegt es doch an einem selber bzw. Ihren Kindern zu entscheiden welchen Argumenten bzw. Weltsicht diese folgen möchten. (Stichwort Freiheit) Hierzu ist Bildung nötig, ohne das Wissen um verschiedene Standpunkte gibt es keine Freiheit der Wahl. Im Übrigen habe ich aus persönlicher Erfahrung (zugegeben wie jede persönliche Erfahgung sehr subjektiv) nie den Eindruck gewonnen das „der Staat“ bei der Indoktrinierung von Schülern sehr erfolgreich ist :)
Bei der Schulpflicht von staatlicher Freiheitsberaubung zu reden ist meiner Meinung nach jedenfalls gefährlicher Humbug und eher ein Zeichen von westlicher Dekadenz – fragen Sie mal in den Ländern ohne funktionierendes Schulsystem nach.
Claudia Sperlich
Zur Graswurzelbewegung gehört, sich locker zusammenzuschließen, Fähigkeiten auf geldlosen Börsen anzubieten.
Wir könnten den Kindern eine Art Graswurzel-Sonntagsschule bieten, in Zeiten des Internet können wir uns leichter als früher zusammenschließen und verabreden und notfalls auch auf nur elektronischem Wege austauschen.
Ich wäre auf jeden Fall bereit, nicht nur meinem Patenkind beizustehen beim Lernen „gegen den Strom“ der Schule.