Manche Dinge, die von außen vielleicht eher unspannend, sogar langweilig erscheinen mögen, haben einen hohen inneren Wert. Eine kleine Wanderung kann so etwas sein.

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Wenn Sie bei mittelprächtigem (nicht zu heiß, nicht zu kalt, kein Regen, aber auch ein strahlender Sonnenschein) zwei Männer einen leichten Berganstieg hochlaufen sehen, gemäßigten Schrittes, so dass man gut miteinander sprechen kann, ist das erstmal nichts Besonderes. Wenn man dann noch beachtet, dass es in der Umgebung durchaus steilere und anspruchsvollere, auch schönere Strecken gibt, die diese beiden Männer dem Alter nach durchaus auch schaffen könnten, dann mögen auch andere Gedanken durch den Kopf gehen – warum so etwas Langweiliges?
Maria Eck
Aber wenn man tiefer blickt, sieht man, dass diese beiden Männer auf dem Weg zu einem Chiemgauer Marienwallfahrtsort sind – Maria Ecke, in der Nähe von Traunstein. Also immerhin ein lohnendes Ziel. Und auch wenn die zu laufende Strecke von der Talstation des Hochfelln in Bergen nur gute anderthalb Stunden dauert, dann ist so ein Weg eben auch einer zu Maria.
Und vielleicht lauscht dann der eine oder andere noch dem Gespräch dieser Männer: Sie sprechen über ihren Glauben, über Glaubenserfahrungen, Gotteserfahrungen, Erfahrungen mit dem Heiligen Geist. Sie sprechen über ihr Gebetsleben, tauschen sich über ihre Art zu beten aus, darüber, wie man umgeht mit Situationen, in denen Gebete – scheinbar – nicht gehört werden. Sie sprechen darüber, wie sich das Gebet verändert, wenn man die Erfahrung von Leid macht, von Krankheit, möglicherweise tödlicher Krankheit.
Apostolat des Leidens?
Die beiden Männer kennen sich schon einige Jahre, sehen sich aber meist nur einmal im Jahr, nämlich dann, wenn der eine (das bin in dem Fall ich) mit seiner Familie im Chiemgau Urlaub macht, und sie sich dort verabreden. In diesem Fall hatten sie sich aber zwischenzeitlich schon mal gesehen. Der andere Mann, mein Freund, war nämlich schwer krank und ich habe ihn besucht, in einem Klinikum in München. Und die Erwartung war: Ich muss mich beeilen, ihn zu besuchen, wer weiß, wie lange er noch lebt, und ob ich ihn noch mal wieder sehe?
Krebserkrankungen, früher bereits überstanden, dann aber mit Macht zurückgekommen, Therapien, Operationen, ärztliche Fehler, Not-OPs … das alles reicht, um einen Mann auch mal verzweifelnd zu lassen. Aber nicht diesen meinen Freund. Ein Apostolat des Leidens, das sei nichts für ihn, hat er mir mal gesagt, und dabei wohl doch auch befürchtet, dass Gott genau das mit ihm vorhaben könnte.
Gebete, Heiliger Geist und Freunde
Aber schon bei meinem Besuch damals in München, ein paar Tage, nachdem uns eine Freundin informierte, wir sollten besser hinfahren, ging es ihm schon besser. Es schlossen sich – und schließen sich – lange Therapien, Kuren, ärztliche Behandlungen an. Vor allem aber Gebete, Begegnungen mit dem Heiligen Geist, katholische Heilungsseminare.
Während seiner Krankheit ist mein Freund mit seiner Frau in ein neues Haus gezogen. Er konnte sich nicht kümmern, aber seine Freunde vor Ort haben alles gestemmt. Manche behaupten ja, man könne den Charakter eines Menschen auch an seinen Freunden erkennen. Wenn das so ist, dann sind seine Freunde aus Jugendtagen ein ziemlich drastisches, positives Zeugnis.
Wunder
Und jetzt, so berichtet er, suchen viele seine Nähe. Sie kennen seine Geschichte, sie wissen, dass er – wie man so sagt – dem Tod von der Schippe gesprungen ist. Und sie wollen wissen, wie das geht, was er getan hat. Er berichtet mir – während unserer kleinen Pilgertour – dass er versucht, Rücksicht zu nehmen auf den Hintergrund der Fragenden. Denn eigentlich, so sind wir beide überzeugt, ist es nicht weniger als ein Wunder, dass wir heute diesen Weg nebeneinander her gehen. Als ich den kleinen Kurztrip für den 1. Mai aus München (wo ich im Moment die Woche über beruflich tätig bin) ins Chiemgau plante, berichtete ich ihm davon, dass ich nach Maria Eck laufen wollte – mit jeder Menge Gebet im Gepäck. Ich schlug ihm vor, dass wir uns dort oben in dem Restaurant, das man auch mit dem Auto erreicht, treffen könnten. Niemals hätte ich damit gerechnet, dass er mitkommen würde, mit wandern könnte.
Und dieses Wunder hat niemand anderes getan als eben Gott. Er hat offenbar noch Pläne mit meinem Freund. Und der hat volles Vertrauen in den Herrn. Er hat Heilungsseminare besucht. Zunächst, wie er berichtet, durchaus skeptisch: Diagnose Krebs, Behandlungsmöglichkeiten unklar, Prognose kritisch … und doch fühlte er sich nach dem ersten mal „heil“. Nicht geheilt im medizinischen Sinne, aber innerlich heil gemacht vom Heiligen Geist.
„Mit Gott die Welt verändern“
Ich hatte ihm zu der Zeit ein Buch geschenkt: John Eldredges „Mit Gott die Welt verändern“ (im Original „Moving Mountains“), in dem es um die von Jesus uns geschenkten Vollmachten geht. Er meinte, er lese noch heute darin und bete das darin enthaltene „Daily Prayer“ tatsächlich täglich.
Unser Gebet hat oft nur geringe Wirkung, aber womöglich liegt das auch an de Art, wie wir beten. Glauben wir wirklich, dass Gott uns zur Hilfe kommt? Und wenn er es dann nicht tut, glauben wir dann, dass Gott unsere Krankheit vielleicht wollen könnte? Und was, wenn es anders wäre – wenn wir mit Vollmacht beten könnten, wenn wir mit Vollmacht beten würden.
Es ist schwer zu sagen, warum manche Gebete erhört werden und andere nicht, und die Gründe dafür sind vielleicht so vielfältig, wie die Menschen, die sie beten. Und doch ist das Gebet – mein Freund ist davon überzeugt und ich mit ihm – ein Schlüssel. Besonders ein Schlüssel zur Heilung und Heiligung. Man mag straucheln – über Herausforderungen, Versuchungen, Sünden, aber niemals dürfen wir den Kontakt zu Gott aufgeben. Man kann mit ihm streiten, man kann ihm auch Vorwürfe machen, aber lassen wir das Gespräch niemals einschlafen.
Lobpreis
Und – auch das ein Rat meines Freundes, den ich gerne weitergebe – zeigen wir Gott unsere Dankbarkeit, durch unseren Lobpreis. Für viele klingt Lobpreis nach evangelikaler Musik und in die Luft gereckte Hände, aber eigentlich ist es nichts anderes, als das Lob Gottes – aus sich selbst heraus. Nicht einfach als Dank oder weil ich etwas von ihm will, sondern weil er eben Gott ist. Und was mir noch nie so richtig bewusst war: Einen kleinen Lobpreis beten viele von uns jeden Tag – im Vater-unser: „Geheiligt werde Dein Name!“ Ein ganz kleiner Lobpreis und alleine deshalb eine wunderbare Art, ein Gebet (und den Tag) damit zu beginnen (kein Wunder, wenn man sich vor Augen hält, wer dieses Gebet erfunden hat).
Und über all das haben wir gesprochen auf unserer Wanderung nach Maria Eck. Dort haben wir uns in die wunderschöne Kirche gesetzt und gebetet. Ich musste Gott dann einfach danken – dafür, dass ich mit meinem Freund dort knien durfte. Dafür, dass wir so wunderbare Gespräche führen durften und – so Gott will – auch weiterhin führen werden.
Apostolat der Heilung
Wir sind dann natürlich trotzdem noch „eingekehrt“, haben die bayerische Küche genossen, bevor wir uns wieder auf den Rückweg gemacht haben. Und ich kann seit dem Tag sagen, dass ich wieder ein bisschen anders auf die Welt blicke, auf meine eigenen Herausforderungen, Versuchungen, mein eigenes Versagen und meine Erfolge. Gott ist immer ein Teil davon, er ist bei mir und will bei mir sein. Wenn ich ihn nicht spüre, dann meist wohl nur, weil ich ihn nicht bemerke, ihn vielleicht in dem Moment gar störend empfinden würde. Ich habe an dem Tag – auf dem Weg nach Maria Ecke – eine Menge gelernt.
Ein Apostolat des Leidens sei nichts für ihn, hatte mein Freund gemeint. Und anscheinend ist das auch gar nicht Gottes Plan. Eher ein Apostolat der Heilung – ein Zeugnis der Heilswirkung Gottes. Ich kann gar nicht sagen, wie dankbar ich Gott für diesen Spaziergang bin.
akinom
Benedicere. Kann man diesen Spaziergang ein Taborerlebnis nennen?
Dazu ein Gedicht meiner Patentante Hedwig, die am Abend ihres Todes eine Flasche Sekt im Kühlschrank öffnen wollte – die Kraft dazu fehlte aber – um ihre Ankunft im Himmel zu feiern. Wir stießen damit am Tag ihrer Beerdigung auf ihr Wohl an.
Zum Spätherbst meines Lebens
Die Sonne lacht vom Himmel blau
als sein es Sommerzeiten
Und doch – ein wenig Wehmut will
ins alte Herze schleichen!
Auch freut ein kleines Vögelein
Auch freut ein bisschen Sonnenschein
Gras – Blumen an den Wegen.
Ach – Gottes Welt ist immer schön
Ich will des Herrgotts Wege gehn,
so wie er sie will geben!
Ich geh an meines Schöpfers Hand
selbst wenn der Weg ist unbekannt
im Spätherbst meines Lebens!
„Te Deum“ klingt es leis in mir.
Du Vater, bist ganz nah bei mir
im Spätherbst meines Lebens…
Der Liebe Gott ist immer für Überraschungen gut. Man kann sie auch Wunder nennen. Mein schönstes Wort für ihn heißt TROTZDEM.
Stefan Schmidt
Danke, dass Sie uns davon berichten.
Ich selbst pflege seit einigen Wochen Abendspaziergänge zu – naja – gehen.
Das hat bis jetzt nur körperliche Gründe gehabt, denn auch ich brauche Heilung, nicht von Krebs, aber von Adipositas, die Spaziergänge sind da natürlich nur ein erneuter Anfang in die körperliche Ertüchtigung.
Aber ich schweife ab.
Nach diesem Text denke ich jetzt, dass eine Einbeziehung des Geistigen in die Spaziergänge vielleicht sinnvoll wäre.
Bewusst das Gebet, die Nähe zu Gott zu suchen.
Ich kann aus Ihren Schilderungen vieles mitnehmen, das hat mich inspiriert.
Ihnen und Ihrem Freund wünsche ich alles Gute und, dass Sie beide noch viele Jahrzehnte der Freundschaft vor sich haben.
Gott segne Sie.
Absalon von Lund
Vor ein paar Tagen empfahl mir ein Freund John Eldredge’s „Wild at Heart“ und auch ein Männercamp „Free at Heart“. Wir leben hierzulande nicht das Leben von Männern, sondern gezwungenermaßen das Leben von Nanozwergen. Dazu sind wir nicht auf der Welt und das macht krank, immer mit „Schubumkehr“ unterwegs sein zu müssen. Wichtiger Teil unserer Menschwerdung ist die Mannwerdung! Davon haben wir keine Ahnung mehr in diesem seit Jahrzehnten völlig deformierten Land. Zum Apostolat des Leidens füge ich noch das Apostolat der Vereinfachung, der Vertiefung und des Verzichts hinzu. Das scheint mir der richtige Weg zu sein. Abschließend noch ein Zitat aus einem Werk des Dichterpaters Jörg Müller aus Freising: „…nach Jahren stellt er schließlich fest, daß Gott durch Leid ihn wachsen läßt, ein Wunder ist an ihm vollbracht, die Krankheit hat ihn heil gemacht!“ Besser geht’s nicht!