Am Festtag des Apostels Thomas ist ein Beitrag über den Zweifel angebracht. Aber ist Zweifel erlaubt? Kommt drauf an.

„Der Gläubige und der Ungläubige treffen sich im Zweifel“, so oder so ähnlich habe ich das mal bei Joseph Ratzinger gelesen. Und wenn ein Ratzinger damit indirekt einräumt, auch nicht ganz frei von Glaubenszweifeln zu sein, dann ist das für mich erstmal beruhigend. Dabei durchzieht der Zweifel auch die ganze Geschichte des Menschen mit Gott: Was anderes als der Zweifel an der Aufrichtigkeit Gottes, am Wohlwollen für den Menschen, hat denn zum Sündenfall geführt – der Zweifel, geschürt durch den Widersacher?
Der Zweifelnde
Und heute feiern wir den Apostel Thomas, der bei uns auch als der „ungläubige Thomas“ bezeichnet wird, besser eigentlich der „zweifelnde Thomas“ – dann weiß jeder, um wen es geht. Dabei ist er es doch, darauf wies heute in der Messe unser Priester noch mal hin, der eines der ersten Glaubensbekenntnisse mit den Worten „Mein Herr und mein Gott“ abgegeben hat. Wer diese Anrede mit Überzeugung jeden Tag – ohne Zweifel – aussprechen kann, der darf sich selbst durch und durch gläubig nennen. Ich selbst gehöre nicht dazu, bei allem Glauben an Gott.
Da sind aber schon unterschiedliche Bedeutungen von Glauben drin enthalten: Glaube ich, dass es Gott gibt? Glaube ich, dass er es gut mit mir meint? Glaube ich, dass er sich uns offenbart hat und Mensch geworden ist in Jesus? Glaube ich das, was ich im apostolischen Glaubensbekenntnis zu glauben bestätige? Glaube ich, dass das, was die Kirche als Glaubensgut verbreitet, die Wahrheit ist? Glaube ich, dass die Dokumentation dieser Glaubenswahrheiten der Katechismus der katholischen Kirche ist? Alles das, so meine ich, sollte ich glauben … wobei Zweifel eben nicht verboten sind, sondern eher ein Ausweis einer aktiven Auseinandersetzung mit dem Glauben, einer aktiven Beziehungspflege zu Gott. Das jedenfalls dann, wenn ich nicht einfach beim Zweifel stehenbleibe sondern eine Antwort suche und idealerweise von Gott selbst erwarte.
Hipper Zweifel
Zweifel ist also etwas sehr Normales: Die Apostel haben gezweifelt, die Heiligen haben gezweifelt, Papst Benedikt zweifelt ab und zu, ich nehme an, Papst Franziskus wird es nicht anders gehen. Der Zweifel an sich ist also noch kein Abfall von Gott. Allerdings macht sich heute in der Welt eine etwas andere Art von Zweifel breit, so etwas wie ein „hipper“ Zweifel: „Ich weiß es ja nicht so genau, aber …“ ist eine typische Formulierung, die gewählt wird, wenn der Sprechende den Zweifel für „angebracht“ hält. Denn etwas als zweifelsfreie Wahrheit zu bezeichnen erscheint den meisten zu dogmatisch. Da wird lieber ein Zweifel dokumentiert, der im Herzen vielleicht gar nicht existiert, den zu benennen aber opportun erscheint.
Interessanterweise betrifft dieser „hippe“ Zweifel besonders Glaubensfragen, und – vielleicht ist das nur ein subjektiver Eindruck – den christlichen Glauben. Viele Christen scheinen sich zu scheuen, ihren Glauben als „geglaubte Wahrheit“ zu vertreten: „Jesus Christus ist der Sohn Gottes, menschgewordener Gott, auf die Welt gekommen, um uns zu erlösen, sein Tod ist gleichzeitig Sühne für unsere Sünden und damit auch Ausdruck der Barmherzigkeit Gottes. Das ist so, die Bibel bezeugt es, die Erfahrung bezeugt es, das ist die Wahrheit und die vielen anderen Glaubenswahrheiten, die die Kirche lehrt ergeben sich daraus. Punkt.“
Meine Wahrheit
Sowas wird nicht gerne gehört und darum – nicht aus direktem Zweifel, eher aus Menschenfurcht – nicht gerne gesagt. Das aber ist unsere Botschaft. Wenn Glaube an dieser Stelle nur im vagen bliebe, also bedeutete „ ich nehme an, man kann das aber auch anders sehen“, verliert dieser Glaube seinen Wert. Er verliert Wert für mich, aber vor allem auch für den, den ich zu Jesus führen möchte. Wenn das alles nur so „in etwa“ stimmt, dann kann ich mir ja auch einfach was raussuchen, was mir persönlich plausibel erscheint. Dann kann ich mir auch aus verschiedenen Religionen einen Glauben zusammenbasteln, der zu meinem Leben passt. Und diesen meinen Glauben kann ich anbieten, gehe aber auch dann selbst nicht mehr davon aus, dass das die Wahrheit sein muss.
„Deine Wahrheit und meine Wahrheit“, diese Unterscheidung ist nichts anderes als ein Ausweis – nicht des Liberalismus sondern – des Relativismus. Wenn alles wahr sein kann, dann ist nichts mehr wahr … und umgekehrt.
Die neue Häresie
Ganz im Gegensatz dazu, ist in anderen Bereichen Zweifel geradezu verpönt: Wer Zweifel hat, ob der Klimawandel rein oder überwiegend menschengemacht ist, steht schnell alleine da. Wer Zweifel hat, dass die Flüchtlingspolitik der Regierung, der Atomausstieg, die faktische Abschaffung des Wehrdienstes, die „Gendergleichmacherei“, die immerwährende Euro-Rettung alternativlos und damit richtig und wahr sind, der kann sich auch gleich ein Bild des Gottseibeiuns aus Braunau ans Auto pappen. Solche Einstellungen, so wird politisch und medial kolportiert, sind keine Meinungen, sie sind eher ein Verbrechen.
Zweifel an dem, was der politisch-mediale Komplex als Wahrheit vorgibt, ist die neue Häresie. Zweifel daran sind nicht erlaubt, solche Zweifel werden eingeordnet als entweder Uneinsichtigkeit bzw. Dummheit oder politische Verirrung. Auch Differenzierungen werden nicht mehr gern gesehen: Ob es ein Unterschied ist, jemanden vor der lybischen Küste vor dem Ertrinken zu retten oder diesen Geretteten quer durchs Mittelmeer nach Italien zu schippern? Diese Frage offenbart für den Mainstream bereits einen Mangel an Mitmenschlichkeit und es wird dem Fragenden die korrekte Gesinnung abgesprochen. Christ sein – so meint mancher – könne man mit solchen Zweifeln an der Richtigkeit der politisch Mächtigen schon gleich gar nicht.
Meinung und Wahrheit
Dieser Unterschied an der Bewertung des Zweifel ist auch deshalb interessant, weil sie einem Wandel unterlag: Bislang sollten Parteien, gemäß unserer Verfassung, an der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken (Art. 21 GG). Das bedeutet auch, dass es da etwas zu bilden gibt, der politische Wille einem Wandel unterliegt und eine politische Meinung eine genau solche ist: eine Meinung, keine Wahrheit.
Dagegen stand für die Gläubigen die von Christus verkündete Wahrheit als Fels in der Brandung. Die Zehn Gebote, die Weisungen Jesu, die Bergpredigt und ihre Implikationen, der Katechismus – das war in der Vergangenheit „Wahrheit“, daran war Zweifel unter Gläubigen eher „verpönt“ (wenn auch manchmal vielleicht aus falschen Gründen).
Jesus oder Robert Habeck?
Man kann sich nun fragen, wie das passieren konnte? Wie kann es sein, dass Jesus Christus heute in den Augen vieler nur noch eine Wahrheit unter vielen vertritt, Robert Habeck aber das Wahre, Schöne und Gute? Dabei wird man an der Geschichte der vergangenen Jahre, vor allem der Nachkriegsgeschichte und den 1968ern nicht vorbei kommen. Aber wenn sich die Frage stellt, wie man das denn, einmal als nicht wahrhaftig erkannt, wieder umkehren kann, fällt mir nur eine Antwort ein: Das Zeugnis für die Wahrheit!
Zeugnis geben von der Wahrheit!
Gender Mainstreaming ist diabolisch, bei einer Abtreibung wird ein Mensch getötet, die gewandelte Hostie ist der Leib Christi, Jesus selbst ist menschgewordener Gott, den wir als Dreifaltigkeit anbeten. Er hat die Kirche, die katholische Kirche, gegründet, an ihn und an sie zu glauben ist vernünftig, richtig und wahr. Jeder kann und darf eine andere Meinung vertreten, aber die ist nicht die Wahrheit, sie ist unwahr, falsch, bestenfalls ein Umweg zu Gott, vermutlich eine Verirrung, auf die der Teufel setzt, der uns von einer Beziehung zu Christus entfernen will.
Das ist die Wahrheit, und die sollten wir vertreten, auch auf die Gefahr hin, als Fundamentalisten oder allzu dogmatisch zu gelten und auch dann, wenn uns selbst ab und an mal Zweifel kommen. An den Konsequenzen kann man feilen, wie der Umgang mit Nichtgläubigen, Flüchtlingen, sozial Schwachen, der Umwelt als Schöpfung Gottes etc. sein sollte, das sind Inhalte von Meinungen und die sollten im Wettbewerb um die beste Lösung stehen. Das stellt den Glauben und den Zweifel wieder vom Kopf auf die Füße. Etwas verkürzt: Erstmal hat zu gelten „Mein Herr und mein Gott“, denn das ist die Wahrheit. Der Rest ist Meinung.
Gregor
Ich sehe Toleranz als Gegensatz zum Glauben.
Wer tolerant ist, glaubt nicht richtig.
Daß drei mal drei neun ist, ist die Wahrheit. Die absolute Wahrheit.
Völlig egal, ob auch nur ein einziger Mensch daran glaubt.
„Neun“ ist keine Meinung, die man einfach mal so haben kann, wenn nach „drei mal drei“ gefragt wird.
Ich lasse auch nicht zu, daß diese Tatsache von anderen Leuten verdreht wird.
Die Antworten „acht“ oder „zehn“ z.B. sind für mich weder diskutabel noch tolerierbar.
Wenn ich an „Neun“ glaube, schließt das die Toleranz gegenüber allen anderen Zahlen aus.
Das gilt dann auch synonym für alle Lebensfragen.
Wer glaubt, hat aber immer auch die Möglichkeit des Fehlens im Gepäck.
Denn mit dem Glauben legt man sich fest.
Sonst wäre es kein Glauben, sondern eine Stimmung, die mal kommt und wieder geht.
Darum gleiche ich meinen Glauben immer wieder mit der erlebten Realität ab.
Wie der Seemann, der alle Tage „Besteck“ nimmt und sich nicht nur auf den Kompass und die Uhr verläßt.
Mein „Besteck“ hole ich mir unter anderem von Leuten, die sich in der Vergangenheit eine hohe Reputation bei mir erarbeitet haben.
Sei es im privaten Kreis oder im Internet.
Und zwar immer dann, wenn Zweifel auftreten und sich Sachen anders entwickeln, als man vermutet hat.
Dabei sehe ich den Zweifel nicht als Mangel an Glauben, sondern als dessen Korrektiv.
Ich; und vielleicht ist das eine Charaktereigenschaft, die ich mit dem mir sympathischen biblischen Thomas teile; kann nicht ins Blaue hinein glauben.
Alles muß für mich Hand und Fuß haben.
Ich akzeptiere auch einen Vorgesetzten nur dann, wenn er sich in der Vergangenheit zuverlässig als jemand gezeigt hat, der die richtigen Entscheidungen trifft.
Nur dann gilt mein Vertrauen in ihn auf für die Zukunft.
Dann glaube und folge ich ihm.
Mein Glaube hilft mir auf meinem Lebensweg über die Stellen hinweg, die ich nicht absolut einschätzen kann, weil er mir sagt, daß die eingeschlagene Richtung die richtige ist und die Vergangenheit gezeigt hat, daß ich ihm vertrauen kann.
So, wie drei mal drei von meiner Geburt an bis heute, ein halbes Jahrhundert später, immer noch neun ergibt.
Liesl Karlstadt
Im YouTube Video sehr gut auf den Punkt gebracht!?