Die Tagespost veröffentlichte am vergangenen Mittwoch Statements von bekannten und weniger bekannten Gläubigen, warum sie trotz der Missbrauchsfälle keinen Kirchenaustritt in Erwägung ziehen. Da hätte ich noch Ergänzungen.
Der Tagespostbeitrag mit Statements von Birgit Kelle, Alexander von Schönburg, Opernsängerin Anna Diouf und einigen anderen referenziert auf die Missbrauchsfälle und die aktuellen Entwicklungen, die viele zum Anlass nehmen, sich aus der katholischen Kirche zu verabschieden. Ein früherer Arbeitskollege meinte kürzlich zu mir „Man wird ja aktuell regelrecht angemacht, weil man noch in der katholischen Kirche Mitglied ist“ – da ist es gut, Argumente zu haben.
Kirche der Sünder
Dabei geht es in meiner Entscheidung zum Verbleib in der katholischen Kirche gar nicht um die Missbrauchsfälle. So dramatisch die Entwicklung sein mag, so abartig wie ich einige Schilderungen finde, bei denen es mich schüttelt bei dem Gedanken, dass ein Priester erst einen Ministranten begrapscht (und viel Schlimmeres) und anschließend die Messe zelebriert, so unglaubwürdig wie ich das versammelte deutsche Episkopat empfinde, von denen niemand persönlich verantwortlich gewesen sein möchte – das alles hat nichts mit meinem Glauben zu tun, damit, dass mich Jesus in seine Kirche berufen hat.
Die Kirche ist eben auch eine Kirche der Sünder, sie ist das Lazarett der Welt, in dem eben nicht weltliche Verletzungen geheilt werden, sondern die Verletzungen in der Beziehung zu unserem Papa im Himmel. Es mag für den einen oder anderen gewöhnungsbedürftig sein, aber: Gott liebt mich – bedingungslos, Gott liebt jeden einzelnen von Ihnen – bedingungslos. Und Gott liebt eben auch jeden anderen Sünder – bedingungslos! Natürlich liebt er nicht die Sünde, und er wird am Ende der Zeiten für Gerechtigkeit sorgen, was vermutlich einschließt, dass ein Kinderschänder etwas anderes zu erwarten hat als ein durchschnittlicher Christ als ein Heiliger. Aber diese Be- und Verurteilung liegt nicht bei mir. Der himmlische Papa und ich, wir haben unsere eigenen, ganz persönlichen Themen, und ich bin froh und dankbar, dass er mich eben ohne Bedingungen liebt.
Warum ich bleibe
In einem Gebet habe ich erst kürzlich deutlich von Jesus gehört (ich bin kein Mystiker, aber der eine oder andere Beter wird hoffentlich verstehen, was ich mit „gehört“ meine): „Mein Vater liebt dich genau so, wie er mich liebt!“ Im Kopf weiß ich das schon lange, aber es braucht halt ein bisschen, bis es zum Herzen durchdringt. Und ich will mich ihm ganz anvertrauen, mein Leben, alle und alles, was mich beschäftigt. Alle meine Sorgen kann ich, will ich (und muss ich) auf ihn werfen, denn er sorgt für mich (vgl. 1.Petrus 5,7)
Und aus seiner Kirche sollte ich austreten, weil dort Priester sind, deren Taten sich jeder weltlichen Beschreibung entziehen? Weil dort Bischöfe sind, die diese Priester offenbar gedeckt haben? Weil dort Vertreter dieser Kirche sind, die im Grunde nicht an das glauben, was Jesus verkündet? Wer bin ich, dass ich über diese Menschen den Stab breche. Vor allem aber: Wie käme ich dazu, mich nur deshalb vom mystischen Leib Christi, dessen Haupt er selbst ist, zu lösen?
Das große „Aber“
Etwas anderes ist aber die Körperschaft öffentlichen Rechts, finanziert über Kirchensteuern, deren Vertreter (Bischöfe wie Priester wie Laienvertreter in den Gremien wie ZdK) die Sakramentserteilung tatsächlich von der Zahlung dieser Gelder abhängig machen. Da gibt es Vertreter, die von Kirchensteuergeldern gar nicht schlecht leben (man möge mir den populistischen Ausflug verzeihen) und der Kirche das Messer in den Rücken zu rammen versuchen. Priester und Bischöfe, denen die „Politik“ aus allen Poren strömt, die sich gegenseitig lächelnd beharken und so tun, als würden sie sich lieben, bevor sie medial übereinander herfallen.
Wie gesagt: Sünder sind wir alle, das alleine ist kein Grund die Kirche zu verlassen, aber wenn diese Wölfe im Hirtenkostüm die Körperschaft öffentlichen Rechts, die sich hierzulande katholische Kirche nennt, für ihre Machtpolitik und die Durchsetzung ihrer eigenen Interessen missbrauchen, dann stellt sich die Frage, wie lange man es mit seinem Gewissen vereinbaren kann, diese Organisation zu finanzieren und durch Mitgliedschaft so zu tun, als stünde man auf der gleichen Seite des Weinbergs des Herrn?
Ein Szenario
In Deutschland wäre man bei einem Austritt aus der katholischen Kirche vom Empfang der Sakramente ausgeschlossen. Da könnte man für wirklich christliche Werke und Vereinigungen ein Vermögen spenden: Wer keine Kirchensteuer zahlt, kann nicht die Eucharistie empfangen. Das Ganze ist natürlich ein Unding und letztlich das letzte, bröselnde Fundament, auf dem sich die in Rede stehenden Kirchenfürsten – Laien wie Kleriker – noch ausruhen.
Man kann es aber auch so betrachten: Im Moment gehen wegen der Missbrauchskrise im Wesentlichen wohl Menschen, die mit dem Glauben an die Kirche Jesu Christi nicht allzu viel zu tun gehabt haben (sonst wären die aktuellen Umstände kein Argument), sicher aber auch Menschen, die zwar im Glauben stehen, aber eine Gemeinschaft mit der weltlichen Vertretung dieser Kirche mit Blick auf den Missbrauchsskandal nicht mehr pflegen wollen (ist nicht mein Argument, ich verstehe das aber).
Wenn in diesem Zuge nun die Kirchenvertreter die Gunst der Stunde zur Umgestaltung der Kirche nach ihrem eigenen Gusto nutzen und dazu all die alten Themen wieder ausgraben, die einer Modernität und Zeitgeistigkeit der Kirche im Wege stehen (Stichworte sind vor allem Zölibat, Frauenpriestertum, Sexualmoral, Rolle der Priester … lange nichts mehr von wiederverheirateten Geschiedenen gehört), gehen womöglich auch die verbliebenen gläubigen Christen und verlassen „die Kirche in Deutschland“. Und sie verlassen sie dann in dem Bewusstsein, dass sie weiterhin Mitglied der von Jesus gegründeten Kirche sind, dass sie weiterhin getauft und katholisch sind und sie weiterhin Gottes geliebte Kinder sind. Dann haben die offiziellen Kirchenvertreter endlich ihre Ruhe und können den Rest dieser deutschkatholischen Kirche abwickeln oder protestantisierte Messen feiern.
Konsequenzen
Dass wir dann in diesem Land keine Sakramente empfangen könnten, wäre der Machtposition der Bischöfe und Gremienvertreter geschuldet – das wäre das Opfer, das man für den Herrn bringen müsste. Der eine oder andere würde dazu nach geografischer Möglichkeit den Weg ins Ausland suchen, vermutlich würden sich aber auch viele katholische Priester über diese weltlichen Bestimmungen hinwegsetzen und bspw. die Eucharistie spenden, auch wenn der Gläubige nicht Mitglied der „Körperschaft Kirche“ ist.
Im Moment ist dieses Szenario für mich noch nicht mit Händen greifbar. Ich finde in meiner Nähe noch immer (weniger werdende) Kirchen, in denen ich nicht mit Duldung der Priester von Gendersternchen und Regenbogenfahnen und Maria 2.0 behelligt werde. Was ich von manchen bischöflichen Vertretern dieser Kirche in Deutschland halte, ist im Zweifel eine Sache zwischen Gott und mir (zugegeben ab und zu auch ein Fall für die Beichte …). Aber je mehr diese Vertreter sich ihre eigene Kirche basteln und dabei tatsächlich noch meinen, sie würde mich damit vertreten und als Hirten „in persona Christi capitis“ fungieren, umso mehr Charme entwickelt diese Idee für mich.
Gero
Hallo Herr Honekamp,
vielleicht beschäftigen Sie Sich als Katholik mal etwas intensiver mit Martin Luther.
Der wird ja von Ihrem Klerus gerne so in die Rolle des Renegaten gerückt, der mit der wahren Kirche gebrochen hat.
Aber in Wirklichkeit war er jemand, der das Wort Gottes in Wort und Tat noch Ernst genommen hat und die zunehmende Verweltlichung und Kommerzialisierung („…wenn das Geld im Kasten klingt , die Seele in den Himmel springt…etc.“) angeprangert hat.
Luther war konservativer als der Rest der damaligen Kirche. Heute würde man ihn deswegen sogar einen Nazi nennen.
Als er gemerkt hat, daß in der konventionellen Kirche wegen der eingefahrenen Seilschaften alle Rettungsversuche erfolglos bleiben würden, hat er einen eigenen Verein aufgemacht.
Ehrlicher, purer und näher an Gott und seinem Wort.
Dafür hat man ihn, wie es heute auch passieren würde, versucht zu vernichten. Wirtschaftlich, gesellschaftlich und wohl auch physisch. Cancle culture.
Ich möchte jetzt nicht für die evangelische Kirche werben, die heute nichts(!) mehr mit Luthers damaligen Gedanken zu tun hat und die ich selbst schon vor Jahren verlassen habe.
Sondern eher darauf hinweisen, daß man an eine sicher verlorene Sache besser keine Zeit mehr verschwendet, sondern seine Kraft in ein Projekt steckt, welches erfolgreicher sein kann und, wie im Fall Luthers, dann in der Konsequenz auch ist.
Meine Kenntnis der Freikirchen ist nicht besonders groß, aber ich habe den Eindruck aus dem Bekanntenkreis, daß diese Glaubensgemeinschaften den Zeitgeist wesentlich besser überstanden haben als die gemeine katholische Kirche.
Da kennt man sich und es geht um die Sache; das Leben mit Gott.
Und nicht um die Rettung von Flüchtlingen oder Klima oder gendergerechte Schreibweise.
Auch ein Blick zu den Amishen und den Hutterern lohnt sich, auch wenn die in unseren linken Medien immer als rückständige Spinner beschrieben werden.
Aber sie besitzen ein festes religiöses und gesellschaftliches Gefüge.
Und das seit Jahrhunderten. Das sollte man betrachten und analysieren.
Denn vielleicht ist es auch hier mal wieder Zeit für eine Reformation….bei beiden Konfessionen.
Und was wäre ein besserer Zeitpunkt als jetzt?
Die letzte Chance der Kirche – vertan. – Lebensreform.Blog
[…] Nachtrag 4.2.22: #InTheChurch – 125 Männer und Frauen bekennen sich zu Christus Und noch ein sehr (!) lesenswerter Nachtrag von Felix HonekampFelix Honekamp. […]
Andreas
„Wer keine Kirchensteuer zahlt, kann nicht die Eucharistie empfangen“ – eigentlich ist damit doch alles über den Glauben dieser Institution – zumindest in Deutschland – gesagt.
Birgitt
Ich frage mich manchmal, wann man aus der Körperschaft öffentlichen Rechts austreten MUSS um in der Weltkirche verbleiben zu können. Wenn ich mir den synodalen Irrweg anschaue, kann das nicht mehr lange dauern.
Lehrer Lämpel
Kirchenaustritt ist für mich als glaubenstreuer Katholik KEINE Option, das habe ich heute erst einer kath. Glaubensschwester gesagt.
Natürlich ärgere ich mich über Leute wie Marx und Bätzing (beide ehemals im Bistum Trier leitend tätig), die nach meiner Kenntnis beide von eigenem eklatanten Versagen im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch jetzt abzulenken versuchen, indem sie jetzt dem Liberalismus das Wort reden und so hoffen, selbst vor allem von den Medien geschont zu werden.
Entscheidender ist für mich aber das direkte persönl. Umfeld in der eigenen Gemeinde und Pfarrei: Da gehe ich konsequent bestimmten Leuten (einzelnen Diakonen, Gemeindereferenten) konsequent aus dem Wege, da ich mich nicht deren Indoktrinationsversuchen aussetzen will.
Im übrigen bete ich als kath. Laie unbeeindruckt und gem Röm 12,12 beharrlich in verschiedensten kirchl. Anliegen und für verschiedene Personen. Das scheint mir unglaublich wichtig und wertvoll zu sein – und hat auch schon verschiedentlich geholfen, wie ich im Laufe der Jahre beobachten konnte.
Inzwischen lasse ich mir auch nicht mehr alles und jedes widerspruchslos gefallen, sondern sage oder besser schreibe meine Meinung (z.B. per Email).
Thomas
Ein Beispiel aus dem Leben:
Man muß nicht im ADAC sein, wenn man gern und häufig Auto fährt.
Auch wenn der ADAC das gerne so vermitteln möchte.
Man kann aber.
Wenn der ADAC aber dann anfängt, sich als „Club“ nicht mehr nur für „Deutsche“ und für „Autofahrer“ einzusetzen, sondern auch noch eine völlig andere Agenda verfolgt, sollte jeder dort Zahlende sehr hellhörig werden, weil das, was dann dort geschieht, auch unter seiner Verantwortung geschieht.
Da kann man sich später nicht mehr mit dem Hinweis auf den lieben Gott herausreden.
Für mich ist die Kirche in großen Teilen der Führung ein Lobbyverein geworden, die den christlichen Glauben nur als Aufhänger benutzt, um die treue Stammkundschaft auf seine Seite zu ziehen und für seine Zwecke zu benutzen.
Was jetzt nicht den ernsten Glauben oder die vielfältige Arbeit von Seelsorgern oder Laien vor Ort betrifft. Aber die bestimmen ja auch nicht den Kurs.
Leute wie Marx könnte ich mir auch im Vorstand eines beliebigen Industriekonzerns vorstellen. Da sehe ich nichts Spirituelles mehr.
Lehrer Lämpel
Übrigens, zum Synodalen (Irr)weg:
Beschließt, was ihr wollt – ich bleibe katholisch, und zwar RÖMISCH-KATHOLISCH.
Klaro?
Greti
Nein – ich habe schon vor, mich in meiner Diözese abzumelden.
Solange es noch einen einzigen röm.-kath. Bischof in Deutschland gibt, soll es mir eine Freude sein, mich in ein anderes Bistum umzumelden – damit auch die kirchlichen Beamten etwas zu tun bekommen. (Wahrscheinlich muß ich dann wohl doch erstmal austreten.)
Heute hatte ich den Verdacht, daß unser Pfr. schon etwas geheilt ist ob des Synodalen Ergebnisses. Warum? Es gab nicht mehr die „Einheitsfürbitten“ aus Trier für die ganze weite Welt, und die Fürbitte für den „Synodalen Weg“ war – sagen wir mal – neutral gehalten, allseitig offen.
F. Terek.
Etwas aus dem selbst erlebten Alltag:
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/kirche-hygienekonzept-corona-goettliche-botschaft/
Freudloses Abarbeiten eines vorgegebenen Programms ohne Geist und Seele.
Greti
Zu Mario Th. (Tichys Einblick):Interessant, wenn der Pfr. dort „Verlorene zurückgewinnen will“.
Bei uns hat der PFARREIRAT am 2.2.22 besprochen: „Wir möchten gern noch mehr Menschen an unserem Glauben, an unserem Gemeindeleben teilhaben lassen. Dafür sollen vor allem mehr Informationen auf unserer Homepage stehen…“ Jedenfalls hatte damals Petrus Glück, daß sein und unser Herr Jesus ihm persönlich
gesagt hat, was er machen soll – und zwar auf der Stelle!
Und:
„Morgen (tatsächlich morgen!)… lädt unser Bischof zum persönlichen Gespräch ein. Eine Anmeldung ist über die Bistumsseite möglich. Diese Erfahrungen sollen dann Grundlage für seine Rückmeldungen an den Vatikan im Kontext des Globalen Synodalen Weges sein.“
Wer hat denn da deutschlandweit aufgerufen?