Dieser Blog ist einmal angetreten, den damaligen Papst, Benedikt XVI. gegen ungerechtfertigte Angriffe zu verteidigen. Das ist auch heute wieder notwendig – aber nicht nur zum Nutzen des Papstes sondern der Gläubigen.
Als ich die ersten Stellungnahmen zum Münchener Missbrauchsgutachten durch die Presse gingen, das gebe ich zu, war ich tief verunsichert? Hat der von mir so geschätzte Papst Benedikt XVI. tatsächlich einen erheblichen Anteil an Vertuschung des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche geleistet? Wenn man ohnehin nicht glauben kann, dass von den Geschehnissen keiner der jeweils verantwortlichen Bischöfe gewusst hat, kann es dann sein, dass einer dieser Vertuschungstäter Kardinal Joseph Ratzinger gewesen sein könnte?
Gratismutige Anrgiffe
Das Problem: Das knapp 2000 Seiten umfassende Gutachten kann man als Laie beim besten Willen nicht durcharbeiten. Wie also soll man sich ein eigenes Bild verschaffen. Natürlich, wenn sämtliche Medien wieder in sprungbereiter Feinseligkeit auf Benedikt XVI. einprügeln, überkommen den gläubigen Katholiken direkt Zweifel an der Redlichkeit der Verfasser. Und wenn die typischen Verdächtigen aus der DBK den Papa Emeritus – mal mehr mal weniger subtil – gratismutig angreifen oder im Regen stehen lassen, kann einen der Gedanke überkommen, dass der eine oder andere froh sein dürfte, fürs erste aus der Schusslinie zu sein.
Befasst man sich dann mit der Berichterstattung zum Gutachten, stellt man wiederum fest, dass die Schlagzeilen („Erschütterung der Kirche“, „Skandal um Benedikt XVI“) so gar nicht zu den Inhalten (Hat er oder hat er nicht an einer Ordinariatssitzung im Jahr 1980 teilgenommen, und wie ist eine eventuelle falsche Aussage des Papstes dazu zu bewerten?) passen mögen.
Konstruierte Vorwürfe
Und gänzlich abwegig ist das damit in den Medien gezeichnete Bild, der Papst habe in vollem Bewusstsein der Sachlage einen Missbrauchstäter auf unschuldige Gläubige und Kinder losgelassen (ein Vorwurf, den ich selbst anderen Bischöfen, bei denen ich bei ihrer Unbescholtenheit weit mehr Bedenken anmelden würde, nicht machen wollen würde).
Aus einer möglicherweise der damaligen Zeit geschuldeten falschen Einschätzung – wenn es sie denn gegeben hat – wird ein schuldhaftes Verhalten konstruiert, über das sich der Mob – erwartungsgemäß – erhebt und zum Halali bläst. Jetzt ist er dran, der Panzerkardinal, der Rottweiler Gottes. Was in den vergangenen Tagen an Unflätigkeit über Benedikt XVI. in den Kommentarfunktionen renommierter Zeitungen – unmoderiert – ausgekippt wurde spottet jeder Beschreibung.
Faktencheck
Zu hoffen war – nach dem Eingeständnis Benedikts XVI., dass er offenbar doch an der in Rede stehenden Sitzung teilgenommen habe – auf die angekündigte Stellungnahme des Papstes, die nun gestern (08.02.2022) veröffentlicht wurde. Da ist einmal der „Faktencheck“, den eine Gruppe Juristen bzw. Kirchenrechtler für den Papst erstellt hat. Der Text ist nicht schwer zu lesen und man kann eigentlich nur zu einem Schluss kommen: An den Vorwürfen gegen Kardinal Ratzinger ist nichts dran, es bleibt zu hoffen, dass der ausgekübelte Dreck auf die Gutachtenersteller in München zurück fällt.
Bekenntnis von Schuld
Dazu gibt es dann aber auch noch ein sehr persönliches, wie ich finde anrührendes Schreiben Benedikts XVI., in dem er selbst zu den Geschehnissen der vergangenen Tage Stellung nimmt. Man kann kaum hoffen, dass einer der Angreifer dieses Schreiben vorbehaltlos lesen wird. Dem Christen, der sich seiner eigenen Zuneigung zur Sünde nur allzu bewusst sein dürfte, muss aber die Tiefe des Schreibens ins Mark treffen: Da schreibt einer, den das Geschehen nicht unbeeindruckt lässt, der sich durchaus auch seiner Verantwortung als damaliger Verantwortungsträger wie auch seiner Fehlerhaftigkeit als Mensch vor dem göttlichen Richter bewusst ist:
Es berührt mich immer stärker, daß die Kirche an den Eingang der Feier des Gottesdienstes, in dem der Herr uns sein Wort und sich selbst schenkt, Tag um Tag das Bekenntnis unserer Schuld und die Bitte um Vergebung setzt. Wir bitten den lebendigen Gott vor der Öffentlichkeit um Vergebung für unsere Schuld, ja, für unsere große und übergroße Schuld. Mir ist klar, daß das Wort „übergroß“ nicht jeden Tag, jeden einzelnen in gleicher Weise meint. Aber es fragt mich je-den Tag an, ob ich nicht ebenfalls heute von übergroßer Schuld sprechen muß. Und es sagt mir tröstend, wie groß auch immer meine Schuld heute ist, der Herr vergibt mir, wenn ich mich ehrlich von ihm durchschauen lasse und so wirklich zur Änderung meines Selbst bereit bin.
Diese Schwäche, wie auch die zutiefst christliche Hoffnung auf göttliche Vergebung lässt den Papst aber auch nicht über das Leiden der Opfer hinwegschauen. Er bittet um Vergebung und zeigt noch einmal, wie er es schon früher bei vielen Begegnungen mit Missbrauchsopfern getan hat sein Mitgefühl.
Der größere Zusammenhang
Theologe der er nun mal ist, stellt er diese Frage des Leidens und der Schuld aber auch in den größeren Zusammenhang – denn wo die Meute nach Rache ruft, einen Täter gesteinigt sehen will, am liebsten einen, dem man sowieso schon mit Misstrauen begegnet, da baut Papst Benedikt auf den barmherzigen Richter, der nicht einfach mit einem Schwamm die Schuld wegwischt, aber sich des schuldigen Menschen annimmt:
Immer mehr verstehe ich die Abscheu und die Angst, die Christus auf dem Ölberg überfielen, als er all das Schreckliche sah, das er nun von innen her überwinden sollte. Daß gleichzeitig die Jünger schlafen konnten, ist leider die Situation, die auch heute wieder von neuem besteht und in der auch ich mich angesprochen fühle. So kann ich nur den Herrn und alle Engel und Heiligen und Euch, liebe Schwestern und Brüder, bitten, für mich zu beten bei Gott unserem Herrn.
Ich werde ja nun bald vor dem endgültigen Richter meines Lebens stehen. Auch wenn ich beim Rückblick auf mein langes Leben viel Grund zum Erschrecken und zur Angst habe, so bin ich doch frohen Mutes, weil ich fest darauf vertraue, daß der Herr nicht nur der gerechte Richter ist, sondern zugleich der Freund und Bruder, der mein Ungenügen schon selbst durchlitten hat und so als Richter zugleich auch mein Anwalt (Paraklet) ist. Im Blick auf die Stunde des Gerichts wird mir so die Gnade des Christseins deutlich. Es schenkt mir die Bekanntschaft, ja, die Freundschaft mit dem Richter meines Lebens und läßt mich so zuversichtlich durch das dunkle Tor des Todes hindurchgehen. Mir kommt dabei immer wieder in den Sinn, was Johannes in seiner Apokalypse am Anfang erzählt: Er sieht den Menschensohn in seiner ganzen Größe und fällt vor ihm zusammen, wie wenn er tot wäre. Aber da legt er seine Hand auf ihn und sagt: Fürchte dich nicht, ich bin es!… (vgl. Apk 1, 12 – 17).
Vermächtnis
Das alles hat eine Tiefe, die bisherige Erklärungs- und Schuldzurückweisungsversuche der deutschen Bischöfe nicht aufzuweisen vermochten. Wo es in den meisten Fällen offenbar darum geht, von sich weg und die Schuld anderen zuzuweisen, ist sich der Papa Emeritus seiner eigenen Lebensschuld durchaus bewusst. Es sind wunderbare Worte, die der Papst schreibt, die an diejenigen gerichtet sind, die bereit sind, einem „Angeklagten“ zuzuhören, obwohl das mediale Urteil längst gesprochen ist. Es sind Worte vor allem gerichtet an die Missbrauchsopfer, die hoffentlich die Ernsthaftigkeit aus dem Schreiben herauslesen können, genauso wie dem Schmerz, der den Papst bei den Vorkommnissen in der Kirche befällt (auch wenn der sich mit dem Schmerz der Opfer nicht vergleichen lässt).
Die Worte sind aber auch gerichtet an die Gläubigen, die Papst Benedikt XVI. weiter zur Seite stehen wollen und die – wie mich – im medialen Trommelfeuer manchmal Zweifel überkommen. In gewisser Weise ist das Schreiben des Papstes eine Art „Vermächtnis“, jedenfalls was den Blick auf den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche angeht. Es stünde uns allen gut an, mit dem demütigen Blick des Papstes auf die eigene Schuld und die Schuld der anderen zu schauen. Medial wird – so steht zu befürchten – auch dieses Schreiben zerrissen werden. Es ist aber auch nicht für die Redaktionen in Hamburg oder München gemacht, sondern geschrieben für alle Menschen guten Willens.
Es ist für Menschen wie – so hoffe ich – Sie, liebe Leserinnen und Leser, und mich gemacht.
(Zitierte Textabschnitte aus „Die Tagespost“ vom 08.02.2022)
Ergänzend noch zwei Beiträge, wie sie unterschiedlicher nicht sein können: Der eine stellt gut die sprungbereite Feindseligkeit dar, der andere versucht einen fairen Umgang mit Papst Benedikt XVI zu finden (ich wäre geneigt, beide Texte eher neutralisiert und ohne Quelle wiederzugeben, aber da könnte es rechtliche Probleme geben – also sind Sie, liebe Leserinnen und Leser, gefordert, auszublenden, dass ein Beitrag einer katholischen Zeitung entstammt und einer von Ihren Zwangsgebühren finanziert ist:
Lehrer Lämpel
Leider wird von zahlreichen Medien (Fernsehnachrichten und div. Zeitungen) der als Anhang zu Benedikts Schreiben mitgesandte Faktencheck der Benedikt XVI. beratenden und unterstützenden Juristen geflissentlich unterschlagen – fairer Journalismus ist das nicht!
Thomas Philipp Reiter
Es ist gut dass für Seine Heiligkeit Papst em. Benedikt XVI. auch an dieser Stelle eine Lanze gebrochen wird, allerdings befürchte ich dass dies ausschliesslich Leute lesen die ohnehin der gleichen Meinung sind. Die deutschen Medien und der größte Teil der deutschen Bevölkerung sind von Gott verlassen. Im Konformismus und in der Lust am eigenen Untergang kann ich keinen Unterschied zu den mit Freude von Deutschen errichteten säkularen Diktaturen der Nazis 1933 und der DDR 1949. Benedikt ist Opfer dieser Deutschen und wird zum Märtyrer des Medienkrieges.