Auch wenn ich Gefahr laufen sollte, trotz meines vorherigen Beitrags das Thema Ökumene doch zu überstrapazieren es kann einen ja schon die Frage umtreiben, ob denn die Unterschiede zwischen katholischer Kirche und evangelischen Denominationen im täglichen Geschäft der Kirche nicht so unwesentlich sind, dass man da auch bei den theologischen Themen ein Auge zudrücken kann?
Nun kann ich katholische Positionen dem Lehramt entnehmen, bei den meisten Fragestellungen reicht mir der Blick in die Bibel und in den Katechismus. Bei den evangelischen Kirchen ist das mitunter nicht ganz so einfach, weil es da eben unterschiedliche Bekenntnisse gibt, die sich auch mal widersprechen. Wenn ich also hier den EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider aus einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa zitiere, muss der wie auch ich mit Widerspruch aus der evangelischen Ecke rechnen. Dennoch, wie soll die Einheit zwischen zwei Kirchen funktionieren, die bei wesentlichen Fragen des Menschseins zu so unterschiedlichen Einschätzungen kommen?
Hier der Ausschnitt aus dem Interview (der Teil zum Thema Sterbehilfe ist vollständig wiedergegeben):
dpa: Das Sterbehilfegesetz bewegt Sie sehr. Wie ist da ihre Meinung?
Erstens darf es kein Geschäftsmodell sein, keine Kommerzialisierung. Zweitens ist ärztliche Kunst dazu da, Menschen zu heilen oder auch beim Sterben zu begleiten, aber nicht den Tod herbeizuführen. Das muss klar bleiben im ärztlichen Ethos und im Bewusstsein unserer Gesellschaft. Drittens: Das ist die klassische Unterscheidung zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe. Passive Sterbehilfe ist ja völlig unbestritten, aber wir kommen in Grauzonen. Da kann man die Unterschiede nicht mehr so genau definieren.
dpa: Wie soll man Grauzonen gesetzlich definieren?
Man kann nicht alle Grauzonen regeln wollen. Meine Lebenserfahrung und meine Jahre als Gemeindepastor haben mir gezeigt, dass die Menschen, die den Betroffenen persönlich sehr nahe stehen, mit dieser Grauzone im Geist der Liebe sehr verantwortlich umgehen. Und dieses Zutrauen möchte ich weiterhin den Menschen gegenüber bewahren.
dpa: Sie predigen nicht dogmatisch schwarz oder weiß, sondern trauen den Menschen zu, mit Grauzonen und Unsicherheiten verantwortungsvoll umzugehen.
Ich traue den Menschen sehr viel zu, das stimmt. Auch bei klarer Definition der Grenzen und bei deutlichem Gespräch darüber, welche Ethik wir brauchen, um diesen Raum gestalten zu können. Ich bin aber auch zutiefst davon überzeugt, dass man nicht alles regeln kann, weil die Situationen des Lebens so vielfältig sind, dass die Kasuistik hier an ihre Grenzen kommt.
dpa: Also auch die Gesetzgebung …
Man muss einen am Geld orientierten und einen kaltschnäuzigen Egoismus beim Umgang mit dem Tod verhindern. Wie gesagt, das ärztliche Ethos muss klar bleiben. Da wo Angehörige Menschen, die sie lieben, begleiten, bin ich sicher dass sie das richtige Gefühl haben, das Maß zu finden.
(Hervorhebungen durch mich)
Diesem Geschwurbel stelle ich auch um das Thema in den rechten Zusammenhang mit den Plänen der Bundesregierung zum „sozial verträglichen Frühableben“ unserer Alten und Kranken zu stellen den Text des Katechismus gegenüber:
Euthanasie
2276 Menschen, die versehrt oder geschwächt sind, brauchen besondere Beachtung. Kranke oder Behinderte sind zu unterstützen, damit sie ein möglichst normales Leben führen können.
2277 Die direkte Euthanasie besteht darin, daß man aus welchen Gründen und mit welchen Mitteln auch immer dem Leben behinderter, kranker oder sterbender Menschen ein Ende setzt. Sie ist sittlich unannehmbar.
Eine Handlung oder eine Unterlassung, die von sich aus oder der Absicht nach den Tod herbeiführt, um dem Schmerz ein Ende zu machen, ist ein Mord, ein schweres Vergehen gegen die Menschenwürde und gegen die Achtung, die man dem lebendigen Gott, dem Schöpfer, schuldet. Das Fehlurteil, dem man gutgläubig zum Opfer fallen kann, ändert die Natur dieser mörderischen Tat nicht, die stets zu verbieten und auszuschließen ist.
2278 Die Moral verlangt keine Therapie um jeden Preis. Außerordentliche oder zum erhofften Ergebnis in keinem Verhältnis stehende aufwendige und gefährliche medizinische Verfahren einzustellen, kann berechtigt sein. Man will dadurch den Tod nicht herbeiführen, sondern nimmt nur hin, ihn nicht verhindern zu können. Die Entscheidungen sind vom Patienten selbst zu treffen, falls er dazu fähig und imstande ist, andernfalls von den gesetzlich Bevollmächtigten, wobei stets der vernünftige Wille und die berechtigten Interessen des Patienten zu achten sind.
2279 Selbst wenn voraussichtlich der Tod unmittelbar bevorsteht, darf die Pflege, die man für gewöhnlich einem kranken Menschen schuldet, nicht abgebrochen werden. Schmerzlindernde Mittel zu verwenden, um die Leiden des Sterbenden zu erleichtern selbst auf die Gefahr hin, sein Leben abzukürzen, kann sittlich der Menschenwürde entsprechen, falls der Tod weder als Ziel noch als Mittel gewollt, sondern bloß als unvermeidbar vorausgesehen und in Kauf genommen wird.
Die Betreuung des Sterbenden ist eine vorbildliche Form selbstloser Nächstenliebe; sie soll aus diesem Grund gefördert werden.
(Hervorhebungen durch mich)
Natürlich, das eine ist die katholische Sicht auf das Thema, das andere eine evangelische Sicht. Man muss anerkennen, dass die Konfessionen nicht nur in vermeintlich unwesentlichen theologischen Fragen wie der Eucharistie vs. Abendmahl zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, sondern auch in schwerwiegenden moralischen Fragestellungen. Man kann das feststellen, man kann der anderen Ansicht mit Respekt begegnen, aber die Frage ist geschlossen zu stellen: Ist Sterbehilfe, ist Euthanasie Mord oder nicht? Kein ein bisschen ist hier möglich, und die Frage an einer solch kritischen Stelle in die Verantwortung der Menschen in Notsituationen legen zu wollen ist in hohem Maße unredlich! (siehe auch hier)
Es sind also eben nicht nur die Theologen, die auseinander liegen, es sind wesentliche Menschheitsfragen, die die Konfessionen unterschiedlich beantworten und die damit einer Einheit im Wege stehen. Die Spaltung ich kann es nur immer wieder betonen ist ein Ärgernis, aber Einheit um der Einheit willen hat auch keinen Wert!
Gerhart
Es geht ja nicht nur immer um die Prinzipien der Konfessionen sondern auch um die Menschen, die sich damit identifizieren können sollten. Wenn es um die Sterbehilfe geht, scheint es da einen sehr breiten Dissens zu geben. Information über die Meinung der Betroffenen könnte da durchaus hilfreich sein, wenn man sie denn zur Kenntnis nehmen will:
http://www.openpr.de/news/663178/Das-Schweigen-der-Experten-Wenn-Umfragen-zur-Sterbehilfe-unterschlagen-werden.html
oder
http://www.dghs.de und Forsa-Umfrage
Ehrlich und offen währen doch meist am Längsten, oder? Oder, würde Gott etwa gegen den Willen der Menschen handeln?
Papsttreuer
Danke zunächst für den Kommentar! Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob er zum Thema „Ökumene“ passt. Was in meinen Beiträgen zu den Themen verglichen wird ist die Position der katholischen Kirche und die der evangelischen Kirche. Was in den von Ihnen verlinkten Kommentierungen zum Ausdruck kommt ist in der Tat die totale Ablehnung des Lebensrechts – das kann sicher jeder so sehen, ist aber weder katholisch noch evangelische Lehre sonder Kampfatheismus der den Willen des Menschen über allem sieht (hatten wir schon, Triumph des Willens, sie erinnern sich). Formulierungen wie „Die geschlossene Gesellschaft der Oberethiker sollte sich vielmehr schämen und sich endlich einer aufrichtigen Diskussion öffnen, die hoffentlich von den ethischen und moralischen Nebelbomben der Lebensschützer-Fraktionen verschont bleibt.“ oder „Die allein maßgebliche Innenperspektive des freien und selbstverantwortlichen Individuums wird geflissentlich übergangen und es bleibt zu hoffen, dass hier künftig die aufgeklärten Wissenschaften einen nachhaltigen Beitrag dazu leisten, dass die Sonntagsreden der Oberethiker entmythologisiert werden.“ weisen deutlich darauf hin, dass hier versucht wird, eine Ethik ohne Gott zu konsultieren. Mit Ökumene hat das nichts zu tun, mehr schon mit menschlicher Hybris – natürlich ist die „Innenperspektive des freien und selbstverantwortlichen Individuums“ nicht (!) allein maßgeblich. Und um dann auch die letzte Frage zu beantworten: warum sollte Gott nicht gegen den Willen des Menschen handeln, wenn dieser schlecht ist? Allerdings handeln wir in der Mehrzahl auch gegen den guten Willen Gottes – ich fürchte aber, da werden wir zwei uns nicht einig werden, oder?
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und einen gesegneten Sonntag, vielleicht mal wieder verbunden mit dem Besuch einer Heiligen Messe und wünsche Ihnen Gottes Segen auf Ihrem Weg!