Ist „The Cathwalk“ ein narzisstisches und eitelkeitsförderndes Medium? Oder doch tatsächlich ein missionarisches?
Sind Wickelröcke unmoralisch, weil hässlich? Ist eine Baldessarini-Jeans unmoralisch, weil zu teuer? Oder sind Batik-Krawatten unmoralisch, weil zu wirklich gar nichts passend? Für die meisten sind derartige Fragen nicht sonderlich spannend, und ich frage mich auch, ob ein in dieser Richtung enggefasstes Thema – Mode und Stil – für einen katholischen Blog ausreichend Futter hergibt. Vor einiger Zeit hatte ich jedenfalls den damals neu gestarteten Blog „The Cathwalk“ mit viel Vorschusslorbeeren gelobt, und zwischenzeitlich schaue ich auch immer wieder gerne dort vorbei. Nach dem fulmimanten Auftakt über ein Interview mit und einem Beitrag von Maximilian Krah (hier und hier) habe ich zum Beispiel das Interview mit Mareike Sornek gerne gelesen, auch die Beiträge zu moderner Sakralarchitektur (hier und hier) sind durchaus lesenswert, aber vermutlich eher was für „Feinschmecker“ – keine Hit-Abräumer. Dazu taugt wieder eher der aktuelle Beitrag von Patrick Junge, der über seine Erfahrungen im Umgang mit Mode und Kirche berichtet, nicht unähnlich denen von Maximilian Krah.
Interessant sind neben den Texten vor allem diejenigen Kommentare, die das Thema als völlig irrelevant einstufen … die Schreiber haben es sich aber trotzdem nicht nehmen lassen, bisweilen umfassende Kommentare zu veröffentlichen. Andere gehen soweit, den Autoren Eitelkeit und Narzissmus zu unterstellen – was ich bei Lektüre der Beiträge zumindest nur bedingt nachvollziehen kann.
Ich gebe zu, dass ich eine Schwäche für das Thema habe: Ausreichend Geld vorausgesetzt trüge ich Maßanzüge und -schuhe, teure Uhren und unaufdringliche, aber edle Accessoires. Ich mag es, wenn Menschen sich stilvoll kleiden, was nicht bedeutet, dass sie sich teuer kleiden müssen. In Zeiten von H&M – so meine Überzeugung – kann sich jeder schick anziehen, ohne dafür ein Vermögen ausgeben zu müssen. Natürlich sitzt ein Anzug besser, wenn in seine Produktion ein bisschen mehr Aufwand gesteckt wurde, aber das fällt in der Regel dem Laien im Vorbeigehen gar nicht auf. Was dagegen auffällt, ist, ob jemand überhaupt Geschmack in der Kleidung beweist, sich wenigstens darum bemüht, oder er das Thema eher wurschtig angeht, sich entweder bewusst oder unbewusst nachlässig bis schlampig kleidet.
Nun kann man alldem den Vorwurf der thematischen Oberflächlichkeit machen: Ist es denn entscheidend für den Wert eines Menschen, ob er sich gut, gar teuer, kleidet? Um es mal polemisch zu formulieren: Werden wir an der Himmelspforte danach gefragt, ob wir Boss oder Aldi-Hausmarke getragen haben? Die Antwort liegt auf der Hand. Aber man kann die Himmelstür-Frage auch auf zweierlei Arten anders formulieren: Haben wir alles uns mögliche getan, um Menschen zu Christus zu führen? Oder weniger theologisch, fast weltlich: Sind wir anderen Menschen wertschätzend entgegen gekommen?
Der Grat ist schmal, meine gefallene Natur als Mensch macht es mir schwer, mich gegen meine Eitelkeit zu wehren. Und trotzdem ist es auch eine Wertschätzung meinen Mitmenschen gegenüber, wenn ich mich anständig und gefällig kleide, dabei auch die Wirkung meiner Kleidung berücksichtige. Da kann man fragen, wie kurz der Rock sein darf, wie körperbetont Hose und Shirt, bis zu welchem Grad Kleidung schön ist und ab wann sie die Phantasie des Gegenüber auf die falsche Reise schickt. Aber ob hochgeschlossen oder offenherzig: So oder so kann man sich stilvoll kleiden, der Wirkung und dem Augenschein des anderen gegenüber bewusst, oder eben nachlässig, den anderen und sein ästhetisches Empfinden missachtend.
Und machen wir uns nichts vor: Durch Kleidung und Körperpflege ändert sich auch unser Selbstbild. Irgendwo habe ich mal den Satz gehört: „Es gibt keinen Mann, der nicht in einem anständigen Anzug zwei Klassen besser aussieht“, ich selbst bemerke an mir, wie ich anders gehe und stehe, wenn ich statt Schlabberpulli einen gut sitzenden Anzug trage. Das liegt eben nicht nur an dem Anzug per se sondern an der Wirkung, die der Anzug ansonsten auf mein Auftreten hat. Ein Anzug strahlt bei den meisten Selbstsicherheit aus, und man wird durch ihn selbstsicherer. Ein Schlabberpulli dagegen strahlt Lässigkeit oder eben Nachlässigkeit aus, und … Eben!
Diese Wirkung von Stil und Style geht sogar noch weiter. Machen wir einen kleinen Test: Stellen Sie sich – als Mann, für Frauen kann ich da naturgemäß weniger sprechen – ein Bild von Frank Sinatra im Kopf vor (falls das schwer fällt, dann hilft vielleicht das hier verlinkte oder dieses). Vielleicht versuchen Sie sich auch noch die Musik vorzustellen, vielleicht „Fly me to the moon“, „Strangers in the night“ oder, wenn Ihnen die tatsächlich nichts sagen sollten auch „My Way“ oder „New York“. Und wenn Sie jetzt aufstehen und loslaufen, dann würde ich fast jede Wette eingehen, laufen Sie anders, gerader!
Keine Sorge, Sie müssen sich nicht so kleiden wie Frankie, Sie müssen auch die Musik nicht dauernd hören, aber es ist wichtig festzustellen, dass solche Dinge wichtig sind für die Art wie wir auftreten und die Art wie wir wirken. Und da kommt dann wieder unser Auftrag der Mission ins Spiel. Patrick Junge weist in seinem Cathwalk-Beitrag zu Recht auf das Spannungsfeld hin, dass wir zwar in der Welt leben, uns aber nicht mit der Welt gemein machen sollen. Für mich hieße das übersetzt, dass unser Inhalt, der Geist, aus dem heraus wir handeln, ein fundemantal anderer sein muss als der des Rests der Welt. Damit dieser Geist aber über uns Gehör findet, sollten wir ihm nicht durch unser Äußeres Hindernisse in den Weg legen. Das Bewusstsein dieses Unterschieds bewahrt uns hoffentlich vor Eitelkeit und Narzissmus, wer aber jemandem, der als Christ und Katholik Wert darauf legt, gut angezogen zu sein, solches unterstellt, sollte sich zumindest fragen, wie er denn seine Außenwirkung gestaltet.
Es wäre ja schön, wenn die ganze Welt nur auf unsere inneren Werte und den Geist, aus dem wir handeln achten würde. Tut sie aber nicht, da ist also Klugheit notwendig, damit man die positive Ausstrahlung erlangt, die Kleidung mitunter verleihen kann, und dem Gegenüber signalisiert, dass meine Wertschätzung ihm gegenüber nicht da endet, dass ich versuche, möglichst nicht unangenehm zu riechen.
Ob Maximilian Krah, Patrick Junge oder das Team von The Cathwalk eitel oder narzisstisch sind? Kann ich nicht sagen, ich kann ihnen nur vor den Kopf, auf die Texte und auf die Oberflächlichkeit der Bilder schauen. Ich weiß auch nicht, ob das Thema Mode und Style für einen katholischen Blog trägt. Der Widerspruch, der sich dort regt zeigt aber, dass es ein Thema ist, das zwar sicher nicht erste Priorität in unserem Glaubensleben haben sollte, das wir aber auch nicht unterschätzen dürfen.
Nepomuk
Apropos:
>> es wäre ja schön, wenn die ganze Welt nur auf unsere inneren Werte und den Geist, aus dem wir handeln achten würde.
Wäre es das? Da bin ich mir gar nicht so sicher.
Es reicht, wenn mir selber mein Elend vor Augen steht; sicher soll man darüber nicht lügen, aber vielleicht will doch man den lieben Mitmenschen ersparen, ihnen damit allzusehr auf den Wecker zu gehen.
Auch wenn ich von Haus aus gegenüber protestantischen Auslegungen im allgemeinen und Dietrich Bonhoeffer (in seiner Eigenschaft als Theologe, nicht als Lieddichter oder Märtyrer!) im besonderen skeptisch bin, erscheint mir doch diese Auslegung von ihm (ohne Quelle) ziemlich straightforward:
Er kommentiert an einer Stelle, Gott hat den Menschen nach dem Sündenfall Kleidung gemacht, das heiße: Gott habe Mitleid mit dem sündigen, prinzipiell gutwilligen Menschen und wollte schon damals nicht, daß all der ganze Schmu unbedingt ans Tageslicht kommt. Es ist daher legitim, Dinge unter der Decke zu halten.
(Er versteht hier die Kleidung als Symbol oder Realsymbol. Witzigerweise geht es bei uns echt um die Kleidung^^)
Wenn dereinst einmal *tatsächlich* die ganzen inneren Werte und der Geist, aus dem gehandelt worden ist, nebst der Werke selber offenbar werden werden – was *das* alles impliziert –
nun, ich bewundere immer die Leute, die wie selbstverständlich davon ausgehen, daß *dann* die Lage für sie auf alle Fälle besser als in der jetzigen Oberflächlichkeit wäre (was denn sonst).
Es steht mir nicht zu, ihnen Irrtum zu unterstellen. Die Bibel und die katholische Lehre sagen nur, daß der Erwachsene immer mal wieder kleine Sünden begehen wird; das können aber (worauf St. Augustinus ausdrücklich besteht) sehr kleine, und der Zeitraum dazwischen durchaus länger sein.
Aber ich für meinen Teil müßte mich dann doch Thomas von Celano anschließen: „Quid sum miser tunc dicturus“, „qui salvandos salvas gratis, salva me, fons pietatis“, „quem Mariam absolvisti, et latronem exaudisti mihi quoque spem dedisti“ und „iudicandus homo reus: huic ergo parce Deus“.
Marie
Herzlichen Dank für diesen Artikel, der die Polarisierung der Modefragen in der katholischen/ christlichen Welt aufgreift und gut darlegt. Ich denke, es ist eher die Art und Weise wie dieser Artikel von Herrn Junge geschrieben ist, der sowohl sehr geringschätzende und auch selbstgerecht – arrogante Züge trägt. Als jemand der Stil und gepflegtes Auftreten schätzt und ebenso eine Wertschätzung den anderen gegenüber und sich selbst darin sieht, muss ich doch sagen, dass ich den Artikel von Herrn Junge als sehr unsympathisch und oberflächlich empfand. Ich kann nur hoffen, dass weitere Artikel qualitativ besser sind.